Reflexion über ein Jahr einer mehrfach marginalisierten Peron in Zeiten von Corona
Reflexion über ein Jahr einer mehrfach marginalisierten Peron
(schwerbe*hindert, queer, nicht cis, weiß)
Hier ein paar meiner Eindrücke, was es heißen kann schwerbe*hindert zu sein in Zeiten von Corona:
Reflexion über ein Jahr einer mehrfach marginalisierten Peron
(schwerbe*hindert, queer, nicht cis, weiß)
Hier ein paar meiner Eindrücke, was es heißen kann schwerbe*hindert zu sein in Zeiten von Corona:
Was ist eigentlich mit den schwerbe*hinderten Personen passiert, im letzten Jahr? Die Frage stelle ich mir immer wieder, zumal Be*hinderung sehr individuell ist und demnach auch Einschränkungen ganz unterschiedlich wahr genommen werden. Daher spreche ich hier nur von mir. Meine Isolation (auf die ich noch eingehen werde) hat es mir auch komplett unmöglich gemacht, mich mit anderen zu verbinden, ich habe überhaupt keine Ahnung, wie es andere erleben.
Wichtig zu wissen: Ich bin keine Risikopatient*in im Sinne von Corona. Ich selbst habe vor dem Virus keine Angst. Im Gegenteil, ich erwähne immer wieder, dass für mich andere Dinge tötlicher sind. Zwar wird immer wieder über die Verschlecherterung der Depressiven gesprochen, aber was genau diese Metaunterhaltung darüber wem genutzt hat, kann ich nicht sagen. Die Impfpriorisierung vielleicht schon, das wird sich erst in Zukunft sagen lassen.
Doch was genau mich aufs heftigste isoliert hat? Zum einen Das meine Be*hinderung: Die (weitestgehende) Unfähigkeit, den Computer zu nutzen. Während überall Chaträume und was-auch-immer für Sachen aufploppten und genutzt wurden zum vernetzen, vielen da eben welche hinten runter. Ich habe es in dem kompletten Jahr auf kein einziges Plenum, kein online work-shop oder wasweißich was es so hätte geben können, geschafft. Das ist ja richtig toll, wie sich die Gesunden organisiert haben (außerdem natürlich die, die mehr oder weniger dauerhaft Strom zur Verfügung haben sowie eine stabile Internetverbindung)
Es wurden im ersten Lockdown einzelne Versuche von Gruppen mit leeren Räumen gestartet, isoliterte Menschen zusammen zu holen. Das habe ich sehr begrüsst, aber das wurde auch sehr schnell aufgelöst. Was ich damit meine sind keine Massen, die zusammen kommen. Ohnehin isolierte Menschen können sich auch zu 4t treffen, sie haben dann immer noch weniger Kontake oder ähnlich viele wie andere mit Familie oder Lohnarbeit, in der nicht krass auf Abstand geachtet wird. Gab es so etwas? nein. Es wird einfach runter gebetet, dass wir doch alle "stayhome" machen sollen. Diese heftige Isolation, die manche Menschen einfach deutlich härter trifft als andere, wird bei den meisten von uns psychische Folgen haben, die nicht einfach mit Lockerungen verschwinden werden. Was ich immer wieder hörte: Panikattacken in "Menschenansammlungen", also Coronabezogene Größen mit Abstand und draußen.
Wie es mir sonst so geht? Ich bin in Besitz einer Maskenbefreiung, aus medizinischen Gründen. Was genau die mir bringt? Ich weiß es nicht. Ich dachte, ich bekomme die und werde dann eben nicht überall ausgeschlossen. Konkret eben auch zB Supermärkte. (Ich trage OP-Masken, auch mit komplett- Befreiung) Vor mir stehen dann Macker, die sich von ihrem Lohn anscheinend nicht mal selbst ne Maske kaufen konnten (selbst trugen sie keine) schnauzen mich an, ich hätte keinen Zutritt. Das ist Diskriminierung, und die passiert nicht ausnahmsweise, sondern systemisch. Wie oft das passiert ist? Oft genug, dass meine Belastunggrenze eines Tages damit erfüllt wird, raus zu müssen um essen zu holen.
Wenn ich in Gruppen nachfrage, ob mir wer helfen kann, kommt als erste Reaktion auf meine Anfrage, ich soll mich erstmal erklären, ob ich denn kein Schwurbel sei. Aha. Kaum erkläre ich vor einer unbekannten Gruppe, einer Person, ich bin schwerbe*hindert, kann ich ja eigentlich nur ein Schwurbel sein. Könnt ihr euch vorstellen, was das mit einem Menschen macht? Irrelevant, was ich nun an Konsumgütern brauche, es kann immer sein, dass ich angeschriehn werde.
Stichwort Isolation: fürs bahn fahren gilt genau das gleiche. Sobald ich an einer Haltestelle bin, kann es sein, dass eine Person auf mich zukommt und anschreit. Egal wo, die Schwurbler sind viel präsenter als eine Person, die aus gesundheitlichen Grüßen keine Maske tragen kann.
Ich war mal eine Person, die wehrhaft war, sich an verschiedenen Dingen beteiligen konnte. Auch Dinge, die Corona-conform sind, die zur Zeit garnicht ruhen müssten. Aber: mein Tag ist damit gefüllt, dass ich Alltagsdinge bewältige, danach bin ich erschöpft.
An alle Menschen, die gesund sind: Fragt gefälligst jede Person, ob sie einen medizischen Grund hat, keine Maske zu tragen. Wenn sie das einfach sagt weil sie ein Schwurbel ist, bin ich mir ziemlich sicher, wird auch zu bemerken sein.(weil sie dich vermutlich ungefragt mit unreflektierte pseudo Herrschaftskritik zu schwafeln wird, und sich dabei ganz dolle clever fühlen) Wenn Personen wegen fehlender Maske angegangen werden, auch wenn sie gesund aussehen: Es gibt unsichtbare Be*hinderungen!!! Ich hätte mich schon oft über Support gefreut. Und das nicht erst wenn ich in Tränen ausbreche.
Das Pladoyer für das öffnen für kleine Gruppen meine ich auch ernst. Auch für Kinder, denen es zu Hause nicht gut geht, und Menschen, die zu Hause Gewalt erfahren. Nicht alle haben funktionierende soli Strukturen, und bei manchen sind diese während der Pandemie zusammen gebrochen.
(Dieser Text wurde zuerst hier veröffentlicht: https://venera.social/display/85a863ed-1060-998a-5cd3-9ae772609871
Dort wird es evtl. weitere Eindrücke in Zukunft zu lesen geben.)