Corona – Krise – Kapitalismus: Das kaputte System muss beseitigt werden!

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Lohneinbußen, Arbeitsverdichtungen, Arbeitsplatzverluste und zunehmende Existenzsorgen - nichts ist durch Corona geschaffen aber vieles ist durch die Pandemie verschärft worden. Neu hinzugekommen ist allerdings eine unglaubliche mediale Welle – ob in den offiziellen Medien oder sozialen Netzwerken – in denen die angsteinflössenden Ereignisse der Pandemie und ihrer staatlichen Beantwortung sowie die sozialen Folgen der kapitalistischen Krise verdreht und verfälscht, die Erkenntnis der Ursachen durch Obskurantismus ersetzt wird.

Während die staatsoffizielle bürgerliche Propaganda versucht, die Covid-19-Pandemie zur Ursache der ökonomischen Krise zu erklären, leugnen wildgewordene Kleinbürger auf der Strasse und in den sozialen Netzwerken gleich die ganze Pandemie und ergehen sich in Verschwörungstheorien. So begrüßenswert eine kritische und ablehnende Haltung dem bürgerlichen Staat gegenüber ist, so sinnlos ist sie, wenn sie aus der Perspektive des absoluten, rücksichtslosen Individualismus erfolgt und die soziale Frage negiert, wie es bei den sog. „Querdenkern“ der Fall ist. Dieser vielfältigen bürgerlichen Propagandawelle ist gemeinsam, dass Sie die Ursachen der aktuellen Krise in der historisch überholten kapitalistischen Gesellschaftsordnung leugnet, um die zunehmende Unzufriedenheit der Arbeiterklasse zu desorientieren. Wer sich als Lohnabhängiger mehr schlecht als recht über Wasser hält, durch Arbeit und Pandemie in seiner Gesundheit gefährdet ist und immer weniger Sozialstaatskrümel bekommt (während das Kapital die gewohnten fetten Subventionen einsackt), für den gibt es keinen Grund für den Fortbestand dieser Gesellschaftsordnung einzutreten. Wer von der Lohnarbeit profitiert, die Mehrwertaneignung als Grundlage seiner Existenz hat und im Konkurrenzsystem seinen Platz am Futtertrog verteidigen muss, für den schon. Der unterschiedliche Grad des Obskurantismus ist dabei allenfalls Ausdruck unterschiedlicher bürgerlicher Widerstandsfähigkeit im Abwärtsstrudel der ökonomischen Krise. Demgegenüber hat die Arbeiterklasse ein maximales Interesse an Klarheit und Wahrheit, um sich im Kampf gegen die bürgerlichen Angriffe zu formieren und eine Perspektive jenseits dieser Gesellschaftsordnung des Verfalls, der Seuchen und Krisen zu eröffnen.

Die ökonomische Krise war schon vorher da

Die Zahlen sind dramatisch. Auf dem Höhepunkt der ersten Pandemiewelle lag die Zahl der in Deutschland auf Kurzarbeit gesetzten bei 7,3 Millionen (auf dem Höhepunkt der letzten Krise 2009 waren „nur“ 1,4 Millionen Arbeiter_innen davon betroffen). Laut einer WSI-Studie hatten bis zum Juni rund ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland Einkommensverluste, wovon besonders Geringverdienende betroffen waren. Mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 7,8 Prozent in diesem Jahr rechnet die EU-Kommission, vom größten globalen Einbruch seit 1945 spricht der Internationale Währungsfond, der die finanzielle Wirkung der Corona-Krise mit 11,7 Billionen Dollar beziffert und eine globale Staatsverschuldung von 100 Prozent (!) der jährlichen Wirtschaftsleistung prognostiziert.

Das Aufblähen der - von der realen Mehrwertproduktion abgekoppelten - Finanzmärkte ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr der Rettungsanker des Kapitals geworden. Genauso wie das staatliche Anwerfen der Notenpresse, das seine Ursache eben nicht in der aktuellen Pandemie hat. Mit Niedrigzinspolitik und Geldschöpfung versuchen die Zentralbanken verzweifelt Investitionen und Konsum zu stimulieren und sorgen stattdessen dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt immer mehr eine Luftnummer wird. Mit ihren immer ausgedehnteren Anleihekäufen hat die Europäische Zentralbank inzwischen einen Anteil von 47 Prozent am „Bruttoinlandsprodukt“ der Euro-Zone (2007 waren es noch 13 Prozent), während die produktiven Investitionen rückläufig sind.

