Statement zu den aktuellen Entwicklungen des IL-Outings in Köln
Die Kontaktgruppe3 ist eine unabhängige Recherchegruppe, die in den letzten Monaten versucht hat, das von der Interventionistischen Linken (IL) behauptete sexistische Männernetzwerk aufzudecken. Dazu haben wir zunächst auf neutraler Ebene das Gespräch gesucht. Die Gesprächsangebote an die IL wurden jedoch von dieser nicht angenommen. Dennoch haben wir weiterhin versucht, möglichst viele Informationen zusammen zu tragen, mit dem Ziel das sexistische Männernetzwerk aufzudecken und dem Vertrauensverlust innerhalb der linken Szene, etwas entgegenzusetzen. Das Ergebnis unserer Recherche deckt sich mit den Aussagen des am 15.01.23 veröffentlichten Statements, das von den Betroffenen und Kritiker:innen des Outings erarbeitet wurde.
Viele Menschen, sowohl innerhalb der IL als auch in verschiedenen anderen politischen Strukturen sowie im erweiterten Umfeld, hatten Fragen und Zweifel zum Outing im Juli 2022. Die IL ist weder vor, noch nach dem Outing auf diese Zweifel eingegangen und hat Nachfragen abgeblockt. Es hätte viele Wege gegeben, mit den Vorwürfen umzugehen, ohne sie zu verharmlosen. Die IL hat sich trotz zahlreicher Bitten und geäußerter Zweifel entschieden, an die Öffentlichkeit zu treten. Nur deshalb wird dieser Diskurs jetzt öffentlich ausgetragen, der auch innerhalb der linken Szene hätte geklärt werden können.
In dem Outing wurde behauptet, es gebe keine Zweifel an der Darstellung der IL. Diese falsche Behauptung hat auf vielen Ebenen nachhaltig Schaden angerichtet, den wir im Folgenden benennen möchten. Wir möchten aufzeigen: Ein solches Verhalten hat massive Konsequenzen:
Die IL hat nicht nur das Leben des geouteten Genossen und seiner Familie existenziell beschädigt, sondern viele weitere Opfer hervorgebracht und der linken Szene insgesamt immensen Schaden zugefügt. Durch die – wie sich jetzt herausgestellt hat – erdachten Vorwürfe gegen C. und den weiteren Umgang mit diesen, wurde eine funktionierende Kölner Politgruppe (eine IL Ortsgruppe; K2) zerstört. Die meisten der ehemaligen Mitglieder sind seitdem nicht mehr in politischen Zusammenhängen aktiv. Viele Menschen aus dem erweiterten Umfeld haben sich von der linken Szene abgewandt, da ihr Vertrauen in diese nachhaltig gestört wurde.
Eine autoritäre Vorgehensweise der IL, die auf blindem Vertrauen in bestimmte Gremien beruht, hat dazu geführt, dass kritisches Nachfragen durch Täterschutzvorwürfe praktisch verunmöglicht wurde. Die IL und ihre Unterstützer:innen sorgten stets dafür, dass gerade bei den Plena, auf denen sie Fragen zu ihrem Vorgehen beantworten sollten und auf denen es eigentlich zu einer Debatte kommen sollte, kritische Stimmen gezielt eingeschüchtert wurden. Zudem wurden auf diesen Plena von der IL unterschiedliche, sich teils widersprechende Aussagen weitergegeben, was dafür spricht, dass diese selbst nicht richtig über den Sachverhalt informiert waren, dies aber dennoch unkritisch hinnahmen. Diese unkritische Übernahme führte schließlich zu deutschlandweiten Reaktionen, bis hin zu Artikeln in der taz und im nd. Die IL kennt offenbar für Flinta nur zwei Rollen: Die der Täterschützer:in und die des Opfers. Dass es nie im Interesse der IL war, eine wirkliche feministische Politik zu betreiben, zeigt sich an vielen Punkten:
So wurden etwa nie Flinta aus der Politgruppe Cs. oder aus seinem Umfeld angesprochen und nach möglichen schlechten Erfahrungen mit diesem befragt oder gar gewarnt. Auch Partner:innen von männlichen Mitgliedern der Gruppe wurden nie befragt oder über den Sachverhalt von der IL selbst aufgeklärt. Die IL hat zu keinem Zeitpunkt zu der Bedrohung durch das angeblich bestehende Männernetzwerk recherchiert und verweigerte eine angemessene Offenlegung ihrer Informationen. Ihr einziger Beitrag war das Outing mit dem Hinweis, dass sich betroffene Personen doch bitte melden sollten. Dies hätte schon deswegen nicht funktionieren können, da potenziell Betroffene nicht wissen konnten, ob sie ebenfalls ein Opfer dieses vermeintlichen Netzwerks sind. Hätte es dieses also tatsächlich gegeben, wären die betroffenen Flinta komplett alleine gelassen worden. Aufgrund einer völlig fragwürdigen Beweislage dies aber zu behaupten bedeutet, dass eine große Anzahl von Flinta in die Sorge versetzt wurden, ein mögliches Opfer dieser Machenschaften geworden zu sein. Jeder Mann hätte Teil dieses Männernetzwerks sein können, womit auch jeder Genosse ein möglicher Täter wäre. Die Ängste, die dadurch bei vielen Flinta innerhalb der linken Szene verursacht wurden, hat die IL verursacht, so dass wir auch von dieser fordern, öffentlich einzugestehen, dass sie keinerlei Informationen zu der Existenz des Netzwerks haben und sie diese Ängste völlig grundlos geschürt haben.
