Call for Action zum Antifa Ost-Verfahren
Nach 84 Verhandlungstagen geht der Antifa-Ost-Prozess am morgigen 6. Februar 2023 nach einer vierwöchigen Pause weiter. Damit nähert sich einer der größten Prozesse gegen Antifaschist*innen seit 20 Jahren in seiner ersten Runde dem Ende. Die Urteilsverkünding wird im Frühjahr und von uns als Solidaritätsbündnis und von den Angeklagten, Genoss:innen, Freund:innen und Familien mit gespaltenen Gefühlen ewartet. Einerseits gehen wir davon aus, dass sich das Diskreditierungsbemühen des demokratisch-bürgerlichen Rechtsstaats (hier in Form der Soko LinX, des Oberlandesgerichts und der Bundesanwaltschaft) gegen linkes Engagemant auch im Urteil wiederspiegeln wird. Schmerzen wird es uns allemal – denn wir wissen: Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle.
Zugleich wird das Ende dieses ersten Prozesses (der nächste folgt bereits) auch ersehnt, da unsere Freundin, Gefährtin und Genossin Lina seit nun knapp zweieinhalb Jahren in der JVA Chemnitz in U-Haft sitzt. In dieser langen Zeit hat sie die Welt draussen nur durch Gitter oder die getönten Scheiben eines Gefangenentransporters sehen können, der sie über 80 Mal in einem Sicherheits-Konvoi aus eben dieser JVA zum Oberlandesgericht in Dresden hin und zurück fährt. Vom Einhalten des Beschleunigungsgebots, um die Haftzeit ohne Verurteilung möglichst gering zu halten, kann spätestens durch das Aussagen des Vergewaltigers Johannes Domhöver, einem der Beschuldigten, keine Rede mehr sein. Seine Entscheidung, durch umfassende Denunziation die Anklage der Bundesanwaltschaft zu stützen, spricht ebenso gegen ihn, wie seine wiederholte sexuelle Gewalttätigkeit. Dass die Behörden nicht davor zurückschrecken, einen Vergewaltiger zum Kronzeugen zu machen und mit ihm Deals abschließen, spricht selbstredend auch gegen sie. Und klar für einen politischen Verfolgungswillen SokoLinX, ihrer Urheberin – der sächsischen CDU – und des Verfassungsschutzes (ist er schließlich auf J.D zugegangen). Allesamt staatliche Organisationen, die nicht nur in diesem Verfahren selbst mit Faschisten (ob demokratisch gewählt oder nicht) und Neonazis zusammenarbeiten, sondern in denen regelmäßig auf sogennante „Einzelfälle“ in deren eigenen Reihen hingewiesen werden müssen.Ihre Repression
Eben deren Narrativ einer angeblichen kriminiellen Vereinigung und Lina als ihrer vermeintlichen Rädelsführerin durchzog den gesamten Prozess im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Heißt: Eben weil eine kriminelle Vereinigung vermutet wird, muss auch eine existieren – Ermittlungen als Zirkelschlüsse. So hielt die Bundesanwaltschaft Informationen zurück, wie z.B. das Alibi eines Angeklagten und damit entlastende Beweise. Unverfroren einseitig interessiert ist bei solchen Nachrichten auch die bürgerliche Presse. In der Berichterstattung über Lina und das Verfahren folgt generell ein extremismustheoretisches Desaster auf das nächste (dabei besonders eifrig ist die Leipziger Volkszeitung). Und schon vor Beginn des Prozesses waren weitere Antifaschist:innen beschuldigt, Mitglieder dieser vermeintlichen Vereinigung zu sein. Es wurde und wird weiter gegen sie und andere ermittelt. Diverse Hausdurchsuchungen in den letzten drei Jahren, ausgedehnte Überwachungsmaßnahmen, DNA-Entnahmen und andere Repressionsmaßnahmen des Staates gegen einen mittlerweile sehr groß gewordenen Kreis an Personen dienen dazu, das ideologische Konstrukt von einer vermeintlichen Gefahr des sogenannten „Linksextremismus“ zu untermauern.
