Hellersdorf Revisited – eine Analyse der rassistischen Mobilisierung

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Hitlergruß während eines Naziaufmarsches in Hellersdorf

Hier do­ku­men­tie­ren wir in di­gi­ta­ler Form eine Aus­wer­tung des an­ti­ras­sis­ti­schen und an­ti­fa­schis­ti­schen Dis­kur­ses im Ber­li­ner Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf der ver­gan­ge­nen 12 Mo­na­te. Die­ser Text wird in Bro­schü­ren­form in den kom­men­den Wo­chen er­schei­nen und dann auch als PDF-​Down­load zur Ver­fü­gung ste­hen. Gleich­zei­tig wol­len wir an die­ser Stel­le auf die An­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­ons­wo­che auf­merk­sam ma­chen, die vom 25. bis zum 30. Au­gust 2014 in Ber­lin-​Hel­lers­dorf statt­fin­det. Spread the word! Hinweis für Indymedia-Leser: durch technische Problematiken sind die Bilder für diesen Artikel nicht einfügbar. Bitte besucht auch unseren Blog-Artikel für die bebilderte Version.

Als sich De­kon­struk­ti­on Ost im ver­gan­ge­nen Som­mer in Re­ak­ti­on auf die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung im Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf grün­de­te, stan­den wir vor einem rie­si­gen Hau­fen Ar­beit. An­ders als in der Aus­ein­an­der­set­zung mit or­ga­ni­sier­ten Na­zi­struk­tu­ren tra­ten in der Ver­knüp­fung zwi­schen an­ti­ras­sis­ti­schem und an­ti­fa­schis­ti­schem En­ga­ge­ment viele Pro­blem­fel­der auf, in die wir uns erst ein­ar­bei­ten muss­ten; in den letz­ten 12 Mo­na­ten haben wir immer wie­der un­se­re Gren­zen und un­se­ren Ho­ri­zont ver­scho­ben. Wir haben ver­sucht, Span­nungs­fel­der für uns auf­zu­lö­sen, uns mit theo­re­ti­schen Grund­la­gen zu be­schäf­ti­gen. Gleich­zei­tig war da der ras­sis­ti­sche Volks­mob, der tobte, und mit dem wir einen prak­ti­schen Um­gang fin­den muss­ten, um ihn in sei­ner Mas­si­vi­tät zu­rück­zu­drän­gen. Ge­nos­s_in­nen ar­bei­te­ten in lan­gen Nacht­schich­ten daran, die Draht­zie­her_in­nen der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung zu ent­schlüs­seln, wir ver­such­ten dann, po­li­ti­sche Ge­gen­stra­te­gi­en zu ent­wer­fen, sie un­se­ren Bünd­nis­part­ner_in­nen zu prä­sen­tie­ren und mit ihnen zu­sam­men um­zu­set­zen. Wir set­zen star­ke Zei­chen und er­leb­ten auch herbe Nie­der­la­gen. Als ge­flüch­te­ter Mensch in Hel­lers­dorf zu leben, heißt auch wei­ter­hin, in stän­di­ger Ge­fahr zu leben. Wir be­grei­fen unser Wir­ken nur als Trop­fen auf dem hei­ßen Stein, der die deut­sche und eu­ro­päi­sche Asyl- und La­ger­po­li­tik als auch den Rechts­ruck der Ge­sell­schaft dar­stellt.

 

Diese Pu­bli­ka­ti­on soll einen Ar­beits­stand des eman­zi­pa­to­ri­schen Ak­ti­vis­mus ab­bil­den. Aus un­se­rem Grup­pen­stand­punkt her­aus ver­su­chen wir, die Si­tua­ti­on in einen grö­ße­ren po­li­ti­schen Kon­text ein­zu­ord­nen, die re­le­van­ten Struk­tu­ren und Ak­teu­re ge­nau­er zu be­trach­ten und unser ei­ge­nes En­ga­ge­ment kri­tisch zu be­trach­ten. Sie bie­tet auch den Platz, auf Rand­er­schei­nun­gen und Be­zirks­spe­zi­fi­ka ein­zu­ge­hen, die in einer ver­kürz­ten Ge­samt­dar­stel­lung an­sons­ten un­ter­zu­ge­hen droht. Wir wür­den uns freu­en, wenn die in­ter­es­sier­ten Le­ser_in­nen ihre ei­ge­ne po­li­ti­sche Ar­beit damit sinn­voll ge­stal­ten kön­nen und diese Pu­bli­ka­ti­on als Aus­gangs­punkt und De­bat­ten­bei­trag ver­ste­hen wür­den.

 

An­ti­ras­sis­t_in­nen und An­ti­fa­schis­t_in­nen von De­kon­struk­ti­on Ost im Juni 2014

 

Pfings­ten in Hel­lers­dorf: „Spring, Pa­ra­sit!“

 

Über drei­ßig Nazis ste­hen mit Deutsch­land­fah­nen vor einer Un­ter­kunft, in der Ge­flüch­te­te woh­nen, und brül­len ihnen ent­ge­gen: „Pa­ra­si­ten“; „Das hier ist unser Land“.[1] Vom Laut­spre­cher­wa­gen, der vor den ver­sperr­ten Fens­tern vor­bei­rollt, dröhnt Rechts­rock und NS-​Rap. Es ist Sonn­tag­nach­mit­tag, Pfings­ten, und weit und breit ist keine Po­li­zei zu sehen.[2]

 

Was klingt wie eine Szene aus dem An­fang der Neun­zi­ger Jahre aus struk­tur­schwa­chen, länd­li­chen Ge­bie­ten ist in Wahr­heit die Bun­des­haupt­stadt, der Be­zirk Hel­lers­dorf, Pfingst­wo­chen­en­de 2014. Vor nur we­ni­gen Wo­chen wur­den die Ber­li­ner In­nen­be­hör­den auch nach ei­ge­nen Aus­sa­gen[3] von dem kon­spi­ra­tiv ge­plan­ten Na­zi­auf­marsch über­rascht. Auch an­ti­fa­schis­ti­schen Ge­gen­pro­test sucht man ver­geb­lich, nur we­ni­ge Be­ob­ach­ter_in­nen be­glei­ten die De­mons­tra­ti­on und wer­den von den selbst­si­cher agie­ren­den Nazis be­drängt. Die ein­ge­setz­ten lo­ka­len Po­li­zei­kräf­te sehen kein Grund, die per Fax als Eil­ver­samm­lung an­ge­mel­de­te De­mons­tra­ti­on zu ver­bie­ten, viel­mehr schlägt sie den Nazis eine um­fas­sen­de Rou­ten­füh­rung bis zum mit einem Pfingst­fest ge­füll­ten Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz, der Hel­lers­dor­fer Dorf­kern in spe, vor, für den sich diese auch nach der De­mons­tra­ti­on bei der Di­rek­ti­on fei­xend be­dan­ken. Die Straf­ta­ten, die aus der De­mons­tra­ti­on her­aus vor­her be­gan­gen wur­den, wer­den nicht in die Ent­schei­dung mit ein­be­zo­gen, auch nicht die Straf­ta­ten, die auf der letz­ten kon­spi­ra­ti­ven De­mons­tra­ti­on der so­ge­nann­ten Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf am 9. Au­gust 2013 be­gan­gen wur­den. Da­mals zeig­ten 12 der knapp 60 teil­neh­men­den Ras­sis­t_in­nen den Hit­ler­gruß und wur­den dafür fest­ge­nom­men, der Ein­satz­lei­ter muss­te den An­mel­der auf­for­dern, die straf­ba­ren Pa­ro­len in der De­mons­tra­ti­on zu un­ter­bin­den.[4] Die für den Be­zirk zu­stän­di­ge Po­li­zei­di­rek­ti­on gibt sich als will­fäh­ri­ge Hand­lan­ge­rin der Nazis, Kri­tik an der heute unter dem Namen „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“ fir­mie­ren­den Grup­pe ver­bit­tet sich der Ein­satz­lei­ter, das seien red­li­che Leute.

 

Das ist nur das vor­erst letz­te Ka­pi­tel einer Ent­wick­lung, die von dem brei­ten an­ti­ras­sis­ti­schen Kon­sens des letz­ten Jah­res hin zu einer ver­fes­ti­gen neo­na­zis­ti­schen Struk­tur ge­führt hat. Diese Ent­wick­lung hat viele Fa­cet­ten und geht über Hel­lers­dorf hin­aus, stellt sich viel­mehr in den Kon­text der Flücht­lings­po­li­tik des Lan­des Ber­lin und den Zu­stand der an­ti­fa­schis­ti­schen Be­we­gung im All­ge­mei­nen.

 

Die Nie­der­schla­gung der Re­fu­gee-​Pro­tes­te in Ber­lin

 

(Foto: Flyer „Ora­ni­en­platz bleibt“)  

Der Um­gang mit den Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz hat den schwarz-​ro­ten Senat 2013 an die Gren­ze der Ko­ali­ti­ons­fä­hig­keit ge­bracht – wäh­rend CDU­ler Frank Hen­kel ein har­tes Vor­ge­hen gegen die wi­der­recht­li­che Nut­zung der Grün­flä­chen pro­pa­giert und damit ei­gent­lich sagen will, dass die Men­schen, die dort ihre In­ter­es­sen ver­tre­ten, in Lager[5] ge­sperrt wer­den sol­len oder am bes­ten gleich ab­ge­scho­ben wer­den müss­ten, hält der re­gie­ren­de SPD­ler Wo­wer­eit eine be­hut­sa­me­re (aber nicht etwa mensch­li­che­re) Vor­ge­hens­wei­se für not­wen­dig. Er sieht den Druck, der in Ham­burg auf den al­lei­ne durch die SPD ge­führ­ten Senat in Flücht­lings­fra­gen auf­ge­baut wird und kann sich einen Faux­pas wie Scholz in dem ins­ge­samt lin­ke­ren Ber­lin nicht leis­ten, zudem er wegen dem BER-​Skan­dal keine wei­te­re „Front“ er­öff­nen möch­te. Als Hen­kel offen die Räu­mung an­kün­digt[6], lässt ihn Wo­wer­eit auf­lau­fen und schickt Se­na­to­rin Kolat vor, die Ver­hand­lun­gen füh­ren soll. Diese Ver­hand­lun­gen lau­fen für den Senat er­folg­reich, er schafft es, eine große Grup­pe der am Ora­ni­en­platz le­ben­den Ge­flüch­te­ten für seine An­ge­bo­te zu be­geis­tern – ein fa­ta­ler Feh­ler, wie ei­ni­ge Re­fu­gees schon da­mals an­mer­ken, und sich in­zwi­schen auch offen zeigt.[7]

 