Die IL hat einen großen Schaden in der linken und linksradikalen Szene angerichtet, indem sie nicht nur antifeministisch gehandelt hat, sondern auch sexuelle Gewalt durch unpassende Vergleiche verharmloste. Interne Vorgehensweisen und Informationen über die eigenen Strukturen und über Strukturen, die mit ihnen zusammenarbeiten, werden der Polizei und der Justiz auf dem Silbertablett serviert. Sie sind mit offensichtlichen Falschaussagen an die Öffentlichkeit gegangen und haben mit ihrer “zweifelsfrei bewiesen”-Argumentation das Vertrauen in die linke Szene bei vielen zerstört. Was aber vielleicht am schwersten wiegt ist, dass das Vorgehen gegen sexuelle Gewalt durch ein solches Vorgehen erschwert wird, da unter anderem die Glaubwürdigkeit von Flinta, die sexuelle Gewalt erlebt haben, unter einem solchen Vorgehen leidet. Das Sicherheitsgefühl von Flinta innerhalb der linken Szene wurde nachhaltig beeinträchtigt, die Position von Opfern und damit die Sicherheit von Flintas wurde geschwächt.
Die autoritäre Denkweise der IL, die dazu führt, dass lieber geschwiegen wird, als eine Gegenmeinung zu formulieren, wurde von einer linken Szene angenommen, die lieber opportunistisch agiert oder aus Angst vor Konflikten Sachverhalte ignoriert, anstatt Haltung zu zeigen. Gut begründete Gegenmeinungen werden in so einem Umfeld weder gehört, noch berücksichtigt oder abgewägt. Große Teile der linken Szene schauten allerdings trotz eines unguten Gefühls diesem „Prozess“ lieber stillschweigend zu. Rechtsgrundsätze wurden in ihr Gegenteil verkehrt. Statt Gewaltenteilung hat sich die IL selbst zum Ermittler, Richter und Strafenden ernannt, statt Unschuldsvermutung wurde der „Täter“ abgeurteilt, ohne ihn auch nur einmal anzuhören, statt Beweise zu prüfen wurden kritisch nachfragende Flinta zu Täterschützer:innen erklärt. Selbst reine Kritik am Verfahren wurde nicht ernst genommen.
Wir fordern die IL auf, endlich verantwortlich, solidarisch und vor allem endlich feministisch zu handeln!
Existenzieller Schaden wurde bei C., seiner Familie und seinem Umfeld angerichtet. Vertrauen in der linken Bewegung ist beschädigt. Nicht zuletzt schadet das falsche Vorgehen der IL dem Kampf gegen Sexismus.
Wir fordern von der IL eine lückenlose Aufarbeitung der benannten Geschehnisse. Die IL muss transparent machen, wie es zu einem solchen Outing kommen konnte und die entsprechenden Täter:innen zur Verantwortung ziehen. Eine solches Vorgehen darf nicht noch einmal passieren. Strukturen, in denen so etwas möglich ist, müssen diese dementsprechend überarbeiten. Ansonsten sehen wir nicht, wie mit solchen vertrauensvoll zusammengearbeitet werden kann.
Von Flintas aus Kontaktgruppe3
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Köln, 25. Januar 2023