„Ich war, ich bin, ich werde sein!“ Rote Matrosen immer mit uns: Revolutionär kämpfen gegen Ausbeutung, Krieg und autoritäre Formierung! Wilhelmplatz

Event Datum: 
Dienstag, Mai 1, 2018 - 09:30
In diesem Jahr jährt sich der Kieler Matrosenaufstand vom November 1918 zum 100. Mal. Aus der blutigen Niederschlagung einer Massendemonstration von Soldaten und Arbeiter*innen am 3.11.2018, die die Befreiung der in Kiel inhaftierten vermeintlichen Rädelsführer der Wilhelmshavener Meuterei der Hochseeflotte gegen die Fortführung des I. Weltkriegs zum Ziel hatte, entwickelte sich in den darauf folgenden Tagen ein revolutionärer Aufstand mit reichsweiter Signalwirkung. Arbeiter*innen und Soldaten übernahmen die Kontrolle über die Stadt, organisierten sich in Räten und stellten politische Forderungen nach Frieden, Freiheit und Brot. Die roten Fahnen über Kiel weiteten sich binnen weniger Tage auf zahlreiche Städte im untergehenden Kaiserreich aus, die alten Machthaber wurden davongejagt, regional entstanden spontan Räterepubliken. Am 9.11.1918 dankte der Kaiser ab, Karl Liebknecht rief in Berlin die Freie Sozialistische Republik aus. Das Gemetzel des I. Weltkriegs fand sein Ende.

Doch die hoffnungsvollen Tage des roten November 1918 währten nicht lang. Der rechte Ebert-Noske-Flügel der Sozialdemokratie würgte im Bündnis mit den alten Eliten des Kaiserreichs und proto-faschistischen Paramilitärs die Revolution ab, ließ ihre Vordenker*innen ermorden und linke Aufstände zusammenschießen. Die revolutionäre Linke in Deutschland entpuppte sich als zu schwach, um diesen Angriffen standzuhalten. Anstatt die Eigentumsverhältnisse anzutasten, die Organisation der gesellschaftlichen Belange in die Hände demokratischer Arbeiter*innenräte zu legen und die kapitalistische Produktionsweise als Keimzelle des imperialistischen Mordens im I. Weltkrieg über Bord zu werfen, kehrten nun die abgesetzten reaktionären Machthaber des beseitigten monarchistischen Klassenstaates in die Amtsstuben und Parlamente der neuen Weimarer Republik zurück. Die Arbeiter*innenbewegung dagegen ging zutiefst gespalten aus dem Novemberaufbruch hervor. Der Verrat der Revolution durch die ordnungsliebende deutsche Mehrheitssozialdemokratie brachte somit auch jene verhängnisvolle politische, ökonomische und soziale Grundkonstellation hervor, die in der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise nur ein gutes Jahrzehnt später den Aufstieg des NS-Faschismus ermöglichen sollte.

 

100 Jahre Novemberrevolution - Erinnern heißt Kämpfen!

Es ist prinzipiell zu begrüßen, wenn sich anlässlich des 100. Jahrestags der Kieler Revolte so viele Initiativen und Projekte wie nie zuvor mit den revolutionären Ereignissen in dieser Stadt auseinandersetzen und endlich damit beginnen, den Aufständischen die stadthistorische Würdigung entgegenzubringen, die sie zweifelsohne verdienen. Dabei sollten wir uns jedoch davor hüten, ihrer Eingliederung in den bundesrepublikanischen Nationalmythos als „Geburtsort der deutschen Demokratie“ durch die herrschende sozialdemokratisch eingefärbte Geschichtsschreibung zu folgen. Im Gegenteil gilt es umso mehr, in der Debatte den revolutionären Charakter und die sozialistische Stoßrichtung des November 1918 stark zu machen. Denn der Kieler Matrosenaufstand ist kein abgeschlossenes historisches Ereignis, das nun in den Museen verstauben und einmal im Jahr hervorgekramt werden kann, sondern er ist ein lokaler Meilenstein des immerwährenden globalen Kampfes um Befreiung und eine Mahnung, diesen Kampf zur Vollendung zu bringen. Trotz der großen Errungenschaften, dem auch die unvollendete Novemberrevolution der herrschenden Klasse z.B. in Form von Arbeiter*innenrechten und der politischen Gleichstellung der Frau* abtrotzen konnte, die gerade heute immer wieder verteidigt werden müssen, hat sich nichts grundlegendes an der strukturellen Verfasstheit der bestehenden kapitalistischen Weltordnung geändert. Mit der Ausnahme, dass diese in den letzten 100 Jahren mittlerweile fast jeden Winkel dieses Planeten ihrer zerstörerischen Verwertungslogik unterworfen hat.

