Quo vadis Hafermarkt Flensburg

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offener Brief an die Bewohner*innen des Hafermarktdes in Flensburg, die sich vor ca. einem halben Jahr vom Rest des Projektes gespalten haben

Liebe Bewohner*Innen des Vorderhauses im Hafermarkt, 

seit Beginn diesen Jahres dringen Eruptionen Eures Konfliktes mal hier mal da nach aussen,  und auch, wenn wir uns vorbehalten, dass das, was durch einzelne Kanäle nach aussen dringt,  immer persönlich eingefärbt sein muss, man sich somit niemals ein abschliessendes Urteil  bilden kann, so wurde sich doch immer wieder gewundert, mit welcher Härte argumentiert und  später auch zunehmend gehandelt wurde. Bisher wurde alles recht diskret als Psychohygiene  behandelt, die jedem Menschen, der in irgendeinem Konflikt mit anderen steht, zugestanden  werden soll. 

Leider entsteht der Eindruck, dass man quasi gezwungen wird, sich auf die ein oder andere Seite  zu stellen, und wer sich nicht hinter Euch stellt, ist demnach per se schon gegen Euch. Es geht in  diesem Brief nicht darum, sich auf eine Seite zu stellen weder für noch gegen Euch, und es geht  auch nicht um einen der hier Unterzeichnenden oder um Einzelne von Euch. 

Es zeichnet sich aber immer mehr ab, wie ein ganzes, zuvor lebendiges, sich auch durch Reibung,  weiterentwickelndes, die Szene dieser Stadt bereicherndes Projekt, in welchem sich inzwischen  seit Jahrezehnten Scharen von Menschen willkommen und sicher gefühlt haben, zum Stillstand  kommt, weil Fronten sich verhärten. 

Jetzt kommt zu Ohren, dass Menschen über den Hafermarkt hinaus genötigt werden, zu Eurem  Konflikt Stellung zu beziehen (Senffabrik, Herbstfest), wo doch der Informationsfluss in die eine,  wie in die andere Richtung nur einseitig sein kann. Damit ist ein Punkt erreicht, an welchem  Menschen, denen der Hafermarkt als solcher am Herzen liegt, ihre Position darstellen wollen,  die primär eine Lösung des Konflikts, und die Öffnung für eine Weiterentwicklung fordert. 

Zunächst wollen wir darstellen, wie sich Eure Auseinandersetzung mitunter auch im Aussen  abzeichnet, und welches Unverständnis und welche Fragezeichen dabei entstehen. 

Wir gehen davon aus, dass wir uns in einer Szene bewegen, die sich abgrenzen möchte von  konventionellen Strukturen und althergebrachten Verhaltensweisen und Normen. Eine Szene,  die im Allgemeinen aktzeptiert, dass wir alle uns die Welt nun mal mit anderen Menschen teilen  müssen, und die sich dahin orientiert, wie eine Gesellschaft gelebt werden kann, in der jeder  Mensch seinen Raum und seine Daseinsberechtigung erfährt. 

Gerade in Flensburg erleben wir, im Vergleich zu anderen Städten, eben diese  Daseinsberechtigung als etwas Besonderes. Ausschlaggebend hierzu ist die bedingungslose  Offenheit, mit welcher jeder Mensch, der neu dazu kommt, mit einem Vertrauensvorschuss  versehen und so angenommen wird, wie er ist, völlig unabhängig vom äusseren  Erscheinungsbild oder der Erfahrung, die er mitbringt. Gerade in diesem, unseren Flensburg  herrscht doch ein undogmatischer Konsens in Bezug auf gesellschaftskritische  Wertevorstellungen, der Raum für persönliche Entwicklung und viele verschiedene Arten von  "linkem Leben" lässt. Dieser Raum ist geprägt von aussergewöhnlich achtsamem Miteinander,  einer im Zweifelsfall unbedingten Solidarität und einer Form von Auseinandersetzung, die jede  Person, die sich beteiligen möchte, respektiert und mit einbezieht. 

Und nun stellt sich dar, wie ein einzelner Mensch (zwischenzeitlich auch 2-3, primär aber doch 

dieser Einzelne) zum Feindbild erklärt wird, und die Bedingung im Raum steht, ein Mensch  möge doch bitte sein langjähriges zu Hause verlassen, und sich am Besten gleich in Luft  auflösen.  

Die politische Grundlage oder der konkrete Anlass für diese Forderung entzieht sich.  

