Abschließende Stellungnahme der organisierten autonomie (oa) zu den Vorkommnissen rund um die Veranstaltung „Gegen die Eskalation der ‚Gender-Debatte‘“ von Bettina Fellmann und Jörg Finkenberger
Bettina Fellmann und Jörg Finkenberger hatten den Stadtteilladen Schwarze Katze am 31.01.2023 für einen Vortrag gemietet. Der Stadtteilladen Schwarze Katze hat die Veranstaltung und die Veranstaltenden geprüft und keine Anhaltspunkte gefunden, welche gegen die Nutzung des Stadtteilladens durch die beiden VeranstalterInnen sprachen. Der Stadtteilladen Schwarze Katze stellt linken Organisationen und Einzelpersonen unabhängig der politischen Ausrichtung, auf Basis seiner antifaschistischen, antirassistischen, emanzipatorischen und antisexistischen Haltung, Räumlichkeiten zur Verfügung. Der Stadtteilladen Schwarze Katze wurde und wird von einer Vielzahl verschiedener linker Organisationen, Einzelpersonen und Gruppen genutzt, darunter GewerkschafterInnen, Anti-Atomgruppen, Geflüchtete, feministische Gruppen, antifaschistische Gruppen, anarchistische Gruppen, linke Parteien, Legalize-It-Initiativen usw.
Einige Tage vor der Veranstaltung wurde eine Erklärung, von einer der vielen NutzerInnengruppen des Stadtteilladens auf Instagram verbreitet, welche verkündete, den Stadtteilladen zu verlassen. In diesem Statement wurde suggeriert, dass in der Veranstaltung das Existenzrecht von Transpersonen zur Debatte stünde. Das war und sollte niemals Inhalt der Veranstaltung sein. In Zitaten wurde Jörg Finkenberg Transfeindlichkeit vorgeworfen. Wir haben die zitierten und weitere Texte gelesen und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Abschnitte aus dem Kontext gerissen und fehlinterpretiert sind.
Nach der Erklärung der ehemaligen NutzerInnen kursierten bald auf Indymedia Blockade- und Störaufrufe zur Veranstaltung. Der Stadtteilladen wurde in diesen Erklärungen als Feind markiert und es wurde dazu aufgerufen, eine Veranstaltung, in einem Ort linker Infrastruktur Nürnbergs mit „dem gesamten Werkzeugkasten linker Blockadestrategien“ zu verhindern. Unter diesem Aufruf fanden sich kurzzeitig in der Kommentarspalte Gewaltaufrufe gegen die VeranstalterInnen des Vortrags und den Stadtteilladen Schwarze Katze. Der Blockadeaufruf wurde außerdem auch in Papierform in Nürnberg verteilt.
Nachdem Stör-, Blockadeaufrufe, sowie Gewaltandrohungen gegen einen linken Stadtteilladen im Internet kursierten, riefen drei Nürnberger Gruppen auf ihren Instagram Kanälen für den 31.01. zum „queerfeministischen Cornern“ am Jamnitzer Platz auf. Die Interventionistische Linke Nürnberg stellte in ihrem Post einen direkten Bezug zu der Veranstaltung im Stadtteilladen Schwarze Katze her und nahm somit billigend in Kauf, dass die Aktion Ausgangspunkt für Stör- und Blockadeaktionen und potenzieller Gewalt gegen einen linken Stadtteilladen werden könnte. Um einen störungsfreien Ablauf der Veranstaltung zu gewährleisten, stellte der Stadtteilladen eine Gruppe von OrdnerInnen zusammen. Für den Abend wurde im Vorfeld ein deeskalierendes und gewaltfreies Konzept beschlossen, das allen Menschen, welche die Diskussionsveranstaltung besuchen oder kritisieren wollten, ermöglichen sollte, an der Veranstaltung teilzunehmen.
In der Nacht auf den 31.01. wurde die Tür des Stadtteilladens mit einer Mauer versperrt. Diese Aktion reiht sich in Angriffe auf den Stadtteilladen ein, die bisher nur von FaschistInnen und QuerdenkerInnen ausgingen. Die Mauer wurde entfernt und beiseite gestellt, tauchte aber im Verlauf des Tages laut Indymedia bei der CSU, einem rechten Akteur der Genderdebatte, wieder auf. Später am Tag bekannte sich eine anonyme Gruppe auf Indymedia zu der Aktion gegen die Schwarze Katze.