Der Kapitalismus lebt von der Mehrwertproduktion. Sinn und Zweck kapitalistischer Investitionen ist der Profit, sein Maßstab die Profitrate. Vor dem Hintergrund stagnierender Absatzmärkte und sinkender Profitraten (ein von der kapitalistischen Entwicklung selbst hervorgebrachtes Resultat, wie der Marxismus wissenschaftlich nachgewiesen hat), fehlt die profitträchtige Motivation für produktive Investitionen. Marx und Engels analysierten die systemimmanenten Zyklen von Expansion, Überproduktion und Krise (Vernichtung) als beständige Begleiter des Kapitalismus. Die letzte große Krise wurde durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges „gelöst“. Seit vier Jahrzehnten gelingt es dem Kapital mehr schlecht als recht, die immer wieder akut aufbrechenden Krisen um den Preis einer kaum noch fassbaren Finanzblase einzudämmen.

Die Corona-Krise hat alle Dämme der staatlichen Verschuldungspolitik brechen lassen. Standen medial die notwendigen Soforthilfen für Kleinunternehmer und Soloselbständige im Vordergrund, waren es vor allem die großen Konzerne, die von der außerplanmäßigen Subventionsausschüttung profitierten und die jetzt Personal abbauen und Löhne kürzen (wie die staatlich gerettete Lufthansa mit ihrem neuen Hauptaktionär, dem Multimilliardär Thiele). Die „Corona-Krise“ ist für die Konzerne ein willkommener Anlass, um Personalabbau zu begründen. Laut einer Umfrage des Bundesverbands der deutschen Industrie vom September (also vor dem zweiten Lockdown), gaben 40 Prozent der befragten Firmenchefs an, dass sie bis Jahresende einen Rückgang der Mitarbeiterzahl um bis zu zehn Prozent im Vergleich zu Ende 2019 erwarten. Allerdings waren nicht wenige Entlassungen angesichts von Absatzstockungen schon vor dem Ausbruch der Pandemie geplant. So will z.B. Daimler in den kommenden Jahren seine Personalkosten um 20 Prozent reduzieren und dafür 30.000 von 290.000 Stellen streichen, wofür bereits Anfang Januar 2020 (!) ein zwischen Gesamtbetriebsrat und Konzernführung vereinbarter Kürzungsplan in Kraft trat. Auch bei Forschung und Entwicklung sollen bei Daimler die Investitionen um mehr als ein Fünftel zurückgefahren werden. Diese Lücke kann ja der Staat füllen, der auch hier seiner Unterstützungsrolle für die „strategische Industrie“ gerne nachkommt. So beschloss die Bundesregierung im November drei Milliarden Euro Direktunterstützung für die Automobilindustrie, nachdem vorher schon der Zulieferindustrie zwei Milliarden aus dem Konjunkturpaket zugesagt worden waren, zusätzlich gibt es eine Milliarde für den „Zukunftsfonds Automobilindustrie“, eine Kaufprämie für Elektro- und Hybrid-Autos und ein Flottenerneuerungsprogramm des Bundes.

