Gegen Repression und Verdrängung!
Was ist passiert?
Ende April werden vier Jugendliche in Connewitz von der Polizei verhaftet, die nach Darstellung der Polizei angeblich Graffiti mit politischen Parolen gesprüht haben sollen. Schon bei der Festnahme geht die Polizei mit Pfefferspray gegen die Jugendlichen vor. Vor der Fahrt in den Polizeiposten in der Wiedebachpassage werden sie unter Bedrohungen und Beleidigungen in Bauch, Rippen und auf den Kopf geschlagen. Einem Gefesselten wird sein Tascheninhalt – Geldscheine und ein Feuerzeug – unter dem Ruf „FRISS! FRISS! FRISS!“ in den Mund gestopft. Im Polizeiposten muss einer der Betroffenen gefesselt auf dem Boden vor einem leeren Stuhl knien. Aus dieser Stellung wurde er im Genick gepackt und hochgezogen. Auf Beschwerden, Einsprüche und Fragen nach Dienstnummern haben die Polizeibeamten mit weiteren Gewaltandrohungen und Beleidigungen reagiert.
Nach einer Identitätsfeststellung ohne Benachrichtigung der Eltern und den geschilderten Misshandlungen konnten die Jugendlichen nach zwei Stunden Ingewahrsamnahme die Wache wieder verlassen. Mittlerweile werden vom Dezernat 5 (Staatsschutz) an diverse, vermeintlich graffitigeschädigte Hauseigentümer*innen Aufrufe für Sachbeschädigungs-Anzeigen verschickt. Diese enthalten die Klarnamen der betroffenen Jugendlichen und beschuldigen sie damit ohne jegliche Beweise als “Täter*innen” aller bemalten Hauswände in Connewitz. Die vier betroffenen Jugendlichen werden damit wahllos für alle möglichen Graffitis im Stadtteil verantwortlich gemacht.
Dies ist nicht der erste Vorfall dieser Art in Connewitz. Bereits 2011 wurden junge Menschen angegriffen, als sie Liebesbotschaften an eine Hauswand malten. Objektschützer*innen der Firma „Hildebrand und Jürgens“ (heute “Hildebrand und Partner”) griffen seinerzeit die Jugendlichen an. Auch die herbeigerufene Polizei ging ohne Mäßigung und unter Einsatz körperlicher Gewalt mit den Betroffenen um. Vor sieben Jahren sorgte der Angriff für große Empörung und Solidarität im Stadtteil. Einige Tage später zogen mehr als 150 Menschen durch die Straßen, um sich gegen Security-Kräfte im Kiez zu positionieren.
Keine sauberen Wände.
Tatsächlich ist Graffiti keine Kunst, die sich zufällig in den illegalen Raum verirrt hat, sondern sie agiert gegen das Gesetz. Sie widersetzt sich der herrschenden Ordnung oder ignoriert sie zumindest. Writing zeichnet sich vor allem durch die Praxis aus: illegal und subversiv. An Schienennetzen und Dächern, an Fensterscheiben und Häuserwänden, kurzum an fremdem Eigentum wird Graffiti zu einem Problem dieser Gesellschaft erklärt, weil die Sprayer*innen mit dem Verfärben fremder Wände ein Fundament der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft angreifen. Der bürgerliche Kapitalismus kann sich nicht mehr in seiner gepflegten Ordnung, der Sauberkeit und Sicherheit präsentieren, um Kaufkraft und Investitionen anzuziehen. Schmutz, Subversivität, Inkompatibilität und Armut wird durch das Tag oder Scratching sichtbar.
Durch den willentlichen Bruch der Ordnung können Graffitis auch ein Werkzeug gegen die Aufwertung ganzer Stadtteile und Verdrängung sein. Wer sich über steigende Mieten aufregt, sollte sich nicht über bemalte Wände beschweren. Saubere Straßen ohne irgendein Graffiti sind ein sichtbares Zeichen für eine Stadt, die keinen Platz mehr für alle bietet, die nur noch Ruhe und Ordnung kennt. Diesen Zustand wollen selbst ernannte Engel der Gerechtigkeit mit ausgelebten Gewaltphantasien erreichen. Die Polizei und auch so manch nichtverbeamtete*r Deutsche*r wollen jegliche Nonkonformität und andere Lebensstile unsichtbar halten, um den uniformierten, funktionierenden Einheitsstaat mit seiner Konsumlogik zu sichern.