 

Gegen Stillstand und Rückschritt

Seitdem die kapitalistische Produktionsweise im Jahre 2008 auch nach dem zwischenzeitlich proklamierten Ende der Geschichte wieder einmal eindrücklich ihre Krisenhaftigkeit unter Beweis gestellt hat, findet gegenwärtig eine dramatische Verschärfung der Weltmarktkonkurrenz statt. Diese schlägt sich vielerorts in einer autoritären Formierung nieder, in der rechte Bewegungen und Parteien auf dem Vormarsch sind, autokratische Regierungschefs die größten Militärapparate der Welt befehligen und ihre Stellvertreterkriege z.B. in der Ukraine, aber vor allem in Syrien, zivilisatorische Trümmerfelder hinterlassen und für die nahe Zukunft düstere Aussichten bescheren. Flankiert von rassistischem, chauvinistischem und religiösem Geschrei werden die Armen gegen die Ärmsten ausgespielt und patriarchale Sehnsüchte bedient, während Solidarität und Emanzipation von dieser Brutalisierung der Welt zunehmend überrannt werden.

Der Neoliberalismus braucht in einer solchen Situation längst keine Legitimation mehr, er wird einfach autoritär oder im Schatten der Hetzdebatten durchgesetzt und treibt die Prekarisierung weiter Teile der Menschheit immer weiter voran. Die Leidtragenden sind in den Metropolen gemäß der bestehenden Herrschaftsverhältnisse zuerst Lohnabhängige, Frauen*, Migrant*innen und Geflüchtete sowie ausgegrenzte Minderheiten. In Deutschland verläuft das Spannungsfeld dieser weltweiten Entwicklung zwischen der Großen Dauerkoalition des neoliberalen Stillstands, der austeritären Unterwerfung und Abschottung Europas einerseits und den rechten NarzistInnen von „Pegida“ und „Alternative für Deutschland“ (AfD) andererseits. Beide Pole sind trotz politischer Konkurrenzsituation keine Gegenspieler, sondern betreiben im Gegenteil im Wechselverhältnis den Erhalt des in die Krise geratenen Bestehenden mit der Brechstange - zum Preis bzw. dem Ziel der Barbarisierung.

 

Das Proletariat hat kein Vaterland!

Der 1. Mai ist der internationale Kampftag der Ausgebeuteten und Unterdrückten in der Tradition des Chicagoer Haymarket Riot im Jahre 1886, bei dem sich Streikende für den 8-Stunden-Tag tagelange Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Mehrere Arbeiter*innen starben durch Polizeikugeln, acht führende Anarchisten wurden in der Folge der Unruhen zum Tode verurteilt. Vor diesem historischen Hintergrund des 1. Mai, der einst als Gedenktag für die Ermordeten vom Haymarket ins Leben gerufen wurde und das Verhältnis von kämpfenden Arbeiter*innen zum Staat und seiner Exekutive unter Klassenverhältnissen auf den Punkt bringt, erscheint es umso paradoxer, dass der DGB auf der Kieler Mai-Kundgebung in diesem Jahr ausgerechnet einen Vertreter der „Gewerkschaft der Polizei“ (GDP) als einen der Hauptredner ankündigt.

Wir dagegen gehen an diesem Tag an der Seite von Millionen Menschen weltweit aus dem selben Grund auf die Straße, weshalb wir das revolutionäre Gedächtnis an den Matrosenaufstand wachhalten. Unsere revolutionäre Geschichte erinnert uns daran, dass der Kampf um Befreiung und Überwindung des Bestehenden auch unter schwierigen Bedingungen vorangehen kann. An Tagen wie dem 1. Mai verdeutlichen wir uns gegenseitig, dass dieser Kampf auch heute noch überall auf der Welt tagtäglich weitergeführt wird und wir ihn nur gewinnen können, wenn wir uns aufeinander beziehen und uns den Rücken stärken. Er findet auch hier in den immer noch weitestgehend befriedeten Herzen der Bestie statt: In den Betrieben bei den Arbeitskämpfen im Gesundheitssektor, den Auseinandersetzungen in den prekarisierten Branchen wie bei Amazon oder aktuell im öffentlichen Dienst. Er findet genauso statt auf der Straße, wenn Zigtausende wie im vergangenen Jahr in Hamburg gegen einen militärisch abgeschotteten G20-Gipfel aufbegehren. In unseren Kämpfen entwickeln wir unsere Hoffnungen, hier wächst unsere Stärke, hier entsteht Solidarität. Oder weil ein Bild mehr sagt als tausend Worte: Wenn die kämpfende Opel-Belegschaft von Eisenach dem AfD-Vorzeige-Nazi Höcke einen proletarischen Platzverweis für ihre Demonstration erteilt, wissen wir, mit wem und warum wir kämpfen.