Diese Stra­te­gie lässt auch eine links­ra­di­ka­le Mo­bi­li­sie­rung, die die Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes ver­hin­dern soll, ins Leere lau­fen. Viele linke Grup­pen haben schon seit lan­gem keine Be­stre­bun­gen mehr, die Pro­tes­te der Ge­flüch­te­ten zu be­glei­ten und zu un­ter­stüt­zen, ste­hen oft vor ihrem ei­ge­nen Pa­ter­na­lis­mus und gleich­zei­tig vor der Un­fä­hig­keit, aus der eu­ro­päi­schen Pri­vi­le­gi­enstel­lung re­sul­tie­ren­de um­fas­sen­de Kri­tik mög­lichst vie­ler Macht­ver­hält­nis­se eine Ak­zep­tanz für die he­te­ro­ge­ne Selbst­ver­tre­tung der Ge­flüch­te­ten zu ent­wi­ckeln. Deut­sche Ak­ti­vis­t_in­nen sind über­for­dert mit den Struk­tu­ren, die nicht kon­sen­su­al ar­bei­ten, es gibt Pro­ble­me mit Se­xis­mus und es gibt hand­fes­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen. An­statt diese Pro­ble­me auf­zu­ar­bei­ten, an­statt einen Weg zu fin­den, aus der pri­vi­le­gier­ten Bin­nen­dis­kus­si­on, in der sich die ra­di­ka­le Linke seit Jah­ren be­fin­det, einen Schritt her­aus­zu­tre­ten, wird schwei­gend die Un­ter­stüt­zung auf­ge­ge­ben. In den Mo­na­ten vor der Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes kommt es zu meh­re­ren An­schlä­gen auf die Ge­flüch­te­ten, ein Toi­let­ten­wa­gen und ein Zelt wer­den an­ge­zün­det und bren­nen aus; wich­ti­ge, schwer zu er­set­zen­de In­fra­struk­tur fällt damit den Flam­men zum Opfer, Men­schen­le­ben wer­den ernst­haft ge­fähr­det. Die So­li­da­ri­tät hält sich – ge­lin­ge ge­sagt – in Gren­zen. Und auf der Seite der Hel­lers­dor­fer Bür­ger­be­we­gung taucht ex­klu­si­ves Bild­ma­te­ri­al auf, dazu Texte, die sich auch wie in­di­rek­te Be­ken­ner_in­nen-​Schrei­ben lesen.[8] Man kann sich vor­stel­len, unter wel­chem Druck die Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz ste­hen: die Räu­mung als om­ni­prä­sen­tes Da­mok­les­schwert, An­schlä­ge, Hetze in der Pres­se, schwin­den­de Un­ter­stüt­zer_in­nen-​Struk­tu­ren[9] und kaum noch Mög­lich­kei­ten, ihr An­lie­gen wahr­nehm­bar zu ma­chen. Und in die­ser Si­tua­ti­on tref­fen viele von Ihnen eine Ent­schei­dung: die Auf­ga­be des Ora­ni­en­plat­zes. Die Ver­hand­lungs­part­ner_in­nen vom Senat, ver­su­chen erst gar nicht, ein An­ge­bot zu ent­wer­fen, das alle Ge­flüch­te­ten zu­frie­den­stel­len könn­te. Sie spe­ku­lie­ren auf der Öf­fent­lich­keit kom­mu­ni­zier­ba­re Mehr­hei­ten und fin­den sie nach wo­chen­lan­gen Ver­hand­lun­gen auch.[10] Sie tref­fen damit schon vorab die Ent­schei­dung, wer „guter“ und wer „schlech­ter Flücht­ling“ sei.

 

Am Tag der Räu­mung kommt es zu häss­li­chen Sze­nen: ei­ni­ge Ge­flüch­te­te ver­su­chen die große Grup­pe der­je­ni­gen Re­fu­gees, die, wie vom Senat dik­tiert, die Zelte in Ko­ope­ra­ti­on mit der BSR ab­bau­en auch mit kör­per­li­cher Ge­gen­wehr an ihrem Vor­ha­ben zu hin­dern. Weiße Un­ter­stüt­zer_in­nen, vor­her nie am Ora­ni­en­platz aktiv, grei­fen ein, so­li­da­ri­sie­ren sich mit der Grup­pe, die blei­ben will und aktiv den Abbau der Zelte ver­hin­dert, mi­schen sich ein in einen Kon­flikt, der nicht ihrer war.[11] Viele der ab­bau­en­den Ge­flüch­te­ten füh­len sich durch die vor Ort agie­ren­den Links­ra­di­ka­len in­stru­men­ta­li­siert. Weiße ent­schei­den nun er­neut, wer „guter Flücht­ling“ und wer „schlech­ter Flücht­ling“ sei, wer mit dem „Sys­tem“ ko­ope­rie­re und Hand­lan­ger des Ka­pi­tals und des Staa­tes sei und des­we­gen im Un­recht sei. Es wird hand­greif­lich, schlim­me Sze­nen: weiße Linke grei­fen Ge­flüch­te­te an! Da­ne­ben steht die Po­li­zei und kommt aus dem Stau­nen nicht her­aus, ei­ni­ge der ein­ge­setz­ten Be­reit­schafts­po­li­zis­t_in­nen wer­den wohl vor Scha­den­freu­de in­ner­lich jauch­zen. Im ver­gan­ge­nen Jahr sah das noch ganz an­ders aus: als sich die Po­li­zei zur Un­ter­stüt­zung einer durch die grüne Be­zirks­re­gie­rung ge­plan­te Räu­mung zu­sam­men­zog, wurde sie durch die Stra­ßen ge­jagt, 31 von 150 Po­li­zis­t_in­nen mel­de­ten Ver­let­zun­gen.[12]

 

Da­nach de­mons­triert ein Teil der Ber­li­ner Links­ra­di­ka­len am Kott­bus­ser Tor.[13] In Er­man­ge­lung ei­ge­ner Pro­duk­ti­vi­tät und Raum­nah­me er­klärt sie die „frei­wil­li­ge“ Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes als einen An­griff auf ein kon­stru­ier­tes „Uns“. Der Ora­ni­en­platz wird als Kern­punkt der Ber­li­ner Links­ra­di­ka­len aus­ge­ru­fen, dabei hatte außer einer klei­nen Un­ter­stüt­zer_in­nen-​Grup­pe schon lange kein po­li­ti­scher Zu­sam­men­hang mehr die Nähe zu den Re­fu­gees ge­sucht, die ih­rer­seits skep­tisch auf­grund der un­re­flek­tier­ten Pri­vi­le­gi­enstel­lung der wei­ßen, aka­de­mi­sier­ten Lin­ken auf Ab­stand blei­ben. Ei­ni­ge po­li­ti­sche Grup­pen bie­ten eine schnel­le Er­klä­rung für die Um­stän­de der Räu­mung an: der Senat hätte die Re­fu­gees be­nutzt und sie ge­gen­ein­an­der auf­ge­hetzt. „Di­vi­de et im­pe­ra!“ ist eine viel­zi­tier­te Ma­xi­me in die­sen Tagen.[14] In die­ser pla­ka­ti­ven Schuld­zu­wei­sung scheint der om­ni­prä­sen­te Pa­ter­na­lis­mus vie­ler lin­ker Struk­tu­ren ge­gen­über den sich selbst ver­tre­ten­den Ge­flüch­te­ten durch: die Fä­hig­keit, be­wuss­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen wird ihnen ab­ge­spro­chen. Ihre Sub­jekt­stel­lung im po­li­ti­schen Dis­kurs wird ihnen in die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on ver­wehrt, viel­mehr wer­den sie zum un­wis­sen­den und/oder un­fä­hi­gen Ob­jekt der Se­nats­ver­tre­ter_in­nen er­klärt. Wie selbst­ver­ständ­lich wer­den die „Sze­ne­stan­dards“ der lin­ken Po­lit­sub­kul­tur auf die he­te­ro­ge­ne Zu­sam­men­set­zung des Ora­ni­en­plat­zes über­tra­gen. Es gibt keine Re­flek­ti­on dar­über, dass Kon­sens-​Ent­schei­dun­gen und ver­bind­li­che Ple­na­struk­tu­ren ein Pri­vi­leg der Ak­zep­tanz der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft sind; sich in die Po­si­ti­on hin­ein­zu­ver­set­zen, dass man Ent­schei­dun­gen dar­über tref­fen muss, ob man eine Aus­sicht auf einen ge­si­cher­ten Auf­ent­halts­sta­tus hat oder ohne die­sen wei­ter­kämpft und even­tu­ell dafür ab­ge­scho­ben wird – diese Trans­fer­leis­tung schaf­fen we­ni­ge weiße Ak­ti­vis­t_in­nen. Wenn die Ber­li­ner Links­ra­di­ka­le in Zu­kunft ge­stal­ten­de Teil­ha­be an den Re­fu­gee-​Pro­tes­ten sucht, ist eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der Räu­mung des Ora­ni­en­plat­zes un­ab­ding­bar.

 

Die Räu­mung ist der Wen­de­punkt der Re­gie­rungs­po­li­tik – von nun an wird die Deu­tungs­ho­heit über Asyl­fra­gen mit aller Macht vom Senat ein­ge­fah­ren. Das muss sie auch, denn der Rechts­ruck in der Ge­sell­schaft ist für die Par­tei­en­de­mo­kra­tie nicht mehr zu igno­rie­ren – mit der Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) wäre eine rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei 2013 fast in den Bun­des­tag ein­ge­zo­gen und hat es ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter in das Eu­ro­pa­par­la­ment mit knapp 7% (in Ber­lin über­durch­schnitt­lich: 7,9%[15]) ge­schafft. Nun geht es um Wäh­ler_in­nen­stim­men – und die Wäh­ler_in­nen haben ras­sis­ti­sche Po­li­tik mit­ge­wählt. Zudem hat sich auch das Machtspek­trum auf der Lan­des­ebe­ne ver­än­dert. Die CDU-​Se­na­to­ren sind un­zu­frie­den mit dem Macht­wort Wo­wer­eits in der Frage um den Ora­ni­en­platz. Er hat Hen­kel auf­lau­fen las­sen und gleich­zei­tig den ori­gi­nä­ren Auf­ga­ben­be­reich von So­zi­al­se­na­tor Mario Czaja der In­te­gra­ti­ons­se­na­to­rin Dilek Kolat von der SPD zu­ge­spielt. Neben dem BER-​Skan­dal wird Klaus Wo­wer­eit in aller Öf­fent­lich­keit für seine Miet- und Wohn­po­li­tik ab­ge­straft, mit dem er­folg­rei­chen Volks­be­geh­ren „100% Tem­pel­ho­fer Feld“. Der „König von Ber­lin“ hängt schlaff in sei­nem Thron, und die Nach­kom­men­schaft strei­tet sich um die Kru­men, die her­un­ter­fal­len. Und lässt dabei or­dent­lich Fe­dern.[16] In die­ser Si­tua­ti­on setzt die CDU sich mit neuem Selbst­be­wusst­sein durch.

