Der bevorstehende rechtsextreme Lukowmarsch in Sofia: Stelldichein für Neonazis
Zum »Lukowmarsch« in Bulgariens Hauptstadt Sofia kommen jährlich Mitte Februar auch zahlreiche ausländische Rechtsextreme. Gedacht wird dabei des antikommunistischen Nazikollaborateurs Christo Lukow.
Hunderte Menschen ziehen abends, teils uniformiert und mit Fackeln und bengalischen Feuern ausgestattet, durch die Straßen Sofias und rufen dabei nationalistische Sprüche wie »Frei, national, sozial«. Seit 2003 wiederholt sich dieses hässliche Schauspiel in Bulgariens Hauptstadt jährlich Mitte Februar. Der »Lukowmarsch« zum Gedenken an Christo Lukow, den Führer der antikommunistischen und ultranationalistischen Partei »Bund der Bulgarischen Nationalen Legionen« (SBNL), lockt seit vielen Jahren auch ausländische Gruppen an, die der Neuen Rechten und der Neonazibewegung zugeordnet werden können.
Auch außerhalb Bulgariens ist der der Lukowmarsch ein Thema. So rief Anfang 2017 eine Veranstaltung zur Gegenmobilisierung der Antifa Bulgaria in Dortmund die Partei »Die Rechte« auf den Plan, deren Mitglieder seit Jahren am Marsch in Bulgarien teilnehmen. Funktionäre der rechtsextremen Partei tauchten vor der Veranstaltung im anarchistischen Buch- und Kulturzentrum »Black Pigeon« in Dortmund auf und schwenkten Fahnen des Bulgarischen Nationalbunds (BNS), der den umstrittenen Marsch jedes Jahr anmeldet. Der BNS organisiert nach eigenen Angaben auch Wehrsportlager, an denen sich andere rechtsextreme Gruppen, nationalistische Parteien und militante Neonazis beteiligen.
Generalleutnant Lukow wurde 1935 zum Kriegsminister ernannt. Er knüpfte damals Kontakte zu Führungspersonen der deutschen Nazis und baute die SBNL mit deutscher Unterstützung zu einer faschistischen Organisation aus. Während des Zweiten Weltkriegs kollaborierte er mit den deutschen Nationalsozialisten in Bulgarien. Der Marsch endet stets vor Lukows ehemaligem Wohnhaus. Lukow wurde dort am 13. Februar 1943 – lange vor der Machtübernahme der Roten Armee in Bulgarien am 8. September 1944 – von Iwan Burudschiew und Violeta Yakowa erschossen, die sich der kommunistischen Partisanenbewegung angeschlossen hatten.
Die Kampagne für den Lukowmarsch versucht immer wieder, weitere Persönlichkeiten der bulgarischen Geschichte zu instrumentalisieren. So besuchten deren Mitglieder kürzlich das Denkmal von Christo Botew. Dieser kämpfte im 19. Jahrhundert gegen die osmanische Herrschaft, ihm schwebte aber ein demokratisches Bulgarien für alle ethnischen und religiösen Gruppen vor und er war von den Ideen russischer Revolutionäre und der Pariser Kommune beeinflusst. Bereits die bulgarischen Stalinisten hatten Botew für sich vereinnahmt, nun versuchen dies die Neonazis, indem sie sich auf seinen Kampf gegen das Osmanische Reich und für eine bulgarische Nation berufen.
Im Zuge des Versuchs, eine neue Bewegung mit »Volkshelden« zu erzeugen, gedachte der BNS kürzlich auch deutscher Soldaten. Ende Dezember 2017 hielten bulgarische Nationalisten ein Heldengedenken für die Gefallenen der deutschen Streitkräfte des Ersten und Zweiten Weltkriegs auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Sofia ab und werteten deren Präsenz in Bulgarien als Unterstützung bei der »Befreiung der unterdrückten Völker in Bulgarien« – eine deutliche Parteinahme. Die deutsche neonazistische Partei »Der III. Weg« postete ein deutschsprachiges Video und Fotos von der Veranstaltung auf ihrer Website. 2017 hatte eine Delegation der Partei am Lukowmarsch teilgenommen. Ebenfalls an Ort und Stelle waren Mitglieder der »Identitären Bewegung«.
Immer wieder suchen deutsche Rechtsextreme den Schulterschluss mit bulgarischen Gesinnungsgenossen. So besuchte das frühere AfD- und Pegida-Mitglied Tatjana Festerling im Juli 2016 die rechtsextreme Miliz »Militärische Union Wassil Lewski« an der bulgarisch-türkischen Grenze. Im August 2017 reiste sie erneut nach Bulgarien, bot kurz darauf auf ihrem Youtube-Kanal taktische »Trainings in Bulgarien mit den dortigen Militärveteranen« an und stellte ein Interview mit einem Funktionär der Gruppe ins Internet. Besagte Gruppe ist nach Wassil Lewski benannt, einem bulgarischen Revolutionär, der im 19. Jahrhundert gegen die osmanische Besatzung kämpfte, wie Botew aber ein Demokrat war. Auch der BNS versucht, Lewski zu instrumentalisieren, und legt vor seinem Denkmal immer wieder Blumen ab.
2017 kamen etwas mehr als 800 Menschen zum Lukowmarsch, weniger als in manchen Jahren zuvor. Sofias Bürgermeisterin Jordanka Fandakowa hatte den Marsch zwar untersagt, die Polizei eskortierte die Teilnehmer dennoch durch die Stadt. Rund 400 Menschen protestierten dagegen. Die Gegenproteste sind in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Mehr als 173 000 Menschen haben zudem eine an Ministerpräsident Bojko Borissow gerichtete Onlinepetition des Jüdischen Weltkongresses unterzeichnet, den Marsch zu verbieten. Gesprühte Hakenkreuze und andere Neonazisymbole werden seit einigen Jahren seltener im Stadtbild Sofias. Wer durch die zahlreichen Plattenbausiedlungen der Stadt läuft, wird sie aber weiterhin antreffen. Auch Souvenirs und Devotionalien mit NS-Symbolik werden noch an einigen Orten verkauft.
Zu den Unterstützern des Marschs gehören Mitglieder von »Blood & Honour«, rechte Ultras und Hooligans der Fußballvereine Lewski Sofia und CSKA Sofia sowie die rechtspopulistische Partei IMRO-Bulgarische Nationale Bewegung (IMRO-BNB), die Teil der Regierungskoalition ist. Auch die neofaschistische Bewegung Casa Pound aus Italien, die neonazistische Organisation Schwedische Widerstandsbewegung (SMR) und die rechtsextreme Partei Nationale Wiedergeburt Polens (NOP) unterstützen den Marsch.
Im letzten Jahr ist der Marsch - trotz Verbot durch die Bürgermeisterin - per Gerichtsbeschluss doch noch erlaubt worden. Für den 17. Februar hat der BNS den nächsten Lukowmarsch angekündigt, obwohl er von der Stadt erneut verboten wurde. Antifaschistische Gruppen kündigen Gegenveranstaltungen an. Unklar ist, ob Stadtregierung und Polizei das Verbot des Marschs durchsetzen werden.