Wenn Letzteres nicht sichtbar ist, muss ursächlich für diese Spaltung eine Auseinandersetzung  gesehen werden, wie sie sich in allen Projekten dieser Welt immer wieder in vielen  verschiedenen Farben wiederholt, und dann muss diese Forderung den oben genannten  Vorstellungen widersprechen, die wir hier als Grundlage für das "linke Leben" in dieser Szene  vorwegnehmen. Genauso wie die Art und Weise, wie der Konflikt geführt wurde, auch  zunehmend das Ziel, konsensuell zu entscheiden, übergangen hat, und dabei ist nicht nur der  von Euch zum Feindbild Erklärte übergangen worden, sondern auch andere  Mitbewohner*Innen, von denen jede*r Einzelne genauso Teil des Hafermarktes ist, wie Ihr es  seid.  

Nun entsteht hier natürlich die Frage, was Euch dazu bringt, so eigenmächtig zu handeln, weil  eine Not dahinterstehen muss, wenn Menschen, die sich doch in einer Szene bewegen, in  welcher sie sich frei entwickeln können, in der sie sich angenommen fühlen, die Freiheit der  Anderen derart übergehen. 

Wiederholt vorgedrungen ist das Bedürfnis nach Schutzraum. Das ist ein absolut berechtigtes  Bedürfniss, jeder Mensch verdient einen Raum, in dem er sich sicher und geborgen fühlen kann.  Leider erscheint es so, als wenn Ihr für Euch etwas beansprucht, was Ihr anderen nicht  zugestehen wollt. Meine Freiheit hört da auf, wo die meines Nächsten anfängt. Und gerade in  einem solchen Projekt, in dem man doch recht zusammengewürfelt lebt, und die immer im  Wandel befindliche Feinjustierung der Werte, sei es, wie sich ein Zusammenleben gestaltet, sei  es die gesellschaftliche, politische Ausrichtung, eine grosse Aufgabe darstellt, muss die  Gleichberechtigung und Aktzeptanz der Verschiedenartigkeiten unbedingte Grundvoraussetzung  sein. Diesbezüglich immer neu den Konsens zu finden erfordert viel Geduld, Bereitschaft und  Arbeit. Dazu gehört, andere Argumente und Schlussfolgerungen, beziehungsweise die  allgemeine Stimmung anzuhören, zu erfassen und diese in eigene Überlegungen mit  einzubeziehen. Dazu gehört, einzusehen, dass auf verschiedenen Ebenen getroffene Aussagen  kontrovers, aber doch gleichermassen gültig und richtig sein können und hierbei die Ebene zu  suchen, auf welcher man sich gemeinsam bewegen möchte. Das ist natürlich ein grosse  Herausforderung und gewiss nicht immer einfach, in diesem beständigen Prozess seinen eigenen  Raum aufrecht zu erhalten. 

Aber wenn dieses Bedürfniss nach Schutzraum so gross ist, dass es zur Einkapselung und  Frontenbildung führt, so stellt sich die Frage, wovor habt Ihr Angst? Was kann ein einzelner  Mensch Euch, die Ihr Euch zu 5.+ als Einheit gegen ihn zusammengeschweisst habt, denn  antun? 

Da steht wohl der Vorwurf im Raum, Betreffender sei projektschädigend. Man wundere sich ein  wenig, denn dieses Projekt besteht seit etwa 30 Jahren und derjenige ist seit etwa 20 Jahren Teil  davon, und der Hafermarkt hat sich trotzdem oder vielleicht auch gerade mit ihm immer  weiterentwickeln können. Was ist innerhalb eines Jahres, oder wenn der Konflikt vorher schon  geschwelt hat, weniger Jahre passiert, dass ein Verhalten, welches vorher zur Vielfältigkeit des 

Projektes beigetragen hat, ebenjenes plötzlich schädigen soll? 

Da wird wohl zum Einen mangelnder Aktionismus vorgeworfen. Wenn ein Mensch seit über  zwei Jahrzehnten in einem Projekt lebt, jenes immer wieder aktiv tatkräftig mitgestaltet hat,  nebenbei viele Mitbewohner*Innen hat kommen und gehen sehen, viele Debatten in  verschiedensten Facetten immer wieder aufs Neue geführt hat, dann möge man ihm nachsehen,  dass der jugendliche Tatendrang etwas nachgelassen hat. An dieser Stelle den Auszug zu  fordern, käme dem gleich, Alte ins Seniorenheim zu schicken und zu entmündigen, und auch das  widerspräche dem Prinzip der Gleichberechtigung und dem Gedanken, dass ein Kollektiv gerade  durch seine , auch generationsübergreifende, Vielfältigkeit erst gross und stark sein kann. 