 

Der Dis­kurs ver­schiebt sich. Von nun an be­stimmt in der Kon­se­quenz eine harte Linie den Um­gang mit Ge­flüch­te­ten durch den Ber­li­ner Senat: eine hun­ger­strei­ken­de Grup­pe von Ge­flüch­te­ten aus Sach­sen-​An­halt wird wegen des Ver­sto­ßes gegen die Re­si­denz­pflicht von dut­zen­den Po­li­zis­ten an der Ge­dächt­nis­kir­che um­zin­gelt und zu­rück in das Flä­chen­land de­por­tiert[17] – ein Ber­li­ner Novum für den po­li­zei­li­chen Um­gang mit Re­fu­gees im po­li­ti­schen Pro­test. Die vom Senat ge­trof­fe­nen Zu­sa­gen für die Ge­flüch­te­ten am Ora­ni­en­platz wer­den nicht um­ge­setzt[18], statt­des­sen wer­den Ab­schie­be­ver­fah­ren gegen die ers­ten Re­fu­gees er­öff­net, die sich auf die Liste derer ein­ge­tra­gen haben, die das Ver­hand­lungs­er­geb­nis des Se­nats ak­zep­tie­ren. Die sys­te­ma­ti­sche Er­fas­sung von Il­le­ga­li­sier­ten ist eines der wich­tigs­ten Er­geb­nis­se der Ver­hand­lun­gen für die Ber­li­ner Be­hör­den – das macht sie dem Kon­troll-​ und Ab­schie­be­sys­tem über­haupt erst zu­gäng­lich und lässt sie in das Mühl­werk der Bü­ro­kra­tie fal­len. In Ber­lin wurde letzt­end­lich doch eine „Ham­bur­ger Linie“ eta­bliert – und der Pro­test, der in Ham­burg auf gan­zer Brei­te wirk­te und eine ganze Schü­ler_in­nen-​Ge­ne­ra­ti­on po­li­ti­siert hat[19], bleibt in Ber­lin aus.

 

An­ti­fa in der Krise

 

Die an­ti­ras­sis­ti­sche Links­ra­di­ka­le steht vor einem Scher­ben­hau­fen und tut aus der Angst, etwas falsch zu ma­chen, am Ende schlicht­weg nichts. Die Be­schäf­ti­gung mit dem Thema Asyl wird, an­ders als in Ham­burg[20], zur Ne­ben­sa­che. Als die NPD durch Kreuz­berg mar­schie­ren will, ist der Skan­dal die Wahl des Post­be­zirks SO36 (Ber­lin-​West) als Auf­marsch­ge­biet, nicht das ge­ziel­te An­lau­fen der Kris­tal­li­sa­ti­ons­punk­te an­ti­ras­sis­ti­scher Po­li­tik und der Selbst­ver­tre­tung Ge­flüch­te­ter.[21]Die Blo­cka­den des 26. April 2014 ste­hen ganz im Sinne eines al­ter­na­ti­ven „Hei­mat­schut­zes“, die an­ti­fa­schis­ti­sche Linke zeigt mit tau­sen­den von Men­schen, dass sie Nazis nicht in „ihrem“ Be­zirk haben möch­te, ganz nach dem Motto „not in my ba­cky­ard“, immer wie­der wird die iden­ti­tä­re Vor­stel­lung vom ei­ge­nen Kiez be­tont. Mit So­li­da­ri­tät hat das wenig zu tun. Die Nazis wei­chen nach Ad­lers­hof aus – die dor­ti­ge Na­zi­sze­ne, an­ge­schlos­sen an die star­ke neo­na­zis­ti­sche In­fra­struk­tur in Schö­ne­wei­de, mo­bi­li­siert seit Wo­chen ähn­lich wie in Hel­lers­dorf gegen eine Un­ter­kunft für Asyl­su­chen­de – und kön­nen dort über Ki­lo­me­ter un­ge­stört lau­fen. Von den tau­sen­den Men­schen aus Kreuz­berg schaf­fen es nur we­ni­ge Dut­zend an den End­punkt der Nazis, um dort zu pro­tes­tie­ren. Statt­des­sen kommt es in Mitte und Kreuz­berg zu einer „Sie­ges­de­mons­tra­ti­on“. Man fei­ert die Ver­drän­gung der Nazis an den Stadt­rand – was nur we­ni­ge in­ter­es­siert: die Ver­drän­gung an den Stadt­rand fin­det auch für Ge­flüch­te­ten statt, die dort in La­gern un­ter­ge­bracht wer­den und nun wie­der­um den an den Stadt­rand ver­dräng­ten Nazis schutz­los aus­ge­lie­fert sind. Im­mer­hin: die Macht­de­mons­tra­ti­on der Nazis in Kreuz­berg schlägt fehl und schä­digt den an­ge­schla­ge­nen Lan­des­vor­sit­zen­den der NPD, Se­bas­ti­an Schmidtke, enorm. Eine für den 1. Mai ge­plan­te De­mons­tra­ti­on fällt aus, die Szene fährt nach Ros­tock oder Dort­mund. Was folgt, ist ein mo­ti­va­ti­ons­lo­ser Wahl­kampf der Ber­li­ner Nazis für den Eu­ro­pa­wahl­kampf.

 

Selbst­be­stä­ti­gung als Ri­tu­al ver­bleibt re­gel­mä­ßig wich­ti­ger als tat­säch­li­che an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit.[22] Auch der 1. Mai wurde in­halt­lich und prak­tisch nur wenig mit den Re­fu­gee-​Pro­tes­ten kon­textua­li­siert, auch hier ist der ri­tual­haf­te Cha­rak­ter her­vor­zu­he­ben.[23]Und doch: trotz der an­hal­ten­den Kri­tik von wei­ten Tei­len der Links­ra­di­ka­len konn­te der 1. Mai stei­gen­den Zu­lauf ver­zeich­nen. Das ver­stärk­te Be­kennt­nis zu einer links­ra­di­ka­len po­li­ti­schen Per­spek­ti­ve und die in­ter­na­tio­na­le Be­zug­nah­me und eu­ro­päi­sche Ver­net­zung sind dabei durch­aus po­si­tiv zu ver­zeich­nen­de Nach­rich­ten, den­noch wäre es wün­schens­wert, wenn sich die­ses Be­kennt­nis nicht nur mit dem sym­bo­li­schen Sturm der SPD-​Zen­tra­le, son­dern mit täg­li­chem und prak­ti­schem Wi­der­stand gegen (nicht nur) SPD-​Po­li­tik ver­bin­den würde. Denn po­li­ti­sche Ri­tua­le sind das To­des­ur­teil der wi­der­stän­di­gen Pra­xis, sie glie­dern sich ein in die Rea­li­tät einer bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft und wer­den als fes­ter Be­stand­teil as­si­mi­liert. Der ri­tual­haf­te Aus­bruch aus den Kon­ven­tio­nen wird selbst zur Kon­ven­ti­on.[24]

 

Die not­wen­di­ge Re­flek­ti­on die­ses Zu­stan­des fin­det eben­falls in Ber­lin statt. Der Kon­gress „An­ti­fa in der Krise“[25] setzt viele The­men auf die Ta­ges­ord­nung, die an­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ge­ra­de be­we­gen: warum kommt keine Ju­gend mehr zu uns? Ma­cker vom Land vs. Stu­den­ten aus der Stadt! In­ter­na­tio­na­le Ver­net­zung und lo­ka­le Ver­ein­zelung. Die Be­zie­hung zu bür­ger­li­chen Platt­for­men, Bünd­nis­ar­beit, Per­spek­ti­ve über den An­ti­fa­schis­mus hin­aus. Nicht zu­letzt auch: Ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung und das Ver­hält­nis zur an­ti­ras­sis­ti­schen Be­we­gung. Fast zu viele Fra­gen für ein Wo­chen­en­de, aber ein guter An­fang – die Hoff­nung bleibt, dass die­ser Kon­gress künf­tig in aller Re­gel­mä­ßig­keit statt­fin­det: ent­we­der, um eine an­ti­fa­schis­ti­sche Be­we­gung neu zu for­men und ihre Pro­ble­me auf­zu­ar­bei­ten – oder um den To­ten­grä­ber zu spie­len, die Trans­for­ma­ti­on in eine neue Be­we­gung zu be­glei­ten. Denk­bar sind beide Per­spek­ti­ven, fest steht: an­ti­fa­schis­ti­sche Po­li­tik ist ver­dammt not­wen­dig – und ver­dammt sel­ten ge­wor­den.

 

Ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung – ein Er­folgs­kon­zept?

 

In die­ser Me­lan­ge aus re­pres­si­vem Staat und Schwä­chen in Szene und so­zia­ler Be­we­gung sehen sich viele Be­zir­ke mit neu ein­ge­rich­te­ten La­gern kon­fron­tiert. Und die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ver­sucht, Hel­lers­dorf als Blau­pau­se für die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung zu nut­zen: über­all ent­ste­hen omi­nö­se Bür­ger­initia­ti­ven und „Nein zum Heim“-​Face­book-​Sei­ten, man ver­sucht auf di­gi­ta­lem Wege ei­ni­ge Mit­strei­ter_in­nen aus der di­rek­ten Wohn­um­ge­bung an­zu­wer­ben. In Neu­kölln ver­ei­teln eine stark auf­ge­stell­te Zi­vil­ge­sell­schaft und jah­re­lang ak­ti­ve Struk­tu­ren den Plan der Nazis. Die aus­ge­fal­le­ne De­mons­tra­ti­on der NPD am 1. Mai soll­te in die Nähe der Neu­köll­ner Un­ter­kunft füh­ren – Blo­cka­den hät­ten das mit aller Si­cher­heit ver­hin­dert. An­ders in Kö­pe­nick und Ad­lers­hof: die hier ent­ste­hen­den Lager wer­den zen­tra­le Agi­ta­ti­ons­punk­te, es gibt Brand­an­schlä­ge, An­woh­ner_in­nen-​Pro­tes­te, NPD-​Kund­ge­bun­gen und wie­der zen­tra­le Tarn­sei­ten auf Face­book, deren Draht­zie­her zu­min­dest bald offen be­nannt wer­den.[26] Die Ge­gen­de­mons­tra­tio­nen sind in der Regel klein und wer­den von der Po­li­zei an ab­sur­de Orte ge­setzt, ein Pro­test gegen die Ras­sis­t_in­nen wird aktiv ver­un­mög­licht.[27]Ak­ti­vis­t_in­nen vor Ort füh­len sich aber auch al­lei­ne ge­las­sen, zu wenig seien mo­bi­li­sier­bar, um ein star­kes Zei­chen zu set­zen, gegen die Nazis, die sich ge­ra­de in Ad­lers­hof pu­del­wohl füh­len, sogar eine De­le­ga­ti­on tsche­chi­scher Fa­schis­ten auf einer Kund­ge­bung emp­fängt.[28]

 