Wir sehen hier den Staat des Kapitals in Reinkultur, der aktuell nicht nur mit politisch-polizeilichen Maßnahmen für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktion und das Herunterfahren der sozialen Kontakte sorgt, sondern v.a. als ökonomischer Akteur im Interesse des Kapitals auftritt. Dies wird auch mit staatsbürgerlichem Sachverstand und ökonomischem Instinkt von Links bis Rechts akzeptiert: „Der Staat ist gefordert, die Industrie zu fördern“. Wenn DGB und Linkspartei feinsinnig auf eine staatlich induzierte „sozialökologische Transformation“ hoffen oder die AfD plump mit Steuermitteln die Produktion des Verbrennungsmotors erhalten will, werden bei allen Lohnarbeit und Profitproduktion nicht in Frage gestellt, sondern wird der staatskapitalistische Weg propagiert, der ohnehin dem Kapitalismus in seinem Endstadium entspricht. Die ideologischen Trendsetter dieser vermeintlich „keynesianischen Wende“ sind die Reformisten und ehemaligen Linken, die sich von der in der Pandemie gezeigten staatlichen Durchsetzungsfähigkeit begeistert zeigen. So fabulierte z.B. der deutsche Klimaaktivist Tadzio Müller von der Rosa Luxemburg Stiftung von einem „solidarischen, globalen Teil-Lockdown der Weltwirtschaft. Koordiniert von nationalen Regierungen“ und schlussfolgerte: „Der Corona-Lockdown zeigt also, dass es unter bestimmten Bedingungen möglich ist, den globalen Kapitalismus im Interesse des Schutzes von Menschenleben zu kontrollieren.“ (ND v. 4.12.20) In der Schweizer linken Wochenzeitung WOZ wurde angesichts der „unideologischen, entschlossenen und pragmatischen Krisenbewältigung“ vor allem der „linken“ PolitikerInnen schon eine „Konfusion im Bürgerblock“ konstatiert: „Die Mehrheit der Schweizer wünscht sich einen starken Sozialstaat. Gute Nachricht für fast alle, schlecht für rechtsbürgerliche PolitikerInnen und ihre Weniger-Staat-Parolen.“ (WOZ v. 10.12.20). Die machtpolitische Selbstentlarvung dieses Links-Keynesianismus lieferte allerdings der Österreichische Grünen-Chef Kogler, der Koalitionsnachfolger von FPÖ-Strache: „Die gute Nachricht des Jahres lautet, dass wir einen Öko-Keynesianismus praktizieren, und auch Finanzminister Blümel plötzlich Keynesianer ist.“ (Interview im Kurier am 6.12.20). Hier meint der Schwanz mit dem Hund zu wedeln und freut sich doch nur, am Futtertrog der Macht angekommen zu sein.

Das „gewisse Maß an kreativer Zerstörung“, dessen Zulassung der Deutsche-Bank-Chef Sewing noch in neoliberaler Manier anläßlich seiner Kritik am „Gießkannenprinzip“ der Corona-Hilfen forderte, betrifft lediglich das ohnehin unter die Räder gekommene Kleinbürgertum, für das auch die korporativistische Krisenbewältigung wenig übrig hat. Den starken kapitalistischen Staat, der schon immer nur die Verluste sozialisiert und die Gewinne privatisiert hat, lieben sie alle, die rechten und linken politischen Vertreter des Kapitals.

Schon Ende des vorletzten Jahrhunderts hat Friedrich Engels in seiner den wissenschaftlichen Sozialismus popularisierenden Schrift „Anti-Dühring“, die materiellen Grundlagen dieser staatskapitalistischen Entwicklung aufgezeigt: „Es ist dieser Gegendruck der gewaltig anwachsenden Produktivkräfte gegen ihre Kapitaleigenschaft, dieser steigende Zwang zur Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Natur, der die Kapitalisten selbst nötigt, mehr und mehr, soweit dies innerhalb des Kapitalverhältnisses überhaupt möglich, sie als gesellschaftliche Produktivkräfte zu behandeln.“ (MEW Bd. 20, S.258) Und er erklärte in diesem Zusammenhang sehr klar die Rolle und den Charakter des Staates: „Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußeren Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe, sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist.“ (ebenda S. 260).