Wenn ein Mensch viel arbeiten geht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, dann kann das  auch enorm viel zeitliche, physische und geistige Kapazitäten fordern. Da ist es doch die Aufgabe  des Kollektivs, diese für die Gemeinschaft eingeschränkte Kapazität ein Stück weit aufzufangen.  Das Mindeste muss aber sein, dieser Person ihren Schutzraum zu gewähren, in welchem sie in  Sicherheit ihren Feierabend begehen kann, ohne, dass noch weitere Forderungen im Bezug auf  die Aktionen innerhalb des Projektes gestellt werden. Des Weiteren sollte jedem  Kollektivmitglied das Vertrauen entgegen gebracht werden, dass sich immer den eigenen  Möglichkeiten entsprechend in ein Projekt einbracht wird, und diese im Wandel der  Lebensphasen auch jederzeit veränderlich sein können. 

Zum Anderen heisst es, Betreffender sei "toxisch männlich". Wer ihn kennt, kann erahnen, wo  dieser Vorwurf herkommt, und nicht jede*r fühlt sich zu jeder Zeit gewachsen, dieser in über 30  Jahren Debatten geschulten und geschärften Rhetorik, hervorgebracht in einer kräftigen,  (naturgegebenen) männlichen Stimme, die für ein authentisches Selbst spricht und keinen  Zweifel daran lässt, dass derjenige gründlich durchdacht hat und meint, was er sagt, etwas  entgegen zu setzen. Ob das allerdings "toxisch männlich" ist, sei dahin gestellt, und vielleicht  stellt dieses Verhalten auch einfach nur die Herausforderung an uns alle Anderen, unsere  eigenen Argumente gründlicher zu durchdenken, und diese aufrechten Hauptes auch für uns  selbst sprechend zu vertreten. 

Bis auf einige wenige Glückliche, die mit einem gesunden Selbstwertgefühl und Vertrauen in sich  selbst und die eigene Richtigkeit, aus dem Elternhaus entlassen wurden, tragen wohl die Meisten  von uns toxische Verhaltensweisen in sich, die wir benutzen, um die Aufmerksamkeit und  Anerkennung zu bekommen, die wir uns wünschen und unsere Daseinsberechtigung in dieser  Welt zu behaupten. Diese können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, mehr oder weniger  Einfluss auf die Umgebung nehmen, und es erfordert viel Selbstbewusstsein, Mut und Übung,  diese Muster zu erkennen und zu verändern. Nur wenige Menschen in unserem Umfeld haben in  letzten Jahren derart viel an sich, eben auch und gerade mit diesen Mustern gearbeitet, wie der  von Euch als toxisch Titulierte. Es zeugt von Stärke und Mut, wenn jemand bereit ist,  persönliche Schwächen, auch vor Anderen, einzugestehen, und von Demut, wenn die  Bereitschaft gezeigt wird, daran zu arbeiten und sich zu verändern. 

So, wie sich Euer Konflikt mitunter auch darstellt, entsteht der Eindruck, dass dieses  Eingeständnis der Schwächen missbraucht wird, um das Selbstwertgefühl zu demontieren. Des  Weiteren kommt leise die Frage auf, ob es nicht gerade auch dieser Mut zu den eigenen  Schwächen ist, der Euch Angst macht, weil es, wenn einer im direkten Umfeld so offen damit 

umgeht, auch immer ein Stück weit spiegelt, wie man selbst mit seinen Schwächen umgeht. 

Wer sich davon komplett freisprechen kann, herzlichen Glückwunsch, Du Kind der Sonne mit  gesundem Selbstwert. Wer aber keine Ahnung davon hat, wie schwer es ist, sich von von  Kindesbeinen an gelernten Verhaltensweisen zu lösen, und wie schwer es sein kann, seinen Platz  in der Gesellschaft und ein zu Hause zu finden, maße sich nicht an, hierüber zu urteilen oder  gar Ungeduld walten zu lassen. Wer in Anflügen derlei Schwierigkeiten kennt, dürfte eigentlich,  mit Selbstbewusstsein und Emphatie, noch ferner davon sein, diese bei Anderen zu verurteilen  oder gar zu missbrauchen. 