Für die Ber­li­ner Nazis ist das – nur mäßig funk­tio­nie­ren­de – Kon­zept ein Hoff­nungs­schim­mer. Ihre Szene liegt am Boden, die viel­be­schwo­re­ne „Volks­nä­he“ ist seit Jah­ren de facto nicht exis­tent, Auf­mär­sche fin­den in der Regel in men­schen­lee­ren Ge­gen­den statt oder wer­den blo­ckiert[29], meis­tens reicht es nur für Kund­ge­bungs-​Hop­ping mit LKWs oder klei­nen Trans­por­tern und we­ni­ger als 10 Per­so­nen. Die NPD muss drin­gend für an­stei­gen­de Wahl­er­geb­nis­se sor­gen, sonst ist sie noch vor dem Ver­bots­ver­fah­ren[30] plei­te, ihrer Be­leg­schaft muss­te sie in­zwi­schen voll­stän­dig kün­di­gen.[31] Mul­ti­funk­tio­när Schmidtke be­kommt in den Ge­richts­ver­fah­ren der letz­ten Mo­na­te die Quit­tung für seine neo­na­zis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten[32], in­zwi­schen muss er jedes Wort gut über­le­gen – jede wei­te­re Ver­ur­tei­lung ist der si­che­re Weg ins Ge­fäng­nis. Auch pri­vat hat er zu kämp­fen, sein Laden „He­xo­gen“ muss schlie­ßen.[33]
Die Er­fol­ge, die das Hel­lers­dor­fer Kon­zept für ihn und die Ber­li­ner Szene birgt, sind umso be­frei­en­der: durch die Ak­ti­vie­rung ras­sis­ti­scher An­woh­ner_in­nen hebt sich das Ge­fühl der ge­sell­schaft­li­chen Iso­liert­heit auf, dass Na­zi-​Ak­ti­vis­t_in­nen seit Jah­ren be­glei­tet. Sie haben end­lich eine Art „Nach­wuchs“ aus der für sie so wich­ti­gen „Mitte der Ge­sell­schaft“, den sie lang­sam und ste­tig über die vor­geb­li­che „Be­trof­fen­heit“ an sich bin­den kön­nen und der Ak­ti­vis­mus zeigt. Die­ser „Nach­wuchs“ steht in der Regel fes­ter im Leben als über Sze­ne­ha­bi­tus an­ge­wor­be­ne Ju­gend­li­che, er hat hö­he­re Res­sour­cen und kann per­sön­li­che Netz­wer­ke ak­ti­vie­ren, die au­ßer­halb der Na­zi­sze­ne wir­ken.[34] Auf­ga­ben kön­nen an sie de­le­giert wer­den; ras­sis­ti­sche Ak­tio­nen wer­den nach Außen als le­gi­tim, weil durch An­woh­ner_in­nen ge­tra­gen, kom­mu­ni­ziert. Und es pro­du­ziert Wahl­er­geb­nis­se: zur Bun­des­tags­wahl lag in einem Wahl­lo­kal nahe des Hel­lers­dor­fer La­gers der NPD-​Zwei­stim­men­an­teil bei über 10%, ins­ge­samt hatte sich das Er­geb­nis im ge­sam­ten Wahl­kreis um über einen Pro­zent­punkt auf 4.4% ver­bes­sert.[35]

 

Die Furcht vor Lich­ten­ha­gen

 

Diese Er­geb­nis­se sind lokal be­trach­tet scho­ckie­rend, aber haben auf Bun­des-​ und Lan­des­ebe­ne kaum Ein­fluss ge­habt. Ein „Über­schwap­pen“ der Stim­mung in brei­te Teile der Be­völ­ke­rung ist nicht er­folgt, auch ist das Hel­lers­dor­fer Kon­zept kein Selbst­läu­fer ge­wor­den. Es konn­te sich bis­her nur unter der Füh­rung der Ex­tre­men Rech­ten eta­blie­ren, die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung ohne or­ga­ni­sier­ten neo­na­zis­ti­schen Hin­ter­grund hat deut­lich an­de­re For­men an­ge­nom­men als in den 90ern.[36]

 

(Foto: „Lich­ten­ha­gen und Hel­lers­dorf“ // Quel­le: In­ter­net)  

In der me­dia­len, aber vor allem in der in­ner­lin­ken De­bat­te über die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung in Hel­lers­dorf wurde oft das Bild der ras­sis­ti­sche Aus­schrei­tun­gen in Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen 1992 be­müht. Es war zen­tra­ler An­trieb­spunkt für viele Ak­ti­vis­t_in­nen, sich an den Ge­gen­pro­tes­ten zu be­tei­li­gen: sol­che Sze­nen wie in Lich­ten­ha­gen solle es nie wie­der geben, ein Po­grom müsse mit aller Kraft ver­hin­dert wer­den. Ge­ra­de weil auch schon Nazis, die auf dem „Brau­nen Diens­tag“[37] agi­tier­ten, un­mit­tel­ba­ren Bezug zu Lich­ten­ha­gen nah­men und die Daten auf T-​Shirts tru­gen. Die linke De­bat­te frag­te al­ler­dings auch schon früh kri­tisch nach der Qua­li­tät und den Be­din­gun­gen von Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen 1992, und ob diese in Ber­lin-​Hel­lers­dorf 2013 er­füllt wären.[38] In dem be­ach­tens­wer­ten Po­si­ti­ons­pa­pier der Grup­pe „avan­ti“ wird unter dem Titel „Nur Mob, noch keine Elite“ kon­sta­tiert: „Trotz der von An­ti­fas be­fürch­te­ten und von den Nazis be­schwo­re­nen Par­al­le­li­tät zu der Po­grom­stim­mung zu Be­ginn der 1990er Jahre liegt ein we­sent­li­cher Un­ter­schied darin, dass das po­li­ti­sche Es­ta­blish­ment ak­tu­ell kein In­ter­es­se an einer ge­walt­för­mi­gen ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung hat. […] Al­ler­dings su­chen die Kon­ser­va­ti­ven mo­men­tan nicht das »Bünd­nis von Mob und Elite« (Han­nah Arendt), son­dern be­die­nen sich der kal­ten In­stru­men­ta­ri­en bür­ger­li­chen Ver­wal­tungs­han­delns.“[39] In­zwi­schen muss man kon­sta­tie­ren: die Ent­wick­lung hat zu­min­dest die Ber­li­ner Re­gie­rung vor sich her­ge­trie­ben. Ein „Bünd­nis aus Mob und Elite“ ist zwar immer noch nicht offen er­kenn­bar, aber es zeich­net sich eine Drei­ecks­be­zie­hung aus Bür­ger­mob, Par­la­ment­se­li­te und Na­zi­ter­ror ab, die sich ge­gen­sei­tig in ihren In­ter­es­sen stüt­zen: wäh­rend der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung durch die Be­hör­den er­laubt wird, tief in die Pri­vat­sphä­re von Ge­flüch­te­ten ein­zu­drin­gen und ihnen damit das Leben zur Hölle zu ma­chen, blei­ben in­di­vi­du­el­le ras­sis­ti­sche At­ta­cken und An­schlä­ge wei­test­ge­hend straf­los, Er­mitt­lun­gen wer­den noch am sel­ben Tag für ein­ge­stellt er­klärt.[40] Auf Lan­des­ebe­ne wird kein Pro­test der sol­chen Zu­stän­den aus­ge­setz­ten Men­schen mehr ge­dul­det. Und auf Bun­des­ebe­ne geht eine der strengs­ten Ver­schär­fun­gen des Asyl­rechts seit der fak­ti­schen Ab­schaf­fung des Grund­rechts auf Asyl 1992 in Re­ak­ti­on auf Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen in die Le­sung.[41] Hinzu kommt, dass nicht nur das „po­li­ti­sche Es­ta­blish­ment“ ein Fak­tor in dem Dis­kurs ist, son­dern auch ge­ra­de die Be­dro­hung die­ses Es­ta­blish­ments durch die AfD, deren ras­sis­ti­sche Po­li­tik die Gren­ze des Sag- und Mach­ba­ren spür­bar ver­schiebt. Der Ver­gleich mit Lich­ten­ha­gen kann al­ler­dings nur sel­bi­ges blei­ben: ein Ver­gleich. Die Zu­stän­de sind ver­gleich­bar mit den frü­hen 90ern, die das Wort „Lich­ten­ha­gen“ stell­ver­tre­tend für Ho­yers­wer­da, Mölln und die un­zäh­li­gen un­er­wähn­ten Orte sym­bo­li­siert – sie sind ver­gleich­bar dort, wo sie ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung, bun­des­weit An­schlä­ge auf Un­ter­künf­te von Asyl­be­wer­ber_in­nen und eine Ver­schär­fung von par­la­men­ta­ri­scher De­bat­te und Ge­set­zes­la­ge zur Folge haben. Sie sind aber keine Kopie der kon­kre­ten Tage von Lich­ten­ha­gen, mit den tau­sen­den Men­schen, die ihrem ras­sis­ti­schen Hass frei­en Lauf lie­ßen und dabei die Be­woh­ner_in­nen eines gan­zen Wohn­blocks ver­bren­nen woll­ten.

 

Dis­kurs­ent­wick­lung in Hel­lers­dorf

 

Aber wie ist es nun ein­zu­ord­nen, wenn wie ein­gangs er­wähnt über 30 Nazis vor der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ste­hen und einem Ge­flüch­te­ten am Fens­ter zu­ru­fen: „Spring doch, du Pa­ra­sit!“? Als im ver­gan­ge­nen Jahr die Ge­flüch­te­ten ein­zo­gen, stan­den An­woh­ner_in­nen an glei­cher Stel­le. Sie rie­fen: „Haut ab.“ Die Hit­ler­grü­ße des „Ronny“[42] be­stimm­ten bun­des­weit die Me­di­en, ge­gen­über der Un­ter­kunft po­si­tio­nier­ten sich wei­te­re Ras­sis­t_in­nen, so Da­nie­la Fröh­lich, Mar­cel Ro­ckel, aber auch Mar­cus K. und Ro­nald Habel[43]. Vor dem La­ger­ein­gang zeig­ten an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ihre So­li­da­ri­tät, set­zen sich mit den An­woh­ner_in­nen aus­ein­an­der, dräng­ten den ras­sis­ti­schen Pro­test zu­rück und ver­scho­ben das An­griffs­ziel teil­wei­se auch auf sich, wur­den mit wüs­ten Be­lei­di­gun­gen be­dacht. Viele Ge­flüch­te­te über­for­der­te die Si­tua­ti­on: schon die An­rei­se war ein ein­zi­ges Fi­as­ko, sie wur­den in einem durch Po­li­zei­t­rans­por­ter ge­schütz­ten Kon­voi aus Ro­te-​Kreuz-​Wa­gen durch die Stadt ge­fah­ren. Die feh­len­de Sen­si­bi­li­tät der Ver­wal­tung war er­schre­ckend – wuss­te nie­mand, dass die Wagen des Roten Kreu­zes für viele aus Kriegs­ge­bie­ten ge­flo­he­ne Men­schen die Fahrt durch eine Ge­fah­ren­zo­ne be­deu­te­te? Dazu die Si­tua­ti­on, in der sie lan­de­ten: bür­ger­kriegs­ähn­li­che Zu­stän­de in Bezug auf die ei­ge­ne Fluch­ter­fah­rung der Ge­flüch­te­ten wird es wohl am ehes­ten um­schrie­ben.[44] Zwei Kon­flikt­par­tei­en ste­hen sich ge­gen­über, für die Ge­flüch­te­ten ist nicht er­kenn­bar, wer sie sind und was sie wol­len, eine Dif­fe­ren­zie­rung ist schwer und sie selbst sind in eine ab­so­lut pas­si­ve Rolle ge­drängt, viele un­fä­hig, den Kon­flikt zu be­grei­fen und in der Kon­se­quenz damit einen Um­gang zu fin­den. Und so tun ei­ni­ge Ge­flüch­te­te das, was sie schon ein­mal tun muss­ten. Sie flo­hen. Eine Flucht aus Hel­lers­dorf, eine Flucht vor den Hel­lers­dor­fer Zu­stän­den.