Die Krise im Gesundheitssystem war schon vorher da

Auch im Gesundheitswesen wirkt die Covid-19-Pandemie als Beschleuniger für Probleme, die schon vorher vorhanden waren und die Ihre Ursachen im Kapitalismus haben, einer Gesellschaftsordnung in der jede Lebensregung durch das Nadelöhr des Profits muss. - „Wie ein Gespenst steht die Notwendigkeit der Kapitaleigenschaft der Produktions- und Lebensmittel zwischen ihnen und den Arbeitern.“ (Friedrich Engels) - So wurde nicht nur in Deutschland in den letzten Jahrzehnten das Gesundheitswesen mit marktwirtschaftlichem Eifer „geliftet“: Ausgliederungen, Privatisierungen und Schließungen, Bettenstreichungen und Personalabbau sollten auch das überlebenswichtige Gesundheitswesen profitabel machen. Mit Fallpauschalen wurden nicht die notwendigen, sondern die für die Krankenhäuser rentablen Eingriffe gefördert sowie umfassende Bettenvorhaltung und Personalbesetzung bestraft. Seit Jahren melden Kliniken in der Grippesaison überfüllte Intensivstationen und schon im letzten Jahr mussten nach einem Bericht der Deutschen Krankenhausgesellschaft 37 Prozent aller Kliniken wegen fehlenden Personals Intensivbetten sperren und z.T. die Notfallversorgung abmelden. Ebenfalls schon seit Jahren gibt es Proteste gegen personelle Unterbesetzung, schlechte Arbeitsbedingungen und miese Löhne im Gesundheitsbereich. Auf die katastrophale medizinische Versorgungslage während der ersten Pandemiewelle, die in mehreren europäischen Ländern die Intensivbettenkapazität sprengte und eine Explosion von Todesfällen brachte, reagierte die Bundesregierung im Frühjahr mit einer 530-Millionen-Finanzspritze für die Ausrüstung der Krankenhäuser, was aber den Mangel an ausgebildeten Pflegekräften nicht beheben konnte. In der zweiten Pandemiewelle stehen jetzt zwar voraussichtlich genug Betten, aber nicht genug Personal zur Verfügung.

Neben den Rentabilitätsvorgaben der Krankenhäuser ist es vor allem das rücksichtslose Profitstreben der Pharmakonzerne, das einen medizinischen Vorsorge- und Versorgungsauftrag ad absurdum führt. Ein Beispiel ist die aus Profitgründen eingestellte Antibiotika-Forschung. Dabei wird jetzt schon die pandemische Ausbreitung multiresistenter Bakterien als eine der größten globalen Gesundheitsgefahren eingeschätzt. Die Zahl der Menschen, die jährlich an einer solchen Infektion sterben, könnte von weltweit aktuell 700.000 pro Jahr auf zehn Millionen 2030 steigen. Auch hierbei spielen natürlich die gesamtgesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsbedingungen eine entscheidende Rolle. Der überzogene Einsatz von Antibiotika z.B. in der Massentierhaltung (nicht zuletzt um durch billige Lebensmittel die Reproduktionskosten der Arbeiterklasse zu senken) fördert die Entwicklung von Resistenzen, genauso wie durch Monokulturen, Massenzucht sowie die Vertreibung und Domestizierung von Wildtieren auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten wächst, wie bei der aktuellen und vergangenen Viruspandemien geschehen. Auch hier zeigt sich die historische Überholtheit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die weltweit der Warenproduktion zum Durchbruch verholfen und den internationalen Austausch forciert hat, wodurch auch frühere lokale Ereignisse wie Epidemien zu einem Weltereignis wurden, die aber gleichzeitig selbst - als prozessierender Widerspruch - die Grenzen ihrer Profitproduktion verstärkt hat. Dies betrifft nicht nur Ländergrenzen (Abschottung, permanente Kriege, Zerstörung ganzer Regionen), sondern v.a. die Klassengrenzen (Verarmung, gesellschaftlicher Verfall). Der gesellschaftliche Reichtum wird nicht im Sinne der Lebensinteressen genutzt und zum Schutz der Gesundheit eingesetzt, sondern zur Subventionierung der kapitalistischen Profitproduktion. Statt dem bedrohlichen Virus gemeinsam entgegenzutreten (was natürlich nur durch Einschränkungen im Bereich der Produktion und Reproduktion geht), müssen beim kapitalistischen Lockdown viele Lohnabhängige, die nicht einmal für eine kurze Zeit ohne ihre ungeschmälerten Regeleinkünfte auskommen können (aber auch Kleinunternehmer, die jetzt die diffusen Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen anführen), um ihr wirtschaftliches Überleben bangen. In einer Gesellschaft, in der der Profit regiert und nur konkurrenzgetriebene Höchstleistungen und „Selbstoptimierungen“ zählen, gibt es natürlich keinen Platz für ein kollektives Herunterfahren.

