Cyber Valley: Repression in der Schwebe

 

Mittlerweile ist das Amazon-Ki-Forschungszentrum schon fast fertig gebaut. Der Beschluss wurde gefällt, nachdem die Polizei Kritiker*innen aus dem Sitzungssaal entfernt hatte. Doch Boris Palmer wollte noch einmal unter Beweis stellen, wie sehr und persönlich er sich für Amazon, das Cyber Valley und den repressiven, digitalen Kapitalismus ins Zeug legt. Er hat sich damit einen Bärendienst erwiesen.

 

 

So kennt man ihn gar nicht: der Oberbürgermeister und grüne Rechtspopulist Boris Palmer schlich sich schnellen Schrittes an der Kundgebung vorbei aus dem Amtsgericht, gefolgt von einer Journalistin, die ihm erst zwanzig Meter weiter wohl noch zwei oder drei Sätze abringen konnte. Man konnte schon ahnen: So ganz glatt ist das drinnen im Gerichtssaal nicht über die Bühne gegangen.

 

 

 

Aber eigentlich geht es gar nicht um Boris Palmer, sondern um Technologie, die Zukunft und überhaupt. Es geht um ein Amazon-Entwicklungszentrum im Tübinger Technologiepark. Dagegen gab es heftigen Widerstand – mit Besetzungen von Hörsälen, unangemeldeten Konzerten und Parties auf dem Baugelände sowie Störungen in der Gemeinderatssitzung. Der Gemeinderat stimmte trotzdem zu, für 0,5 Mio. ein Grundstück in bester Lage zu verhökern. Dazwischen musste immer wieder die Polizei eingreifen, Leute aus dem Sitzungssaal zerren oder geleiten.

 

 

 

Mittlerweile ist das Amazon-Ki-Forschungszentrum schon fast fertig gebaut. Der Beschluss wurde gefällt, nachdem die Polizei Kritiker*innen aus dem Sitzungssaal entfernt hatte. Doch Boris Palmer wollte noch einmal unter Beweis stellen, wie sehr und persönlich er sich für Amazon, das Cyber Valley und den repressiven, digitalen Kapitalismus ins Zeug legt. Er hat sich damit einen Bärendienst erwiesen.

 

 

 

Etwa 80 Leute standen heute vor dem Gericht, um ihre Solidarität zu demonstrieren. In etwa einem Dutzend Redebeiträgen wurde erklärt, was unsere Kritik am Cyber Valley ist und auf die vielen Verbindungen zu Rüstung, Gesichtserkennung und intelligenter Videoüberwachung hingewiesen. Es wurden auch Bezüge zur Situation in Rojava und eine Tübingerin, die bei einem türkischen Luftangriff getötet wurde, hergestellt.

 

 

 

Der Prozess ging länger, als angenommen. Nach gut drei Stunden waren immer noch gut 30 Leute anwesend, um dem Angeklagten zu applaudieren. Ein Urteil war nicht gefällt worden. Denn Boris Palmer hatte seinen Strafantrag im Namen der Universitätsstadt Tübingen gestellt. Ob er dazu berechtigt war, ist noch zu klären. Im Namen des Gemeinderates hat er auch nicht gehandelt.

 

 

 

In einer Woche wird das Urteil gefällt. So oder so wird das teuer, und wir freuen uns über finanzielle Unterstützun (mehr dazu bald). Wir freuen uns auch über alle anderen Formen der Solidarität: Gegen die smarte Stadt, Amazon, das Cyber Valley, den digitalen Kapitalismus und seine Vollstrecker.

 

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Ergänzungen

"(...) Amazon hat bei der berüchtigten Spionage-Agentur Pinkerton Detektive angeheuert, um gewerkschaftliche Organisierungsbemühungen seiner europäischen Arbeitnehmer zu überwachen. (...)

Agenten von Pinkerton haben bereits in der Vergangenheit Gewerkschaften zerschlagen: Ihre Beteiligung an einem Stahlarbeiterstreik im Jahr 1892 führte schließlich dazu, dass die Staaten den Einsatz von privaten Sicherheitskräften bei Arbeitskonflikten untersagten.

Amazon heuert Detektive der berüchtigten Pinkerton-Agentur an, um Lagerarbeiter auszuspionieren und deren gewerkschaftliche Bemühungen zu überwachen, so ein Bericht von Motherboard vom 23. November.

Ein Amazon-Sprecher bestätigte, dass Amazon in der Tat Mitarbeiter von Pinkerton rekrutiert hat, derjenigen Spionage-Agentur, die eine jahrhundertelange Geschichte der Zerschlagung gewerkschaftlicher Aktivitäten („union busting“) hat.

Laut Motherboard wurden in diesem Rahmen 2019 Agenten von Pinkerton in ein Lagerhaus in Wroclaw, Polen, „eingeschleust“, unter dem Vorwand dort Bewerber für Bewerbungsgespräche coachen zu wollen. (...)" (businessinsider.de, 25.11.20)

Amazon heuert Privatdetektive an, um Gewerkschaften zu verhindern - Business Insider