 

Auf die­ser Flucht be­geg­ne­ten sie den an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen, deren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tung nicht aus­reich­te, um den Ge­flüch­te­ten ver­ständ­lich zu ma­chen, wer sie sind und warum sie ge­ra­de Zelte vor der Un­ter­kunft auf­bau­en. Sie wer­den an­ge­schrien und in Panik at­ta­ckiert. Die Ge­flüch­te­ten flo­hen wei­ter und stan­den am Bahn­hof, wäh­rend di­rekt neben ihnen die Si­tua­ti­on es­ka­liert: die Köpfe der Bür­ger­initia­ti­ve, Da­nie­la Fröh­lich, Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter sowie ein füh­ren­der Ber­li­ner Par­tei­funk­tio­när der neo­na­zis­ti­schen Par­tei „Die Rech­te“, Pa­trick Krü­ger, at­ta­ckie­ren ge­ra­de ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen, be­wer­fen sie mit Bier­krü­gen.[45] Wäh­rend die Po­li­zei die Nazis fest­nimmt (und spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt die Per­so­na­li­en der Köpfe der Bür­ger­initia­ti­ve / Bür­ger­be­we­gung hat), wer­den die Ge­flüch­te­ten von ei­ni­gen zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­ti­vis­t_in­nen be­treut und Rich­tung In­nen­stadt ge­bracht. Die durch An­ti­ras­sis­t_in­nen mit­ver­ur­sach­te neu­er­li­che Flucht ist wohl der größ­te Makel die­ses Tages, der die Hilfs­lo­sig­keit lin­ker Struk­tu­ren trotz ihrer wei­test­ge­hend er­folg­rei­chen In­ter­ven­ti­ons­stra­te­gie zeigt. Die Zelte wer­den über Nacht zu einer Mahn­wa­che aus­ge­baut.

 

(Foto: Mar­cel Ro­ckel, Da­nie­la Fröh­lich und Micha­el Engel [v.l.n.r.] / Quel­le: Theo Schnei­der)  

Diese Mahn­wa­che trieb als Fix­punkt an­ti­ras­sis­ti­scher Feu­er­wehr­po­li­tik über Wo­chen einen Keil zwi­schen die über die Bür­ger­initia­ti­ve lose or­ga­ni­sier­ten ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen: mit per­sön­li­chen Ge­sprä­chen wur­den dut­zen­den An­woh­ner_in­nen auf einer ar­gu­men­ta­ti­ven Ebene mit ihren ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len kon­fron­tiert, manch­mal hit­zig dis­ku­tie­rend, oft aber freund­lich und be­stimmt. Die Prä­senz von hun­der­ten An­ti­fa­schis­t_in­nen im Hel­lers­dor­fer Kiez lässt zudem die lo­ka­len Nazis und ge­walt­su­chen­den Ras­sis­t_in­nen schnell sehr klein wer­den – die phy­si­sche Prä­senz lässt ihnen die Lust auf Pö­be­lei oder mehr schnell ver­ge­hen, weil sie die Quit­tung post­wen­dend er­hal­ten. Die Stra­te­gie funk­tio­niert. Die NPD ver­sucht in den Tagen nach dem Ein­zug Stim­mung zu ma­chen. Immer wie­der stel­len sich ihnen Hun­der­te in den Weg, nur mit Mühe und Not kann die Ber­li­ner Po­li­zei ihnen die Wege zu den Kund­ge­bungs­plät­zen frei­prü­geln.[46] Auch die rechts­po­pu­lis­ti­sche Kleinst­par­tei Pro Deutsch­land ver­sucht, die Stim­mung für sich zu nut­zen und hält eine Kund­ge­bung gegen Asyl­be­wer­ber_in­nen ab – auch sie be­kom­men dafür ein Pfeif­kon­zert.[47] Die Mahn­wa­che fun­giert als Treff-​ und In­for­ma­ti­ons­punkt, das ge­fällt der Be­zirks­ver­wal­tung nicht, die die Ruhe der An­woh­ner_in­nen (und damit mein­te sie nicht die neuen An­woh­ner_in­nen in Form der Ge­flüch­te­ten) ge­schützt sehen woll­te und erst nach har­ten Ver­hand­lun­gen ein gang­ba­res Kon­zept für die Auf­recht­er­hal­tung des Pro­tes­tes ak­zep­tier­te.

 

Für die Ge­flüch­te­ten ist an ein nor­ma­les Leben nicht zu den­ken. Sie be­kom­men Aus­gangs­sper­re für die ers­ten Tage, es sei nicht si­cher, das Ge­bäu­de zu ver­las­sen, wird ihnen er­klärt. Es wird ihnen auch ex­pli­zit vom Um­gang mit an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen ab­ge­ra­ten. Erst nach ei­ni­gen Tagen dür­fen sie sich in ihrer neuen Wohn­um­ge­bung um­schau­en, ei­ni­ge knüp­fen vor­sich­tig Kon­takt mit den Ak­ti­vis­t_in­nen an der Mahn­wa­che, viele ma­chen sich erst­mal mit den Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten vor Ort ver­traut. Dort tref­fen sie auf den küh­len Hass vie­ler Hel­lers­dor­fer und die Ab­leh­nung ihrer Per­son. Ein­kau­fen wird oft zum Spieß­ru­ten­lauf – bis heute.

 

NPD-​Wahl­kampf und Wahl­er­geb­nis­se

 

(Foto: NPD-​Kund­ge­bung auf dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz am 20.​08.​2013 / Quel­le: Sören Kohl­hu­ber)  

Hel­lers­dorf wird im Bun­des­tags­wahl­kampf 2013 – also in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen – durch mehr als ein hal­bes Dut­zend Kund­ge­bun­gen von Par­tei­en der Ex­tre­men Rech­ten „be­sucht“. Ins­be­son­de­re die NPD er­hoff­te sich regen Zu­spruch auf ihre ras­sis­ti­sche Hetze und legte eine große Va­rie­tät in Teil­neh­mer_in­nen-​Zahl (von 10 bis 120 Per­so­nen) und Aus­ge­stal­tung (Kund­ge­bung, Kund­ge­bungs-​Hop­ping, Kund­ge­bung mit de­mo­ar­ti­ger An­rei­se) an den Tag. Ihre Reden gehen al­ler­dings im Lärm der Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen unter. Auch An­woh­ner_in­nen schei­nen sich vor­erst nicht son­der­lich zu in­ter­es­sie­ren – an­ders als bei Ver­an­stal­tun­gen der Bür­ger­be­we­gung. In­ter­es­sant ver­bleibt auch, dass trotz des Ver­su­ches der NPD, sich als die­je­ni­gen zu prä­sen­tie­ren, die sich für die Be­lan­ge der An­woh­ner_in­nen ein­set­zen, die bei­den par­la­men­ta­ri­schen Ver­tre­ter der NPD in der Be­zirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, Matt­hi­as Wich­mann und Karl-​Heinz Burk­hardt,[48] auch in der Hoch­pha­se des Dis­kur­ses um die Un­ter­kunft kaum Ak­ti­vi­tät zei­gen.[49]

 

Trotz­dem wird das Er­geb­nis[50] der Bun­des­tags­wahl für die NPD ein Er­folg ihrer Stra­te­gie. Mit 0,9% mehr Zweit­stim­men im Ver­gleich zu 2009 ver­bes­sert die NPD sich im Wahl­kreis 85 enorm auf 3,9%. Ent­ge­gen des Bun­des­trends, wo sich die NPD um 0,3% auf ein Wahl­er­geb­nis von 1,5% ver­schlech­tert, pro­fi­tiert die NPD hier vom ras­sis­ti­schen Dis­kurs. Ins­be­son­de­re die Wahl­lo­ka­le der an die Un­ter­kunft an­gren­zen­den Wohn­ge­bie­te haben er­schre­cken­de Er­geb­nis­se: im Wahl­lo­kal 601 er­ringt die NPD 10,2% Zweit­stim­men und hat damit ber­lin­weit das zweit­höchs­te NPD-​Er­geb­nis. We­ni­gen Stra­ßen wei­ter, in den Wahl­lo­ka­len 617 (9,8%) und 618 (9,1%) fal­len die Er­geb­nis­se ähn­lich hoch aus. Aber: es ist nicht der stärks­te Kiez der Nazis, wei­ter nörd­lich[51], an der Gren­ze zu Bran­den­burg, stimm­ten noch mehr Men­schen für die NPD.

 

Aber schon in der Bun­des­tags­wahl 2013 zeigt sich, dass nicht nur die NPD von dem ras­sis­ti­schen Dis­kurs pro­fi­tiert hat. Im Wahl­lo­kal 601 stim­men 9,5% für die AfD – ob­wohl der Be­zirks­wahl­kampf durch die AfD kaum wahr­nehm­bar ge­führt wurde und auch keine ex­pli­zi­te Po­si­tio­nie­rung zur Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft er­folg­te. Hinzu kom­men Pro Deutsch­land mit 1,2% der Stim­men und die Re­pu­bli­ka­ner mit 0,5%. Ins­ge­samt hat der Kiez also Kli­en­tel, das zu 21,4% rechts der CDU wählt. In den an­de­ren Wahl­lo­ka­len sieht es nicht bes­ser aus. Die Schutz­be­haup­tung der Be­zirks­po­li­tik, „ihre“ An­woh­ner_in­nen wären nicht „rechts“ und schon gar nicht ras­sis­tisch hatte spä­tes­tens zu dem Zeit­punkt ein Pro­blem: die Po­si­tio­nen von NPD, AfD & Co. sind bei einem Fünf­tel der Wäh­ler_in­nen nicht nur denk- son­dern auch wahl­fä­hig ge­we­sen. Das zeigt auch die in­ne­re Über­zeu­gung, die der ra­tio­na­len und in­di­vi­dua­li­sier­ten Wahl­ent­schei­dung im Un­ter­schied zu­grun­de liegt, in Dif­fe­renz zum emo­tio­na­li­sier­ten Mas­sen­phä­no­men der Nein-​zum-​Heim-​Pa­ro­len des „Brau­nen Diens­ta­ges“.

 

Die letz­ten Mo­na­te wur­den dann durch den Eu­ro­pa­wahl­kampf be­stimmt, in dem die NPD zwei Kleinst-​Ak­tio­nen nach Hel­lers­dorf ver­leg­te, ins­ge­samt also deut­lich we­ni­ger En­ga­ge­ment als im Bun­des­tags­wahl­kampf zeig­te. Schon hier legte die Po­li­zei­di­rek­ti­on 6 aber einen Grund­stein für die Selbst­si­cher­heit der Nazis am Pfingst­sonn­tag: sie er­laub­te die Ab­schluss­kund­ge­bung der NPD in nur 100m Ent­fer­nung zur Un­ter­kunft, in Hör- und Sicht­wei­te der Ge­flüch­te­ten, die eine halbe Stun­de lang von Schmidtkes Reden be­schallt wur­den. Ge­gen­pro­tes­te hin­ge­gen wur­den daran ge­hin­dert, sich schüt­zend zwi­schen NPD und die Ge­flüch­te­ten zu stel­len, und weit ab­seits hin­ter die NPD ver­bannt.