Proletarischer Klassenkampf statt kleinbürgerlicher Obskurantismus

Während der Pandemie war und ist die Aufrechterhaltung der unmittelbaren Produktion das größte Interesse des Kapitals. Auch wenn Versammlungen verboten und Ausgehverbote verhängt werden, der Weg in die Tretmühle der kapitalistischen Produktion muss immer offen sein. Und auch Infektionsherde wie z.B. Schulen werden soweit es geht offen gehalten, damit die lohnabhängigen Eltern zur Arbeit gehen können. Es waren vielfach die Arbeiter_innen selbst, die den notwendigen Druck zur Einstellung der gesundheitsgefährdenden Produktion aufbauen mussten. In Italien gab es dafür mehrere Streiks, in Belgien Kampfmaßnahmen z.B. bei Audi in Brüssel und Volvo in Gent. Auch in Deutschland hat der Staat nach öffentlichem Druck einige infektiöse Produktionsstätten, wie den Fleischkonzern Tönnies, zeitweilig geschlossen – wo zum Jahresende fast alles wieder wie am Anfang ist. Trotz der Pandemie fanden auch in Deutschland Arbeitskämpfe statt. Im September streikten über 20.000 bei der Post und im Oktober mehrere Tausend bei Amazon und Zehntausende im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die Größe der Unzufriedenheit zeigte sich auch in der gewerkschaftlichen Mobilisierungsfähigkeit während der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes. Laut Verdi nahmen an 21 Warnstreiktagen rund 175.000 Arbeiter_innen teil. Sie wären auch zu einem unbefristeten Durchsetzungsstreik bereit gewesen, zu dem es Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände aber lieber nicht haben kommen lassen. Das abgebremste Tarifergebnis entsprach bei weitem nicht der gewerkschaftlichen Forderung von knappen fünf Prozent (zumal die 3,2 Prozent darüber hinaus auf zwei Jahre gestreckt wurden !). Hier zeigt sich wieder das Problem, dass der gewerkschaftliche Rahmen, in dem sich die Arbeiter_innen artikulieren, durch Apparate bestimmt ist, die sich der Logik und den Interessen des kapitalistischen Systems untergeordnet haben. Die oftmals sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionäre sehen sich als Co-Manager einer funktionierenden Wirtschaft und nicht als konsequente Kämpfer für Arbeiter_inneninteressen. Somit steht am Anfang ihres Handelns schon der (Klassen-)Kompromiss. Dies erfordert eben eine Flexibilität, die gerade wieder der ehemalige SPD Parteivorsitzende Gabriel bewiesen hat, als er im März einen gutdotierten Beraterposten für den Fleischbaron Tönnies annahm.

Trotzdem zeigt sich auch in diesen kontrollierten gewerkschaftlichen Kämpfen, dass die Arbeiter_innen die Kraft sind, deren produktive Kooperation die Grundlage des Funktionierens der Gesellschaft darstellt und die potentiell die Macht haben, diese auch für ihre Interessen und gegen den Kapitalismus einzusetzen. Wenn die Arbeiter_innen nicht gemeinsam für ihre Interessen kämpfen, wird es kein anderer für sie erledigen. Wenn sich die Klasse aber ihrer Macht bewusst wird, dann kann sie sich und die menschliche Gesellschaft vor dem Untergang in Krisen, Krieg und unkontrollierbaren Seuchen retten!