Die Art und Weise, wie Eure Forderung gerade im Raum steht, und die damit einhergehende  komplette Stilllegung eines gesamten Projektes in Kauf genommen wird, lässt das Bild eines  trotzigen Kindes entstehen, welches mit verschränkten Armen und bösen Blickes in der Ecke  

sitzt, und sich jeder weiteren Handlung verweigert, bis sich irgendetwas im Aussen seinem  Willen gefügt hat. Mit dieser Haltung nehmt Ihr, nicht nur dem zum Feindbild Erklärten,  sondern auch allen anderen Mitbewohner*Innen, die Möglichkeit, sich nach eigenem Wesen,  den eigenen Idealen entsprechend zu äussern und Euch allen Betroffenen die Möglichkeit, eine  dem Konsens entsprechende Lösung des Konflikts zu finden. Weiterführend nehmt Ihr damit  Euch allen auch die Freiheit, sich innerhalb des Projektes, welches doch eigentlich viel Raum  hat, frisch, friedlich, fröhlich, frei zu entfalten und die Potenz, gemeinsam in der Diversität etwas  auf die Beine zu stellen, was über die Gestaltung des eigenen Lebens hinausgeht.  

Die starre Position soll Eure Mitbewohner*Innen offenbar dahingehend manipulieren, dass sich  das komplette Umfeld Eurem Willen beugt, und das wäre ein viel mehr toxisches Verhalten, als  es eine vielleicht prollig, ruppig anmutende Diskussionsführung (wenn das die Basis des  Vorwurfs ist) sein kann. Dieses Vorgehen widerspräche völlig den Idealen einer Szene, die sich  doch frei sprechen will von Hierarchien und machtspielerischem Gebaren, und liefe jedem  kollektiven Grundgedanken zuwider. 

Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit hier wirklich die politische Untragbarkeit einer  Einzelperson im Zentrum der Debatte steht, oder ob nicht vielleicht eher ein grundsätzlicher  Generationenkonflikt vorherrscht. Und wenn Letzteres der Fall ist, muss von der Erwartung  

ausgegangen werden, dass, wenn erst mal der ins Visier Genommene das Feld geräumt hat, dann  auch andere "Alteingesessene" stillschweigend den Rückzug antreten. Ein solcher Prozess vom  Übergang der Generationen sollte bestenfalls fliessend vonstatten gehen, und dabei können doch  beide Seiten voneinander profitieren. Das erfordert vermutlich viel grundlegende Diskussion ob  der Werte und Ansprüche und viel Aktzeptanz von beiden Seiten, wenn hier und da kontroverse,  unveränderliche Positionen im Raum stehen. Wenn sich aber eine absolute Unvereinbarkeit  abzeichnet, dann wäre es Aufgabe der nachfolgenden Generation, neue Räume nach ihren  Vorstellungen zu schaffen, und damit die Szene zu erfrischen und zu bereichern, anstatt  Menschen aus ihrem zu Hause zu vergraulen und bestehende Strukturen zu unterwandern.  Ausserdem gibt es offenbar auch weiterhin Menschen, die Interesse daran haben, in den  Hafermarkt einzuziehen, und mit den Menschen und Strukturen, die sie vorfinden zu leben, und  Letztere mit weiterzuentwickeln. 

Und selbst wenn der Betreffende sich dem Druck, den Ihr aufgebaut habt, beugen sollte, wie  sollte es dann weitergehen? Wie soll ein Umfeld, in welchem persönliche Ziele auf derart 

manipulative Weise erreicht wurden, wieder zu einem gesunden Miteinander und der zu Anfang  benannten Offenheit zurückfinden? Die Spaltung, die Enttäuschung, das Unverständnis würde  doch in ausgehöhlter Form bestehen bleiben. Und leider entsteht hier ein Bild, dies könnte  lediglich der Auftakt dazu sein, Ihr machtet Euch die Welt, widi widi wie sie Euch gefällt. Jeder  Mensch, der nicht mit Euch konform ginge oder bereit wäre, eventuell abweichende Ansichten  runterzuschlucken, hätte keine Daseinsberechtigung in Eurer Sphäre. 

Und wie kann der Anspruch auf Gleichberechtigung und Hierarchiefreiheit an eine Gesellschaft  gestellt und darin geweckt werden, wenn dieser im eigenen unmittelbaren Umfeld nicht  konsequent gelebt wird? 