Trotz der ver­gleichs­wei­se ge­rin­gen Ak­ti­vi­tä­ten der NPD im Wahl­kampf 2014 stell­te sich er­neut ein hohes Er­geb­nis[52] im Be­zirk ein. In­zwi­schen sind die an die Un­ter­kunft an­gren­zen­den Wahl­kie­ze 6E (7,4%) und 6A (6,0%) die­je­ni­gen mit dem höchs­ten NPD-​An­teil in Ber­lin. Auch wenn das zwei­stel­li­ge Er­geb­nis der Bun­des­tags­wahl dort nicht er­neut er­reicht wurde, zeigt sich eine ver­fes­tig­te Ten­denz. Er­neut sehr stark schnei­det die AfD ab, die mit 10,8% und 11,1% aber noch unter dem Be­zirks­schnitt von 11,7% lag. Ihre Hoch­bur­gen lie­gen im klein­bür­ger­lich ge­präg­ten Mahls­dorf, wo sie in der Spit­ze 14,2% er­hal­ten. Im Kiez um die Un­ter­kunft kommt es zu 18, 7% der Stim­men rechts der CDU, er­neut liegt der rech­te Wahl­an­teil bei knapp einem Fünf­tel der Wäh­ler_in­nen.

 

Zu­sam­men­fas­send lässt sich kon­sta­tie­ren, dass die ras­sis­ti­sche Agi­ta­ti­on der NPD zu­sam­men mit der Bür­ger­be­we­gung, von denen ihnen immer wie­der in­di­rek­te Wahl­emp­feh­lun­gen aus­ge­spro­chen wur­den, sich in einer Ver­fes­ti­gung rech­ter Wäh­ler­schaft über­setz­te. Gleich­zei­tig liegt sie in star­ker Kon­kur­renz mit der AfD – die durch NPD und auch Bür­ger­be­we­gung offen an­ge­fein­det wurde – und es bleibt zu ver­mu­ten, dass die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung und die Stim­mungs­ma­che be­zirks­weit für das Wahl­er­geb­nis der AfD mit­ent­schei­dend war, ob­wohl oder ge­ra­de weil sich diese nur in­di­rekt zur kon­kre­ten Pro­ble­ma­tik in Hel­lers­dorf ge­äu­ßert hat und vor Ort keine ei­ge­ne Ak­ti­vi­tät ent­fal­te­te. Die NPD geht ins­ge­samt ge­stärkt aus dem Eu­ro­pa­wahl­kampf her­vor: durch die Auf­he­bung der 5%-​Hür­de ist ihr Spit­zen­kan­di­dat, der Wahl­ber­li­ner Udo Voigt, der Ein­zug ins Eu­ro­pa­par­la­ment ge­lun­gen. Da­durch rückt Schmidtke in die BVV Trep­tow-​Kö­pe­nick nach und hat damit nach der Ab­ge­ord­ne­ten­haus-​Re­form vom 1. Ja­nu­ar 2014 eine steu­er­freie Grund­si­che­rung bis 2016.[53]

 

NPD, Die Rech­te und Na­zi­struk­tu­ren in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf

 

(Foto: Screen­shot von npd-​mar­zahn-​hel­lers­dorf.​com)  

Schmidtke konn­te zu­letzt im Eu­ro­pa­wahl­kampf auch auf lo­ka­le NPD-​Struk­tu­ren ver­trau­en, die seit dem ver­gan­ge­nen Som­mer ge­fes­tig­ter und ak­ti­ver auf­tre­ten. Ein­ge­bun­den sahen sich vor allem Kai Schus­ter, Rene U., Lars N., Den­nis P., An­dre­as K. und Ro­ma­no S., die sich selbst immer wie­der beim Pla­ka­te hän­gen film­ten – Hash­tag: #NPD – Sel­fies, so hatte man den Ein­druck, waren auf den ein­schlä­gi­gen Face­book-​Pro­fi­len der Trend des Früh­lings. Die NPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf (KV4) gibt ex­pli­zit an, dass sie mit den Frei­en Kräf­ten zu­sam­men­ar­bei­tet, was zeigt, wie eng die Vor­stel­lung des Kamp­fes um die Par­la­men­te und des Kamp­fes um die Stra­ße in den lo­ka­len Struk­tu­ren ver­zahnt ist. Der Be­zirks­ver­band hat in­zwi­schen auf die Er­fah­run­gen, die er im Rah­men der Mit­ar­beit in der Bür­ger­be­we­gung mit di­gi­ta­len Me­di­en sam­meln konn­te, auf­ge­baut und be­treibt eine ei­ge­ne ak­ti­ve Face­book-​Prä­senz, die aber un­wei­ger­lich we­ni­ger Zu­spruch er­hält als die Bür­ger­be­we­gungs-​Sei­te. Trotz­dem ist be­mer­kens­wert, wie Ar­beits­er­geb­nis­se und Er­fah­run­gen hier ihre Über­tra­gung fin­den. Weit­ge­hend davon ab­ge­schot­tet be­fan­den sich in den letz­ten Mo­na­ten die BVV-​Ver­tre­ter Matt­hi­as Wich­mann und Karl-​Heinz Burk­hardt, die sich weder um ak­ti­ve lo­kal­po­li­ti­sche Ar­beit in Form von An­trä­gen oder Wort­bei­trä­gen be­müh­ten, noch um eine Re­prä­sen­ta­ti­on ge­gen­über der Öf­fent­lich­keit – NPD-​Po­li­tik bleibt in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf glück­li­cher­wei­se eine Farce[54], man greift seine Gel­der ab und hat es sich im ach-​so-​ver­hass­ten Sys­tem be­quem ge­macht.

 

(Foto: NPD­ler An­dre­as K. po­siert in der U5 an der Halt­stel­le Cott­bus­ser Platz mit einer Reichs­kriegs­flag­ge / Quel­le: In­ter­net)  

Dabei star­te­te die Bür­ger­initia­ti­ve unter den Flag­gen der lo­ka­len NPD. Mit Tho­mas Crull zeich­ne­te sich ein lo­ka­ler NPD-​Kan­di­dat für das erste Auf­tre­ten der Bür­ger­initia­ti­ve über­haupt – auf Fly­ern voll mit ras­sis­ti­scher Hetze – pres­se­recht­lich ver­ant­wort­lich.[55] Die Flyer sol­len auch von Matt­hi­as Wich­mann im Wohn­ge­biet um die Un­ter­kunft (er selbst wohnt nur we­ni­ge Meter vom Lager ent­fernt) noch um Juni 2013 ver­teilt wor­den sein. Schnell wurde auch be­kannt, dass Karl-​Heinz Burk­hardt sich mit sei­nem BVV-​Aus­weis Zu­tritt zur Un­ter­kunft ver­schaf­fen woll­te. Da­nach wurde es ruhig um die bei­den NPD-​Par­la­men­ta­ri­er. Sie tauch­ten auf kei­nen De­mons­tra­tio­nen oder Ver­an­stal­tun­gen auf. Erst in den letz­ten Wo­chen schei­nen sie wie­der in­ten­si­ver In­for­ma­tio­nen aus der BVV an die Bür­ger­be­we­gung wei­ter­zu­ge­ben, In­for­ma­tio­nen aus NPD-​An­fra­gen[56] wer­den ohne Quel­len auf deren Seite hoch­ge­la­den.

 

So rich­tig ein- und un­ter­ord­nen will man sich in der lo­ka­len NPD-​Ba­sis an­schei­nend nicht: die Ak­tio­nen des Lan­des­ver­ban­des wer­den nur sel­ten mit­ge­tra­gen, meis­tens er­scheint man auf De­mons­tra­tio­nen. Zwei zen­tra­le Agi­ta­ti­ons­ver­su­che von Schmidtke er­lo­schen je­doch im Nir­wa­na, wohl auch durch den feh­len­den Um­set­zungs­wil­len vor Ort. Es wurde ei­ner­seits die Ein­rich­tung einer Bür­ger­wehr durch Schmidtke an­ge­kün­digt, die gegen die an­geb­li­che Kri­mi­na­li­täts­be­las­tung, die durch die Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ent­stan­den wäre, vor­ge­hen würde. Kühl such­ten die Be­hör­den Schmidtke auf und ver­ba­ten ihm eine wei­te­re Agi­ta­ti­on in diese Rich­tung, die Ak­ti­on flopp­te.[57] Bür­ger­wehr­struk­tu­ren waren nicht mehr fest­stell­bar, auch wenn die zahl­rei­chen Gas­si-​Run­den mit Max & Co. zeit­wei­lig den An­schein einer fes­ten In­sti­tu­ti­on mach­ten und die Be­fürch­tung einer Bür­ger­wehr in spe auf­kom­men lie­ßen. An­de­rer­seits ver­such­te Schmidtke durch eine Un­ter­schrif­ten­samm­lung – in Pa­pier­form! – den öf­fent­li­chen Druck zu er­hö­hen und die Schlie­ßung der Un­ter­kunft zu for­cie­ren.[58] Noch im Fe­bru­ar 2014 wurde das Kon­zept zwar di­gi­tal durch die Bür­ger­be­we­gung ver­brei­tet und mit­ge­tra­gen, doch durch die Stra­ßen gehen und klin­geln woll­te an­schei­nend nie­mand, wohl wis­send, dass sie damit ihr Ge­sicht in der Öf­fent­lich­keit prä­sen­tie­ren hät­ten müs­sen und so­fort an­ti­fa­schis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen auf­ge­fal­len wären, die ihnen trotz der Be­haup­tung, in Hel­lers­dorf wür­den ei­gent­lich gar keine An­ti­fas woh­nen und die kämen aus Kreuz­berg an­ge­reist, schon lange im All­tag auf die Pelle rück­ten und viele Agi­ta­ti­ons­ver­su­che unter Be­ob­ach­tung und In­ter­ven­ti­on stell­ten. Die Un­ter­schrif­ten­samm­lung flopp­te also auch, bis heute ist weder ein Er­geb­nis noch ein neu­er­li­cher An­lauf zur wei­te­ren Samm­lung ent­stan­den.