Auch an dieser Stelle sei – nicht nur angesichts seines zweihundertsten Geburtstages – der enge Weggefährte von Karl Marx und Mitverfasser der grundlegenden kommunistischen Programmatik Friedrich Engels zitiert: „Diese Lösung kann nur darin liegen, dass die gesellschaftliche Natur der modernen Produktivkräfte tatsächlich anerkannt, dass also die Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise in Einklang gesetzt wird mit dem gesellschaftlichen Charakter der Produktionsmittel. Und dies kann nur dadurch geschehen, dass die Gesellschaft offen und ohne Umwege Besitz ergreift von den jeder andern Leitung außer der ihrigen entwachsenen Produktivkräften. Damit wird der gesellschaftliche Charakter der Produktionsmittel und Produkte, der sich heute gegen die Produzenten selbst kehrt, der die Produktions- und Austauschweise periodisch durchbricht und sich nur als blindwirkendes Naturgesetz gewalttätig und zerstörend durchsetzt, von den Produzenten mit vollem Bewußtsein zur Geltung gebracht...“ „Diese weltbefreiende Tat durchzuführen, ist der geschichtliche Beruf des modernen Proletariats. Ihre geschichtlichen Bedingungen und damit ihre Natur selbst zu ergründen, und so der zur Aktion berufenen, heute unterdrückten Klasse die Bedingungen und die Natur ihrer eigenen Aktion zum Bewußtsein zu bringen, ist die Aufgabe des theoretischen Ausdrucks der proletarischen Bewegung, des wissenschaftlichen Sozialismus.“ (MEW Bd. 20, S. 260 u. 265)

Die kollektive gesellschaftliche Kraft, die durch den proletarischen Klassenkampf sichtbar wird, steht in diametralem Gegensatz zu den hilflosen, konfusen, vom mehr oder minder verzweifelten Kleinbürgertum angeführten „Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen“, die bezeichnenderweise vielfach von menschenverachtenden Faschisten instrumentalisiert werden können. Der Zulauf dieser sogenannten „Querdenker“, die politökonomische Entwicklungen nur als Verschwörungen „dunkler Mächte“ deuten können, die mittelalterliche antisemitische Mythen aufwärmen und die z.T. so „verstrahlt“ sind, dass ihnen auch die Aluhüte, die sie tragen, nicht mehr helfen, zeigt nichts anderes als den fortschreitenden Verfall der bürgerlichen Gesellschaft. Diese in der Krise auf sich selbst zurückgeworfenen Kleinbürger, die weder in der Lage sind eine fundierte Kritik am Kapitalismus zu äußern noch eine gesellschaftliche Perspektive zu eröffnen, zeigen sich während der Pandemie als Amokläufer des untergehenden Kapitalismus. Wobei einige führende „Querdenker“ es ihrer Klassenlage entsprechend durchaus verstehen, ihren persönlichen Untergang abzuwenden: Während die querdenkenden Busunternehmer mit Demotourismus ihre pandemiebedingten Umsatzeinbußen kompensieren, vergibt z.B. ihr Initiator Ballweg schon Lizenzen für die Nutzung des „Querdenker“-Namens und sammelt umfangreich „Bewegungsspenden“ auf seinem Privatkonto.

So widerlich dieser ganze Wahnsinn ist, so peinlich ist der Protest der antifaschistischen Polizeistaatslinken dagegen. Da treffen sich Schreihälse, die in austauschbaren Parolen mal den Untergang der Demokratie beklagen um im nächsten Moment einen starken Staat zu bemühen. Die im bürgerlichen Staat aufgegangene, früher auch mal vermeintlich „radikale“ Linke, die von Klassenpolitik immerhin so wenig gehalten hat, dass sie jetzt vorurteilsfrei dem demokratischen Staat des Kapitals zur Verfügung stehen kann, hat hier der vermeintlich systemkritischen Rechten viel oppositionellen Raum geschaffen.

Auch wenn dieser systemimmanente Politkarneval nichts mit der dringend notwendigen antikapitalistischen Perspektive gemein hat, so ist er doch auch ein Ausdruck vom Fehlen einer starken proletarischen Klassenbewegung und ihrer zielklaren Partei. Je stärker die Krise spürbar wird – und die Covid-19-Pandemie wirkt hier als Katalysator – umso größer wirkt sich das Fehlen einer spürbaren antikapitalistischen Alternative aus. Diese kann nur aus dem proletarischen Klassenkampf selbst kommen, der eine lange und erfahrungsreiche Tradition und ein historisches Programm hat: Das Programm der Kommunistischen Partei! Auf dieser Grundlage müssen wir arbeiten und kämpfen!

Für den Kommunismus!

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