In der Logik dieses sogennanten Rechtsstaats nicht anders zu erwarten, bezieht sich auch der Senat am Oberlandesgericht mal subtil mal eindeutig immer wieder auf die Hufeisentheorie und natürlich auf das staatliche Gewaltmonopol: das Vorgehen gegen Faschisten sei Aufgabe des Staates und nicht die einzelner Antifaschist:innen. „Doch es ist immer die faschistische oder die bürgerlich-demokratische Identifikation … mit „ihrem Gewaltmonopol“, die verdeckt, dass der Zweck des Staates letztlich nie das Wohlergehen der Menschen ist.“ (Aufruf der autonomen antifa f: No Nation. No Crisis., April 2013)
Wir teilen nicht erst seit unseren Erfahrungen in diesem Prozess, oder seit den jüngsten rassistischen Debatten um die Silvesternacht in Berlin, oder seit der Räumung in Lützerath, oder seit des Haftantritts eines der drei Gefährt:innen von der Parkbank die Erkenntnis, die auch andere Antifascht:innen schon vor Jahren formulierten: Der Unterschied zwischen dem demokratischen (Leistungs-)Rassimus von Grünen bis CDU und der faschistischen Volksgemeinschaft der AfD, der NPD und rechtsterroristsichen Vorstellungen von national befreiten Zonen ist im „Zweifelsfall einer zwischen Restvernunft und Wahnsinn – doch alle Fans nationaler Souveränität gehen über Leichen.“ (Aufruf der autonomen antifa f: No Nation. No Crisis., April 2013)
Unsere Solidarität
Schon jetzt stehen die Anklagen gegen drei weitere Genossen in Meiningen fest und eine Vielzahl an Beschuldigten wird noch bekommen. Es wird noch ein, zwei, drei, viele Prozesse geben und somit ist es umso wichtiger, das Urteil in diesem ersten nun bald endenden Prozess, nicht unwidersprochen zu lassen. Für uns als emanzipatorische Antifaschist:innen ist mit der anstehenden Urteilsverkündung in diesem Schauprozess klar: Neben radikaler Kritik an völkisch-natinalistischen, neofaschistischen Akteur:innen, sowie an bürgerlich-demokratischen Verfechter:innen einer deutschen Hegemonie ist praktische Solidarität der Kitt jeder antifaschistischen Bewegung. Ihre Arbeits- und Aktionsformen sind aber heterogen. Antifaschismus hat viele Gesichter!
Wir möchten also hiermit ins Gedächtnis rufen, dass es dementsprechend auch viele Gelegenheiten gibt, in den nächsten Wochen und Monaten der Repression und Machtdemonstration gegen(über) Antifaschist:innen die Perspektive der grenzenübergreifenden Solidarität entgegenzusetzten: Ob bei der Demonstration zum Tag X in Leipzig, bei der aktuell geplanten Kundgebung in Dresden am Tag der Urteilsverkündung oder an einer geplanten, weiteren bundesweiten Demontration in Leipzig. Die Möglichkeiten, die Ge- und Entschlossenheit antifaschistischer Organisierung zu demonstrieren, besteht aber nicht nur in Leipzig und Sachsen. Achtet auf Ankündigungen, werdet bei euch vor Ort kreativ und bleibt unversöhnlich! Denn:
„Wo Nazis demokratisch gewählt werden können, muss man sie nicht demokratisch bekämpfen.“
Antifa. Geschichte und Organisierung, 2011, S. 114
In diesem Sinne: Free Lina – Free them all ! Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
SpendenkontoPayPal: lina-soli@riseup.net
Rote Hilfe e.V.
GLS-Bank
Konto-Nr.: 4007 238 317
BLZ: 430 609 67
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck: unverzagt