 

(Foto: Sven Neu­bau­er, Anja N, Ni­co­le H und Pa­trick Krü­ger als Ver­tre­ter der DIE RECH­TE Ber­lin bei einem Auf­marsch der Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf am 26.​10.​2013 in Hel­lers­dorf / Quel­le: In­ter­net)  

Im Som­mer 2013 grün­de­te sich in Ber­lin der Lan­des­ver­band der Par­tei „Die Rech­te“ aus dem Um­feld der ehe­ma­li­gen Front­ban­n24-​Mit­glie­der, deren vor­he­ri­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­form ver­bo­ten wurde.[59] Front­bann 24 war auch in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf aktiv, und so ist es wenig ver­wun­der­lich, dass der stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Lan­des­ver­ban­des, Pa­trick Krü­ger, zu­sam­men mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin Ni­co­le H. und zwei Kin­dern in Mar­zahn wohnt. Wie das Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma auf­führ­te ist der sehr auf­fäl­li­ge, offen mit neo­na­zis­ti­schen Tat­toos her­um­lau­fen­de Krü­ger ein An­hän­ger des be­waff­ne­ten Arms der in Deutsch­land ver­bo­te­nen Blood-​&-​Ho­nour-​Be­we­gung[60], Com­bat 18[61], und po­siert im Netz mit Hit­ler­grü­ßen. Seine be­weg­te Ver­gan­gen­heit führ­te ihn unter an­de­rem in das Um­feld des NSU und in meh­re­re mi­li­tan­te, neo­na­zis­ti­sche Skin­head­grup­pie­run­gen.[62] Krü­ger gibt sich als rei­se­freu­di­ger De­mons­tra­ti­ons­teil­neh­mer, und ist bei vie­len zen­tra­len Auf­mär­schen der Szene bun­des­weit zu fin­den. In Oder­berg ver­trat er zu­sam­men mit Da­nie­la Fröh­lich, die für die Bür­ger­be­we­gung sprach, seine Par­tei in einem Re­de­bei­trag.[63] Er pflegt zudem gute Kon­tak­te nach Bar­nim. Umso in­ter­es­san­ter ist es, dass die par­tei­po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten der Par­tei „Die Rech­te“ im Be­zirk nicht wahr­nehm­bar sind. Man schaff­te es als Par­tei auch nicht, an der Eu­ro­pa­wahl teil­zu­neh­men und scheint auch sonst wenig par­la­men­ta­ri­sches In­ter­es­se zu ent­wi­ckeln. „Die Rech­te“ dient nicht nur in Ber­lin als rei­nes Auf­fang­be­cken für Mit­glie­der ver­bo­te­ner Ka­me­rad­schaf­ten und Or­ga­ni­sa­tio­nen, auch in Dort­mund fin­den sich bei­spiels­wei­se die Mit­glie­der des ver­bo­te­nen NWDO (Na­tio­na­ler Wi­der­stand Dort­mund) in der Par­tei wie­der – und sor­gen mit einem ver­such­ten Rat­haus­sturm und An­grif­fen auf Ver­tre­ter_in­nen der de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en für Schlag­zei­len.[64] Es ist also nicht nur ber­lin-​ son­dern auch bun­des­weit nach­weis­bar, dass die Par­tei nur als Er­satz­or­ga­ni­sa­ti­on für ver­bo­te­ne Struk­tu­ren dient und keine Be­tei­li­gung an der Par­tei­en­de­mo­kra­tie im Sinn hat – unter nor­ma­len Um­stän­den ein ge­läu­fi­ger Ver­bots­grund, den die FAP durch die Ein­stu­fung als Ver­ein an­statt als Par­tei und das post­wen­den­de Ver­bot sel­bi­ger im Jahre 1995 stür­zen ließ.[65] In Ber­lin scheint es diese nor­ma­len Um­stän­de aber auch mit of­fen­kun­dig mi­li­tant or­ga­ni­sier­ten Nazis wie Pa­trick Krü­ger nicht zu geben. Ein Ver­bot der „Die Rech­te“ im Land steht nicht auf der Ta­ges­ord­nung, die In­nen­ver­wal­tung hat kaum In­for­ma­tio­nen über die Par­tei und fo­kus­siert sich in ihren Be­rich­ten auf die NPD. Dabei hat „Die Rech­te“ in mit­tel­fris­ti­ger Sicht durch­aus das Po­ten­ti­al, mit Ak­tio­nis­mus und Stra­ßen­ter­ror die Lücke zu fül­len, die durch die schwa­che NPD und den Re­pres­si­ons­druck gegen NW Ber­lin (Na­tio­na­ler Wi­der­stand Ber­lin) ent­stan­den ist. Schon die De­mons­tra­ti­on am 21. Sep­tem­ber 2013 in Lich­ten­berg un­ter­schied sich in ihrer Ag­gres­si­vi­tät deut­lich von den NPD-​Ver­an­stal­tun­gen der letz­ten Jahre.[66]Ein Red­ner ließ es sich nicht neh­men, in der Ver­le­sung der Auf­la­gen die po­li­zei­lich un­ter­sag­ten Pa­ro­len in die Menge der Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen hin­ein­zu­brül­len, zur Be­geis­te­rung sei­ner An­hän­ger_in­nen. Auch Pa­trick Krü­ger nahm an die­ser De­mons­tra­ti­on teil, for­der­te An­ti­fa­schis­t_in­nen auf, sich ihm „zu stel­len“. „Die Rech­te“ or­ga­ni­sier­te auch den Ber­li­ner Ab­le­ger der de­zen­tral or­ga­ni­sier­ten Kund­ge­bun­gen zur The­ma­ti­sie­rung der Flie­ger-​An­grif­fe auf Dres­den am Ende des 2. Welt­krie­ges.[67]

 

(Foto: Pa­trick Krü­ger als Red­ner DIE RECH­TE Ber­lin am 16.​11.​13 in Oder­berg / Bran­den­burg 2013)  

Zwi­schen NPD, „Die Rech­te“ und Bür­ger­be­we­gung fin­den sich auch immer wie­der her­aus­ste­chen­de ein­zel­ne Nazis. Es tau­chen in aller Re­gel­mä­ßig­keit offen na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Sti­cker und Spuckis auf, es wer­den ver­schie­de­ne La­bels be­nutzt, um eine brei­te Ak­ti­ons­front zu si­gna­li­sie­ren, hin­ter ein wei­test­ge­hend ge­fes­tig­ter klei­ner Per­so­nen­kreis ste­hen dürf­te, der seit Jah­ren im Be­zirk aktiv ist.[68] Be­un­ru­hi­gend ist al­ler­dings die – zumal öf­fent­lich zur Schau ge­stell­te – zu­neh­men­de Mi­li­tanz auch der sub­kul­tu­rel­len, un­or­ga­ni­sier­ten Nazis.

 

(Foto: NPD­ler An­dre­as K. mit Freun­den beim Hit­ler­gruß / Quel­le: In­ter­net)  

Ein jun­ger Jour­na­list wird im Herbst 2013 am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz durch zwei Nazis kran­ken­haus­reif ge­prü­gelt und kommt nur knapp mit schwe­ren Kopf­ver­let­zun­gen davon.[69] Einer der An­grei­fer ist Nor­man K., er wird in der Sil­ves­ter­nacht in Frank­furt/Oder ge­stellt und ein of­fe­ner Haft­be­fehl voll­streckt.

Im Ja­nu­ar 2014 muss dann Marco Z. eine vier­mo­na­ti­ge Haft­stra­fe an­tre­ten. Sein Face­book-​Pro­fil wim­melt von na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­zü­gen, gleich­zei­tig fühlt er sich, nach­dem er im April 2014 aus der JVA Plöt­zen­see ent­las­sen wird, von der rech­ten Szene miss­ach­tet und aus­ge­grenzt. Er sucht aber wei­ter­hin die Nähe zur NPD, wo er am 24. Mai bei den Kund­ge­bun­gen auf dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz und vor der Un­ter­kunft auf­taucht. Schon im Som­mer 2013, kurz nach dem „Brau­nen Diens­tag“ be­droh­te er Ak­ti­vis­t_in­nen über Face­book-​Nach­rich­ten mit Ver­ge­wal­ti­gung und Tod und droh­te, das ent­ste­hen­de Lager und die ein­zie­hen­den Be­woh­ner_in­nen nie­der­zu­bren­nen.

 

(Foto: Hel­lers­dor­fer Neo­na­zi Ro­ma­no S und sein Bru­der Mar­cel po­sie­ren mit Waf­fen / Quel­le: In­ter­net)  

Ro­ma­no S. und sein Bru­der Mar­cel stell­ten am 18. Mai 2014 ein Bild auf Face­book ein, das sie mit einer Pis­to­le, einem Base­ball­schlä­ger und Kampf­hand­schu­hen zeigt. Die Brü­der sind oft am Nach­mit­tag oder Abend am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz zum Trin­ken ver­ab­re­det, von ihrer Grup­pe gehen re­gel­mä­ßig Über­grif­fe auf Per­so­nen aus, die nicht in ihr Welt­bild pas­sen. Die of­fen­si­ve Be­waff­nung der Nazis lässt es nur eine Frage der Zeit er­schei­nen, bis es zu ernst­haf­ten Ver­let­zun­gen kommt. Die Po­li­zei bleibt – wie immer – un­tä­tig.

 

(Foto: Vi­wa-​Im­biss am 19.​08.​13 um­stellt durch Po­li­zei­kräf­te, die Nazis in Schach hal­ten / Quel­le: Theo Schnei­der)  

Neben dem Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz sam­meln sich viele Rech­te auch in dem Vi­wa-​Im­biss am U-​Bahn­hof Cott­bus­ser Platz. Schon seit den Neun­zi­gern ist die klei­ne Knei­pe, aus­ge­stat­tet mit Spiel­au­to­ma­ten, be­kann­ter Treff­punkt von al­ko­hol­kran­ken und spiel­süch­ti­gen All­tags­ras­sis­t_in­nen und frus­trier­ten Nazis. Doch ge­ra­de die räum­li­che Nähe zum Lager, das nur we­ni­ge hun­dert Meter auf der an­de­ren Seite des U-​Bahn­ho­fes liegt, lässt es zu einem der zen­tra­len Treff­punk­te für Or­ga­ni­sa­tor_in­nen der Bür­ger­be­we­gung wer­den. Ge­ra­de Kai Schus­ter ist hier schon län­ger Gast, und kann er­folg­reich seine Sauf­kum­pa­nen an agi­tie­ren. Auch Tina Krü­ger und ihr Ver­lob­ter T. las­sen sich ein­bin­den, Tina Krü­ger stellt ihr Konto der Bür­ger­initia­ti­ve als Spen­den­kon­to zur Ver­fü­gung, sie tau­chen zu­sam­men immer wie­der auf De­mons­tra­tio­nen der Ex­tre­men Rech­ten im Be­zirk, aber auch in Bran­den­burg auf. Eine der Tre­sen­kräf­te des Im­biss steht im Ver­dacht von An­ti­fa­schis­t_in­nen, die über­all in Hel­lers­dorf aus­ge­kipp­ten „Nein zum Heim“-​Schnip­sel für die Bür­ger­be­we­gung pro­du­ziert zu haben.

 

(Foto: Susan W., Na­di­ne R., Tina Krü­ger und T. bei einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung durch Hel­lers­dorf am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)  

Hinzu kom­men wei­te­re Nazis, deren Welt­bild man an ihren Pro­fil­sei­ten ab­le­sen kann, und die das auch of­fen­siv auf die Stra­ße tra­gen. Im Um­feld der Bür­ger­be­we­gung fin­det man z.B. An­dre­as Horst Artur K. oder Micha­e­la N., die mit „Nein zum Heim“-​Sti­ckern, einer Scream-​Mas­ke und einem Spiel­zeug­ge­wehr po­siert. Sie ist auch bei den Auf­mär­schen der Bür­ger­be­we­gung zu Gast und steht ex­em­pla­risch für die Geis­tes­hal­tung und die dar­aus re­sul­tie­ren­de Ge­fahr, die sich aus der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung unter den An­woh­ner_in­nen im Be­zirk ent­wi­ckelt hat.

 

(Foto: Bür­ger­be­we­gung-​An­hän­ge­rin Micha­e­la N. po­siert mit Hor­ror-​Mas­ke und Spiel­zeug­waf­fe gegen die Un­ter­kunft / Quel­le: In­ter­net)  

Rechts­ter­ro­ris­mus, das muss man so kon­sta­tie­ren, ge­hört in­zwi­schen zur glo­ri­fi­zier­ten Le­bens­wirk­lich­keit der be­zirk­li­chen Na­zi­sze­ne, man po­siert mit Waf­fen, Krü­ger be­wegt sich mit NSU-​So­li­da­ri­täts-​Shirt durch die Stadt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis da ei­ne_r mal ernst macht und zum Schuss an­setzt. Bis dahin äu­ßert sich die la­ten­te Ge­fahr in den zahl­lo­sen ge­walt­tä­ti­gen Über­grif­fen gegen Ge­flüch­te­te und den An­schlä­gen aus dem Um­feld der Bür­ger­be­we­gung.