Mit der jüngst wie auch immer formulierten Forderung an ein anderes Wohnprojekt "er oder  wir" zwingt Ihr Menschen dazu, in einem Konflikt Stellung zu beziehen, dem jegliche  Transparenz fehlt. Alles, was an Informationen über die Grenzen des Hafermarktes hinaus  gedrungen ist, kann nur persönlich eingefärbt sein und jede Stellungnahme von aussen muss  von persönlichen Sym- und Antipathien geprägt sein. Da sind zuviele persönliche Motive im  Spiel, als dass eine objektive, konstruktive Stellung überhaupt bezogen werden kann und damit  wird Aussenstehenden eine Verantwortung zugemutet, die letztlich so gar nicht übernommen  werden kann. Da von Aussen der konstruktive Umgang mit dem Konflikt aus genannten  Gründen nicht möglich ist, wird mit einer solchen Forderung in Kauf genommen, dass die  Spaltung, die jetzt schon den Hafermarkt handlungsunfähig macht, weiterziehen, zunehmend  Kapazitäten binden und die ganze Szene in Flensburg, weit über die Grenzen des Hafermarktes  hinaus, geschwächt werden könnte. 

Solange niemand ausser Euch den konkreten Vorwurf kennt, muss dieses Vorgehen als übelste  Verleumdung erscheinen. 

Darüber hinaus lässt sich aus dieser Forderung auch der Wunsch nach Solidarität herauslesen.  Solidarität könnte in diesem Fall gelebt werden, indem Menschen Euch bei einer eventuell  konfrontativen Begegnung den Rücken stärken, sich Euch an die Seite oder vor Euch stellen.  Solidarität kann aber niemals heissen, von vorneherein Menschen auszugrenzen, um in der  Leichtigkeit eines feuchtfröhlichen Gelages die Verantwortung für einen zivilisierten Umgang  miteinander abgeben zu können. (Zudem lässt auch eine Senffabrik genügend Raum, sich aus  dem Weg zu gehen) 

Was ist der Grund? Welchen Anlass hat es gegeben, dass Ihr Euch gezwungen seht, die  grundlegenden Prämissen linksgerichteter Denkart derart in den Hintergrund zu stellen? Oder  ist Euer Verständnis der "linken Denkart" von dem, was hier vorausgesetzt wird, so sehr  abweichend, dass eine grundlegende Debatte über die Ideale geführt werden muss?  

Im Vorderhaus ist Euer Lebensraum, Euer Schutzraum und das ist auch unantastbar.  

Ihr habt aber, mit Einzug in den Hafermarkt und gerade in das Vorderhaus, in welchem nun mal  mit dem Konzertraum ein Dreh- und Angelpunkt gelagert ist, auch ein Stück weit die  Verantwortung übernommen, einen Freiraum für Viele, der weit über Euren persönlichen  Schutzraum hinausgeht, in dem die Dinge doch besser gemacht werden sollen, als in der Welt da  draussen, mitzugestalten und, wenn die persönlichen Kapazitäten das gerade nicht hergeben,  diesen doch zumindest offen zu halten. Und nun finden viele Aussenstehende, die diesen 

Freiraum immer geliebt und mitgelebt haben, ebenjenen zunehmend blockiert, was, spätestens  mit dem Herantragen von Forderungen an die Senffabrik, auch immer weitere Wellen schlägt. 

Die vielerseits geschätzte, seit Jahrzehnten gelebte Offenheit der Szene, die auch den Hafermarkt  immer geprägt hat, die doch auch Euch warmherzig angenommen und Euch den Raum zur  persönlichen Entfaltung gelassen hat, scheint damit gerade aufs Spiel gesetzt zu werden. 

Ihr seht, da steht viel Un- und Missverständnis im Raum. Uns geht es nicht darum, dass Ihr  Euch vor Aussenstehenden preisgeben oder rechtfertigen sollt, und seid Euch gewiss, dass auch  die "andere Seite" an manchen Stellen Kritik erfährt oder Grenzen aufgezeigt bekommt. Da wir  unser aber wünschen, dass das Projekt Hafermarkt aus dem 'kalten Krieg' herausfindet, 

fordern wir jede*n Einzelne*n von Euch dazu auf: 

- Nimm wahr, wie sehr es einen Menschen angreifen muss, wenn sich 5+ Menschen gegen ihn  zusammentun, ihn allein zum Feindbild erklären, und ihn über die Grenzen des persönlichen  Konflikts hinaus denunzieren. 

