ALFREDO COSPITO UND DER UNTERGEHENDE PALAST
Wir erhalten und veröffentlichen das Flugblatt, das heute Morgen, Mittwoch, den 25. Januar um 11 Uhr, während der Solidaritätsaktion für Alfredo Cospito auf der Piazza Cavour vor dem Kassationsgerichtshof in Rom verteilt werden wird:
ALFREDO COSPITO UND DER UNTERGEHENDE PALAST
Alfredo Cospito, ein anarchistischer Gefangener, befindet sich seit dem 20. Oktober im Hungerstreik. Mit diesem Hungerstreik bis zum bitteren Ende setzt er der Rücksichtslosigkeit des Staates - der ihn am liebsten in einem Grab für Lebende bestatten würde - seine Kraft, seine Zähigkeit und seinen Willen als bewusster Anarchist und Revolutionär entgegen.
Alfredo Cospito wurde vom Staat faktisch zum Tode verurteilt, der seine Mordlust mit dem Ergebnis der Anhörung vor dem Aufsichtsgericht in Rom am 1. Dezember bestätigt hat, das automatisch auch seine Inhaftierung gemäß im 41bis-Regime bestätigte. Fast einhundert Tage nach Beginn des Streiks steht sein Leben am Rande des Abgrunds. Mehrere sind für diese Behandlung verantwortlich, darunter der Kassationsgerichtshof in Rom, der - den ganzen Klassenhass der Macht gegenüber den Anarchisten zeigend - eine der Anklagen gegen Alfredo und Anna Beniamino im „Scripta Manent“-Verfahren in einen „politisch motivierten Massemord“ umqualifiziert hat. Es ist der selbe Oberste Gerichtshof, der noch keine Anhörung für die Berufung gegen den Beschluss des Überwachungsgerichts anberaumt hat.
Das „Scripta Manent“-Verfahren stellt die Rache des Staates an den Anarchisten dar, die „unempfänglich für Reue“ sind. Es ist auch eine Warnung an jeden, der es wagt, die rote Linie der von der Macht gezogenen Kampfpraktiken zu überschreiten und zwar durch eine exemplarische Bestrafung.
Am Mittwoch, den 25. wird das Verfassungsgericht im Kassationsgerichtshof über die neuen Regeln für die lebenslange Freiheitsstrafe beraten. Dies geschieht in einem Land, in dem immer mehr Gefangene in die Sozialmüllhalde der Gefängnisse gepfercht werden und viele von ihnen im existenziellen Vakuum der ständigen Inhaftierung und Einzelhaft ausgesetzt sind. Dies ist eine weitere Maßnahme, mit der der Staat den Verzicht auf die eigene Identität und die Abschwörung als einzigen Ausweg vorgibt.
Die lebenslängliche Freiheitsstrafe ist ein Beispiel für ein verkommenes Justizsystem, das sich nicht einmal mehr hinter dem verfassungsmäßigen Schirm der Strafe als Form der Rehabilitation versteckt, sondern immer dreister den Willen bekräftigt, alle Lebensformen, die Staatsfeinde sind, aus der Gesellschaft zu eliminieren. Erinnern wir uns in diesem Sinne an all die Revolutionäre, die in den Gefängnissen dieses Landes Widerstand leisten, manche seit über 40 Jahren.
In Zeiten militärischer und wirtschaftlicher Kriege, einer tiefen ökologischen Krise, der Konzentration des Reichtums in wenigen Händen und dem daraus resultierenden Absturz immer größerer Teile der Bevölkerung in die Armut sind verstärkte Unterdrückung und Kontrolle eine Voraussetzung für kapitalistische Herrschaft. Der repressive Angriff entwickelt sich auf allen Ebenen, vom Höhepunkt des 41bis-Regimes für diejenigen, die die Macht direkt angreifen, wie Alfredo Cospito, bis hin zur Kriminalisierung von gesellschaftlichen Subjekten, die sich der Ordnung widersetzen, wie es mit dem jüngsten Gesetzesdekret 434 (Anti-Rave-Dekret) geschah.
Angesichts dieses Angriffs sind wir als revolutionäre Bewegungen und ausgebeutete Klasse davon überzeugt, dass wir uns nicht mit dem System abfinden dürfen, sondern unsere Existenz und die Welt, die wir in uns tragen, durch den Kampf bekräftigen müssen.
In dieser Gesellschaft leben wir in ständiger wirtschaftlicher und existenzieller Unsicherheit, und die Grenze zwischen legaler und illegaler Existenz verschwimmt zunehmend. Daher kann das Gefängnis nur ein Ort sein, an dem soziale Konflikte ausgetragen werden, und folglich ein Ort des Kampfes. Wir kämpfen für die Zerstörung des Gefängnisses und der Gesellschaft, die es braucht. Wir kämpfen gegen die unterschiedlichen Hochsicherheitsregime, in denen unsere Gefährten und Gefährtinnen inhaftiert sind. Im Fall der inhaftierten Revolutionäre dienen diese Formen der Inhaftierung sowohl dazu, sie von den Bewegungen außerhalb zu isolieren (wie im Fall vom 41bis), als auch sie von dem entschlosseneren und bewussteren Teil der Gefangenen zu trennen (wie im Fall von AS2-Hochsicherheistrakt 2) und sie so daran zu hindern, ihre Kämpfe zu organisieren und zu verbreiten.
Seit Monaten führen wir eine Mobilisierung des Kampfes in Solidarität mit Alfredo Cospito durch. Dieser Kampf geht über die Unterstützung für den einzelnen Gefährten hinaus und hat umfassendere Ziele, wie unser Gefährte erklärt hat:
Die Schließung von 41 bis (für alle der mehr als 700 Insassen).
Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe.
Solidarität mit allen revolutionären Gefangenen.
In diesen Monaten der Mobilisierung ist es der Kampfbewegung gelungen, einige Ergebnisse zu erzielen:
- die Mauer des Schweigens über das Thema 41bis, ein echtes Folterregime, zu durchbrechen.
- Klärung der Rolle der Nationalen Antimafia- und Antiterrordirektion (DNAA) als Instrument der politischen Unterdrückung und Untergrabung der Unantastbarkeit und des Ansehens, das diesem Staatsapparat anhaftet.
- Wiederbelebung der libertären Ideen und Praktiken des Kampfes, der Notwendigkeit von der Propaganda der Tat und kämpferischer Präsenz auf der Straße nach einer langen Periode des Rückschritts der Kampfbewegungen.
- Entwicklung der internationalen Solidarität mit sozialen Kämpfern und Revolutionären, die von Repressionen betroffen sind.
Der Kampf ist noch nicht vorbei, wir haben den Zenit erreicht und Alfredo Cospitos Leben ist in großer Gefahr. Jetzt ist eine maximale Mobilisierung erforderlich, um den Kampf dieses Gefährten zu unterstützen und sein Leben zu retten.
Versammlung in Solidarität mit Alfredo Cospito und den revolutionären Gefangenen
Rom, 25. Januar 2023
[Veröffentlicht auf italienisch unter: https://lanemesi.noblogs.org/post/2023/01/25/alfredo-cospito-e-il-palazzo-che-affonda/]