 

Solidarität mit dem Widerstand von Afrin!

In anderen Teilen der Welt sind unsere Genoss*innen dagegen schon einige Schritte weiter, werden dafür aber aktuell umso härter von der vereinigten Reaktion angegriffen. Inmitten des grausamen Bürgerkriegs in Syrien ist in den letzten Jahren eine emanzipatorische Oase entstanden, die dem Morden, Hassen und Unterwerfen eine greifbare und lebensbejahende Alternative entgegengestellt hat. In den mehrheitlich von Kurd*innen bewohnten Gebieten der Demokratischen Föderation Nordsyrien entstanden weitestgehend sichere Gebiete für alle religiösen und ethnischen Gruppen, die Menschen verwalten sich in demokratischen Rätestrukturen selbst und die Befreiung der Frau* wird radikal und strukturell vorangetrieben.

Nachdem die Selbstverteidigungseinheiten YPG/YPJ die Angriffe des dschihadistischen „Islamischen Staat“ (IS) Ende 2014 noch erfolgreich abwehren konnten, sehen sich diese seit nunmehr drei Monaten einem militärisch weitaus überlegeneren Gegner gegenüber. Mittlerweile hat die türkische Armee bei ihren neo-osmanischen Expansionsplänen, geduldet und teils aktiv unterstützt von sämtlichen anderen imperialistischen Kräften, mit ihren dschihadistischen Verbündeten die Stadt Afrin gegen den erbitterten Widerstand erobert. Die Besatzer haben umgehend mit einem gezielten Bevölkerungsaustausch und der Etablierung einer patriarchalen und islamistischen Gesellschaftsordnung begonnen. Erdogan selbst macht keinen Hehl daraus, dass ihm dasselbe auch für die restlichen Kantone der Föderation vorschwebt und ist mit seinen Truppen längst weitergezogen, um den Völkermord voranzutreiben. Auch hier wiederholt sich die Geschichte einmal mehr: Auch heute ist es wieder die „verantwortungsvolle“ Politik im Sinne der Interessen des deutschen Staates und des deutschen Kapitals, die die Sozialdemokratie an den Kaffeetisch mit der Reaktion treibt, um die Revolution mit Leopard-Panzern aus deutschen Waffenschmieden abzuwürgen.

 

Geschichte wird gemacht – Kapitalismus zu Geschichte machen!

Die Geschichte lehrt uns: Innerhalb der Fesseln des Kapitalismus ist keine umfassende Befreiung des Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung zu machen. Wir müssen unsere vielfältigen Alltagskämpfe verbinden, in unserer direkten Nachbarschaft und weit über bestehende Staatengrenzen hinaus. Wir müssen der Integrationskraft des Kapitalismus widerstehen, egal wie grün, offen und divers er sich mancherorts noch geben mag, und uns eigene revolutionäre Strukturen gegen Staat und Kapital schaffen. Die schärfste Waffe gegen Rechtsruck und autoritäre Formierung bleibt eine greifbare solidarische Alternative jenseits der Zumutungen der bürgerlichen Gesellschaft. Es bleibt viel zu tun: Nehmen wir uns auch heute noch die meuternden Soldaten und aufständischen Arbeiter*innen von Kiel zum Vorbild, schaffen wir revolutionäre Perspektiven!

 

Heraus zum revolutionären 1. Mai - wir haben eine Welt zu gewinnen!

 

Autonome Antifa-Koordination Kiel | Kurdistan-Solidaritätskomitee Kiel

 

Dienstag, 1. Mai 2018:

Revolutionärer Block auf der Gewerkschaftsdemo

9.30 Uhr | Wilhelmplatz | Kiel

Anschließend: Konzert mit Los Fastidios (Antifa-Streetpunk/Verona) auf der DGB-Bühne vorm Gewerkschaftshaus

 

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