- Nimm wahr, wie sehr damit Eure übrigen Mitbewohner*Innen übergangen werden und ihnen  die Freiheit, in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen, sich den eigenen Schutzraum  mitzugestalten, entzogen wird. 

- Nimm wahr, dass dieser Konflikt längst die Grenzen des Hafermarktes überschritten hat, und  viele Aussenstehende (in beiderseits kanalisierten Informationsflüssen) in verständnisloser  Ratlosigkeit dastehen lässt. 

- (zu den letzten drei Punkten:) was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg auch niemand  Anderem zu.  

- Nimm wahr, dass ein gemeinschaftliches Leben mit so vielen Menschen eine grosse  Verantwortung darstellt (wir können nicht 10-15 Menschen gleichermassen gern haben), und  überprüfe, ob Du Dich dieser gewachsen fühlst. Es ist völlig in Ordnung, wenn man diese  Verantwortung nicht übernehmen kann oder möchte, aber in diesem Fall frage Dich, ob diese  Wohnform die Richtige für Dich ist. 

- Nimm wahr, dass der Veranstaltungsraum des Hafermarktes kein Privat-, sondern ein  Gemeinschaftsraum ist. 

- Gib zumindest den unmittelbar Mitbetroffenen Aufschluss darüber, was der wesentliche Kern  des Vorwurfs ist! Verstecke Dich dabei nicht hinter Schlagworten, sondern benenne konkrete  Anlässe, an welchen Stellen es Grenzüberschreitungen gegeben hat! 

- Überdenke, ob es wirklich um eine Einzelperson geht, oder nicht vielleicht doch um einen  Generationenkonflikt, und wie ein solcher einvernehmlich gelöst werden könnte. 

- Öffne Dich einer konstruktiven Auseinandersetzung und nimm die Angebote zu 

mediatorischen Gesprächen an! 

- Orientiere Dich hin zu einer konsensuellen Lösung, auf dass der Hafermarkt wieder ein offener  Freiraum in dieser Stadt werden kann! 

Der Impuls zu diesem Brief kam ganz klar von Aussenstehenden, die auch die volle  Verantwortung dafür übernehmen. Um zu vermeiden, dass über den Kopf eines Menschen  hinweg persönliche Dinge weitergetragen werden, wurde Betroffenem angeboten, den Brief zu  überfliegen, was er aber abgelehnt hat. Das heisst, er ist über die Existenz des Briefes informiert,  kennt aber bisher den Inhalt nicht. 

Dieser Brief wurde am Montag, 4.10.21, im Briefkasten Hafermarkt eingeworfen.  18 Menschen stehen mit ihren Namen drunter, 2 hatten eine eigene Stellungnahme  angehängt. 

Die Veröffentlichung an dieser Stelle dient der Transparenz für alle, die sich ein  Gesamtbild über den Konflikt machen möchten. Dieses Bild besteht aus vielen  Facetten, unsere Darstellung ist Eine davon. 

Wir hoffen, dass dies ein weiterer Anstoss sein kann, in eine lösungsorientierte  Auseinandersetzung zu gehen, auf dass die Freiräume in dieser Stadt wieder  ebensolche werden und die durch den Konflikt gebündelten Energien wieder für  konstruktive Projekte frei werden. 

Eine Woche nach besagtem Herbstfest sah man Menschen aus dem Vorderhaus  parallel mit "Betroffenem" in einem Raum friedlich ignorant existieren. Auch  wenn wir uns freuen, dass es offenbar noch/wieder möglich ist, die  Daseinsberechtigung der Anderen auch im gleichen Raum zu respektieren, so stellt  diese Tatsache für uns noch mehr infrage, was der eigentliche Zweck war, ein  ganzes, aussenstehendes Wohnprojekt inmitten von Festvorbereitungen unter  Druck zu setzen, konfliktbezüglich Entscheidungen zu treffen. 

Dieser Anhang ist nicht in Rücksprache mit allen 20 Unterzeichnenden  geschrieben. Im Grossen und Ganzen wurde im Feedback im Vorfeld der Wunsch  zur sachlichen Auseinandersetzung deutlich, die persönliche Entscheidung,  wieviel Energie man in einen Konflikt steckt, der weite Wellen schlägt, den man  aber nicht durchschauen kann, und die unbedingte Forderung an alle direkt  Betroffenen, sich um die Erarbeitung eines, wie auch immer gearteten, Konsens zu  bemühen und Angebote zur Hilfestellung anzunehmen. 

 

Danke an alle, die sich die Zeit genommen haben und nehmen

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