Vor der Veranstaltung am 31.01. stellte sich schon frühzeitig das OrdnerInnen Team vor dem Eingang der Schwarzen Katze auf, um Blockadeversuche zu unterbinden. Gegen 17.30Uhr sammelten sich wie angekündigt mehrere Personen auf dem Jamnitzer Platz zum „queerfeministischen Cornern“. Die Gruppe wuchs bis 18 Uhr auf knapp 50 Personen und verlegte sich zu diesem Zeitpunkt vom Jamnitzer Platz auf die gegenüberliegende Straßenseite des Stadtteilladens. Die Stimmung war zunächst wenig feindselig und Einzelpersonen wechselten auch zwischen den Gruppen hin und her.
Der Stadtteilladen füllte sich nach und nach und kurz vor 18:30 Uhr wurden alle, die die Veranstaltung besuchen wollten, aufgerufen, sich in die Schwarze Katze zu begeben. Der Veranstaltungsraum war dann bis zum letzten Platz gefüllt. Daraufhin setzte sich ein Teil des „feministischen Cornerns“ in Bewegung, überquerte die Straße und lief auf die Tür des Stadtteilladens zu. Da mehrere Personen an der Spitze vermummt waren, wurde ihnen von den OrdnerInnen der Einlass verwehrt. Zeitgleich begannen einige Personen aus dieser Gruppe an die Fenster des Stadtteilladens zu klopfen, um so die Veranstaltung zu stören. Dies wurde von den OrdnerInnen unterbunden, indem die klopfenden Personen weggeschoben wurden und sich die OrdnerInnen vor die Fenster stellten. Daraufhin ließ der Wille, die Veranstaltung zu stören bei vielen nach und es entstanden mehrere Diskussionsgruppen, in denen zum Teil sachlich, zum Teil hitzig, über die Veranstaltung diskutiert wurde. Dadurch beruhigte sich die Lage schnell und das deeskalierende Konzept des Stadtteilladens verhinderte so eine Eskalation des Abends.
Innerhalb der Veranstaltung kam es zu einer angeregten Diskussion und zu einem kontroversen Austausch über die Geschlechterverhältnisse im Kapitalismus. Hier kamen auch KritikerInnen der Veranstaltung zu Wort. Die Veranstaltung bot so einen Raum für Austausch und linke Debatten innerhalb und außerhalb der Schwarzen Katze. Das deeskalierende Konzept zum Schutz der Veranstaltung kann also als Erfolg betrachtet werden. Denn nur durch gemeinsame Diskussion kann die Linke auf dem Weg der Veränderung der Gesellschaft vorankommen. Wir wissen nicht, wie die Gruppen, die zum Cornern gegen die Veranstaltung aufgerufen haben, mittlerweile darauf zurückblicken. Wir hoffen aber, dass die Gruppen und auch alle beteiligten Einzelpersonen den Weg zurück finden, zu einem solidarischen Verhältnis unter linken Organisationen und dass diese nicht die Zersplitterung der Linken weiter vorantreiben (siehe erstes Statement).
Die organisierte autonomie (oa) teilt nicht alle Standpunkte der ReferentInnen des Abends. Dennoch haben wir im Vorfeld als Organisation, trotz der auf Instagram vorgetragen Vorwürfe gegen Jörg Finkenberger, keinen Anlass gesehen, den Stadtteilladen für sein Vorgehen zu kritisieren. Der Abend hat gezeigt, dass es möglich ist, durch gemeinsame Debatte voranzukommen. Wir haben in der Vergangenheit stets bürgerliche und faschistische Organisationen, die AfD und andere Teile der rechten Bewegung, unter anderem auch wegen ihrer Queerfeindlichkeit und ihrem patriarchalen Weltbild, bekämpft. Wir treten ein für den freien Kommunismus, einer Gesellschaft, in der die kapitalistische Produktionsweise und die patriarchalen Geschlechterverhältnisse überwunden sind.
Wir wissen, dass im Stadtteilladen alle willkommen sind, die diesen Kampf mit uns führen wollen, unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität oder Herkunft.