Grüne Partei in Passau lässt feministische Demonstrant*innen gegen sexualisierte Gewalt durch Polizei entfernen

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Nach einer monatelangen Auseinandersetzung über den Vorwurf einer Vergewaltigung durch einen Grünen Stadtrat in Passau und einer nicht zufriedenstellenen Aufarbeitung durch die Partei, fand am 20.07.2022 eine spontane Protestaktion gegen sexualisierte Gewalt und Täterschutz statt und unterbrach am Mittwochabend die Mitgliederversammlung des Grünen Kreisverbandes Passau-Stadt.

Circa 20 Demonstrant*innen betraten das Büro der Grünen in der Lederergasse und forderten den Vorstand lautstark  auf, Matthias W., dem Vergewaltigung vorgeworfen wird, von der Versammlung und aus Grünen Parteistrukturen auszuschließen.

Als gegen 19 Uhr Matthias W. das Grünenbüro betrat, wurden bereits erste Stimmen laut, die seine Anwesenheit kritisierten. Niemand hatte es für möglich gehalten, dass der Beschuldigte, den die Grünen zuvor medienwirksam aus ihrer Stadtratsfraktion ausgeschlossen hatten, zur Mitgliederversammlung erscheinen würde. Der Vorstand unternahm dennoch nichts gegen die Anwesenheit der Person, der ein schwerer sexualisierter Übergriff vorgeworfen wird, sondern begann die Sitzung regulär.

Während der Mitgliederversammlung gab es auch kritische Rückfragen zum Umgang des Vorstandes mit dem Vorwurf der sexualisierten Gewalt. Ob junge Frauen sich momentan bei den Grünen Passau noch wohlfühlen würden. Darauf antwortete die Vorsitzende Monika Solomon: "Ja, warum denn nicht?" Es habe angeblich keine Austritte von jungen Frauen aus der Partei gegeben. Dirk Wildt, Sprecher der Grünen Passau-Land, neben Matthias W. sitzend, merkte daraufhin an, dass sich auch junge Männer wohlfühlen müssten. Laut Vorstand sei man mit dem parteiinternen Prozess trotz Verbesserungspotentials zufrieden. Auch würden Betroffene sexualisierter Gewalt und feministische Aktivist*innen bei den Grünen nicht als Nestbeschmutzer*innen diffamiert. Diese Behauptungen der Vorsitzenden sorgten bei den anwesenden Jung-Mitgliedern für große Irritation.

Gegen 20 Uhr betrat eine Gruppe junger Feminist*innen, darunter auch Grünenmitglieder, das Büro und forderte den Vorstand auf, Matthias W. von der Versammlung auszuschließen. Zudem kritisierten sie den Umgang der Grünen mit den Vorwürfen gegen Matthias W. und prangerten antifeministische Haltungen innerhalb des Stadtverbands der Partei an. Einige junge Teilnehmende der Mitgliederversammlung schlossen sich daraufhin der spontanen Demonstration hinter den aufgebauten Stuhlreihen der Mitgliederversammlung an. Viele anwesende Grünenmitglieder reagierten ungehalten, u.a. durch aggressives Abfilmen der Teilnehmenden oder die Drohung, diese vor Ort einzusperren. Dirk Wildt baute eine schützende Stuhlmauer vor Matthias W. auf. Der Grünen-Vorsitzende Andreas Auer ging mehrere Demonstrantinnen auch vehement körperlich an und schubste eine Teilnehmerin auf eine nahestende Musikbox.

Schließlich rief ein Grünenmitglied die Polizei, die kurze Zeit später mit zwei Streifenwagen eintraf und die anwesenden Demonstrant*innen aufforderten, das Büro zu verlassen, da sie sonst unter Anwendung unmittelbaren Zwangs entfernt würden. Nach mehrmaligen Aufforderungen der Polizei verließen die Protestierenden das Büro und hielten anschließend eine lautstarke Demonstration vor dem Grünenbüro ab. Matthias W. verließ das Büro schließlich durch den Hintereingang.

Dass die Grünen Passau sich im wahrsten Sinne des Wortes vor mutmaßliche Täter stellen und strukturell die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt verhindern, wurde gestern besonders deutlich.

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