Connewitz und andere Stadteile werden schon länger als linke Hochburgen der Unordnung und des Drecks dargestellt. Dies projiziert sich ebenso auf alle Menschen, die dort leben und die Straßen beleben. Sie sind in den Augen der Polizei Feinde ihrer Gesellschaftsvorstellung und werden auch so behandelt, die behaupteten “Bürgerrechte” des Staates werden regelmäßig ausser Kraft gesetzt. Vor diesem Hintergrund war und ist der Polizeiposten ein Politikum, welches sich in der absurden Wiederholung vom Übermalen eines Graffiti am Connewitzer Kreuz im Auftrag der Polizei verdeutlicht. Dass die Polizei es dann noch über Monate fertig bringt dieses Graffiti mit mehreren Cops zu bewachen, zeigt, wie sehr die Menschen im Stadtteil als Gegner*innen des Polizeiapparates verstanden werden. Jegliches Maß der Polizei in Bezug auf den Stadtteil ist ihr verloren gegangen.
“Die Polizei, dein Freund und Schläger”
In vielen Bundesländern soll es neue Polizeigesetze geben, auch in Sachsen. Allen bekannten Entwürfen ist eines gemeinsam: der Ausbau eines umfassenden Polizei- und Überwachungsstaats soll vorangetrieben werden. Automatisierte Videoüberwachung, Onlinedurchsuchungen und Staatstrojaner sowie der weiträumige Abbau rechtlicher Hürden für die Einschränkung von Grundrechten sind nur ein Teil der Bestrebungen der Law-and-Order-Aktivist*innen. Eine martialische Aufrüstung der Polizei und eine Ausweitung der Befugnisse wird durch die zentralen Motive rechter Akteur*innen begründet: eine abstrakte, nur vermeintlich drohende Gefahr. Diese angebliche Bedrohungslage durch Terrorismus und Kriminalität sei omnipräsent und könne nur durch einen repressiven Staat in Grenzen gehalten werden.
Im permanenten Geschrei nach mehr Polizei, mehr Überwachung, mehr Sicherheit hat sich ein Debattenklima entwickelt, dass nur noch den Superlativ des Immer-Mehr und Immer-Weiter kennt. Fragen nach dem Sinn und Unsinn autoritärer Maßnahmen werden kaum noch thematisiert. Die Zeichen stehen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen auf Anpassung, Unterordnung und Aufgabe von Autonomie. Die Forderung nach harter Führung und noch härterer Bestrafung eines jeglichen von der Norm abweichenden Verhaltens, ist nicht nur ein Kennzeichen extrem rechter Bewegungen, sondern charakterisiert in zunehmendem Maße auch die sich sonst ach so liberal darstellenden Staaten.
In diesem Rahmen erlauben sich Schläger*innen in Uniform immer mehr, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen. Mit grundlegendem Vertrauen von autoritären Bürger*innen ausgestattet, vom Staat noch mehr heroisiert, von ihren Kolleg*innen gedeckt und mit einer Definitionshoheit vor Gericht belohnt. So bleibt den Schläger*innen ein riesiger Handlungsspielraum, um unerkannt und brutal zu agieren. Besonders betroffen scheinen gerade jüngere Menschen zu sein, nicht nur in Connewitz. Umso wichtiger ist es, die Betroffenen von Polizeigewalt nicht alleine zu lassen und gewalttätiges Agieren von Cops nicht unkommentiert stehen zu lassen.
Auch dieses Mal haben die Schläger*innen die Rechnung ohne uns gemacht. Wenn Menschen von der Polizei wie in Connewitz angegriffen werden, dann schweigen wir nicht. Wir sind solidarisch mit den Betroffenen und richten uns gegen die weiteren autoritären und repressiven Umbaumaßnahmen der Gesellschaft. Deswegen werden wir am 15.06.2018 gemeinsam und entschlossen auf die Straße gehen.
Wir werden am Freitag (15.6.) um 18 Uhr mit einer kurzen Demonstration ab Wolfgang-Heinze-Str. Ecke Herderstraße zur Polizeiwache gehen!
Wir wollen eine Demonstration und eine Kundgebung abhalten, welche sich solidarisch an die Seite der von Repression Betroffenen stellt!
Gegen staatlich legitimierte Schläger*innen!
Für die Schließung des Polizeipostens in Connewitz!
Schluss mit Verdrängung und Aufwertung in Leipzig!
Das Übermalen des Graffiti am Connewitzer Kreuz durch die Stadt Leipzig im Auftrag der Polizei gehört beendet!
Schluss mit Polizeirepression!
Den grauen Wänden den Kampf ansagen!