 

Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf …

 

Die Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf war im Juni 2013 mit hohem Elan in die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung ein­ge­stie­gen. Un­mit­tel­ba­re Er­folgs­er­leb­nis­se stütz­ten die Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur, die sich bis­her nicht er­kenn­bar ver­än­dert hat. Bei der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on am Pfingst­sonn­tag 2014 tauch­ten in Folge der Kon­ti­nui­tät er­neut Da­nie­la Fröh­lich als Red­ne­rin, Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter als Or­ga­ni­sa­to­ren auf – wie schon vor einem Jahr.[70] Alle drei woh­nen in Hel­lers­dorf, in re­la­ti­ver Um­ge­bung zur Un­ter­kunft. Die Bür­ger­be­we­gung hat also durch­aus einen lo­ka­len Kern, der aber auf in­ten­si­ve Mit­hil­fe durch die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne set­zen kann – Da­nie­la Fröh­lich sorgt für die Ver­net­zun­gen in die Ka­me­rad­schaf­ten und den ehe­ma­li­gen Front­bann-​Mit­glie­dern, Mar­cel Ro­ckel hat enge Kon­tak­te zu den Lich­ten­ber­ger NW-​Na­zis, der JN und der NPD und Kai Schus­ter ist in der lo­ka­len NPD-​Struk­tur ver­an­kert und stellt das Bin­de­glied zu den An­woh­ner_in­nen dar. So auf­ge­stellt be­glei­ten sie den Ein­zug der Ge­flüch­te­ten im Au­gust 2013 aus dem Vi­wa-​Im­biss her­aus und grei­fen zu­sam­men mit Pa­trick Krü­ger ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen aus der Knei­pe her­aus an. Sie wer­den dafür von der Po­li­zei fest­ge­setzt. Nach der brei­ten an­ti­ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung schi­cken sie An­woh­ner_in­nen vor, um den Kiez aus­zu­spä­hen, lo­ka­le NPD­ler fah­ren an der Mahn­wa­che vor, sie selbst hal­ten sich im Hin­ter­grund. Es muss wei­ter­hin eine Ver­net­zung zu an­de­ren Pro­test­be­we­gun­gen gegen Un­ter­künf­te geben, denn der vor­her für An­woh­ner_in­nen in Rei­ni­cken­dorf tä­ti­ge Rechts­an­walt Jens-​Ge­org Mor­gens­tern (as­so­zi­iert mit der Kanz­lei „Streif­ler & Kol­le­gen“) – ein be­ken­nen­der Ras­sist mit Ku-​Klux-​Klan-​Be­zü­gen auf sei­ner Face­book-​Sei­te – will auch in Hel­lers­dorf tätig wer­den, zieht sich nach me­dia­ler Skan­da­li­sie­rung zu­rück.[71] Auch André Otto, ein ehe­ma­li­ger DVU­ler und wegen ras­sis­ti­schen Ge­walt­de­lik­ten schon in den 90ern be­kannt,[72] zieht sich nach einer kur­zen So­li­da­ri­täts­er­klä­rung bei der Bür­ger­initia­ti­ve in sein The­men­ge­biet – die Tan­gen­te Ost[73] – zu­rück, wohl auch, um seine Kan­di­da­tur für die Bun­des­tags­wahl als par­tei­lo­ser Be­wer­ber nicht zu ge­fähr­den.[74]

(Foto: Screen­shot der Seite andreotto.​de)  

Die Struk­tur der Bür­ger­initia­ti­ve spal­tet sich im Au­gust 2013, André Kie­bis grün­det einen ge­mä­ßig­ten Ab­le­ger in Ver­eins­form, auf den spä­ter ein­ge­gan­gen wird. Dafür taucht Kai Schus­ter zu­sam­men mit René U. in einer Sit­zung der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf auf, schüch­tert dort eine Ver­ord­ne­te ein. Die Face­book-​Sei­te wird mehr­mals ge­löscht, mit ihr die Ad­mi­nis­tra­ti­ons­ac­counts. Die Bür­ger­initia­ti­ve grün­det di­gi­ta­le Ab­le­ger, ber­lin­wei­te Sei­ten und einen ei­ge­nen De­mo-​Ac­count, der eine Tag-​X-​Mo­bi­li­sie­rung für den so­ge­nann­ten „Tag der Mei­nungs­frei­heit“ be­treibt.[75] Aber keine ist so be­liebt wie die Seite der Bür­ger­initia­ti­ve, die es jedes Mal auf 2000 bis 3000 Likes schafft, bevor sie ab­ge­schal­tet wird.

 

(Foto: René U. [Mitte] am „Brau­nen Diens­tag“ – 09.​07.​13 – in Hel­lers­dorf / Quel­le: Chris­ti­an Jäger)  

Auf ihr geht die Hetze, die De­kon­struk­ti­on Ost im letz­ten Jahr schon aus­gie­big ana­ly­siert hatte[76], wei­ter. Bil­der von Ge­flüch­te­ten wer­den ge­pos­tet, wie sie vor Müll­ton­nen ste­hen, was aus nicht näher er­klär­ten Grün­den als ver­werf­lich dar­ge­stellt wird – aus­gie­big wird das Bild der „Rat­ten“, die den Müll durch­wüh­len, be­müht und er­regt den Zorn der An­woh­ner_in­nen.[77] Gleich­zei­tig, in­kon­se­quen­ter Weise, wer­den Bil­der vom an­geb­li­chen Reich­tum der Ge­flüch­te­ten be­müht, es wer­den Smart­pho­nes, Plas­ma-​Fern­se­her und an­de­re hoch­wer­ti­ge Tech­nik in der Un­ter­kunft ge­sich­tet und ab­fo­to­gra­fiert. Kri­ti­sche Stim­men, die ins­be­son­de­re bei den Fern­se­hern dar­auf hin­wei­sen, dass sie schon vor dem Bezug im Un­ter­kunfts­ge­bäu­de stan­den, gehen im Rau­schen der ras­sis­ti­schen Kom­men­ta­re unter, von denen die Mehr­zahl im straf­ba­ren und zu­min­dest be­lei­di­gen­den Be­reich liegt. Immer wie­der schla­gen je­doch die Ad­min­stra­tor_in­nen über die Strän­ge. Wäh­rend sich die Front ge­gen­über den Asyl­be­wer­ber_in­nen wei­test­ge­hend ge­schlos­sen zeigt, be­kom­men sie bei wei­ter­ge­hen­der Hetze ge­gen­über Peop­le Of Color das Un­be­ha­gen der An­woh­ner_in­nen zu spü­ren: als Asi­a­t_in­nen wahr­ge­nom­me­ne Men­schen wer­den ge­gen­über den An­fein­dun­gen in Schutz ge­nom­men, auf die ihnen zu­ge­schrie­be­nen Ei­gen­schaf­ten als „stil­le“, „ar­beit­sa­me“ und „gut in­te­grier­te“ Men­schen ver­wie­sen. Wäh­rend auch diese Zu­schrei­bun­gen ras­sis­ti­scher Natur sind, so dif­fe­ren­zie­ren sie je­doch die Com­mu­ni­ty auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung durch die po­si­ti­ve Kon­no­tie­rung aus. Die Bür­ger­initia­ti­ve selbst merkt, dass sie in Hel­lers­dorf kaum noch einen Blu­men­strauß ge­win­nen kann. An­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ma­chen ihnen die Stra­ßen­ak­ti­vi­tät zu­nich­te, der von ihnen pro­phe­zei­te in­stan­te „Über­frem­dung“ bleibt aus. Sie mer­ken aber, dass ihre di­gi­ta­le Hetze weit­ge­hend straf­frei bleibt und sie mit ihrem Ac­count eine hohe An­zahl von Leu­ten er­rei­chen. Au­ßer­dem kön­nen die Köpfe der Bür­ger­be­we­gung die De­bat­te auf der Seite merk­lich len­ken. Kai Schus­ter schreibt lange Zeit unter sei­nem rich­ti­gen Namen auf der Seite, Da­nie­la Fröh­lich be­nutzt das Pseud­onym „Helle Göre“ und ver­fasst damit ei­ni­ge Gast­bei­trä­ge und lange Kom­men­ta­re. So wird das The­men­spek­trum im Spät­som­mer ver­brei­tert: ab jetzt wird auch re­gel­mä­ßig über die „Zu­stän­de“ am Ora­ni­en­platz be­rich­tet, Men­schen wer­den ab­fo­to­gra­fiert, an­geb­li­che Müll­plät­ze und Ver­wahr­lo­sung sol­len ge­zeigt wer­den. Man be­kommt den Ein­druck, dass die Bür­ger­be­we­gung au­ßer­dem zum neuen Spiel­ball der An­ti-​An­ti­fas von NW Ber­lin wird, re­gel­mä­ßig wird dort über an­geb­li­che An­ti­fa­schis­t_in­nen, Jour­na­lis­t_in­nen und Lo­kal­po­li­ti­ker_in­nen de­tail­liert be­rich­tet und so eine di­gi­ta­le Fein­des­lis­te er­stellt, zu­sam­men mit Fotos, Per­so­nen­da­ten und An­schrif­ten, die durch die Nazis in den kom­men­den Mo­na­ten auch aktiv für Ter­ror gegen Lo­kal­po­li­ti­ker[78] ge­nutzt wer­den. Face­book be­schei­nigt in aller Re­gel­mä­ßig­keit un­be­denk­li­che In­hal­te und weist Lö­schauf­for­de­run­gen zu­rück, die Ber­li­ner Po­li­zei gibt sich un­wis­send und bleibt – kon­stant – un­tä­tig.

 

Zu­neh­mend un­be­frie­digt sind die lo­ka­len Nazis aber mit der Über­set­zung ihrer Agi­ta­ti­on auf die Stra­ße. Es ist nur wenig vom ras­sis­ti­schen Pro­test zu spü­ren, ein gro­ßes Bünd­nis trug am 3. Ok­to­ber 2013 die an­ti­ras­sis­ti­sche So­li­da­ri­tät mit 1500 Men­schen quer durch Hel­lers­dorf. Sie haben für eine immer klei­ner wer­den­de Grup­pe von Fans einen ge­schlos­se­nen Nar­ra­tiv[79] des Ras­sis­mus kon­stru­iert, der in der di­gi­ta­len Com­mu­ni­ty funk­tio­niert, und sich im Leben ei­ni­ger Hel­lers­dor­fer_in­nen fest­setzt. Aber nach außen wahr­nehm­bar bleibt vor­erst nur die So­li­da­ri­tät, die öf­fent­li­che Wür­di­gung so­li­da­ri­scher Ak­ti­vi­tät. Die In­itia­ti­ve Hel­lers­dorf Hilft hat bis­her drei Prei­se für ihr ge­sell­schaft­li­ches En­ga­ge­ment ge­won­nen[80], der Bun­des­prä­si­dent for­der­te Schü­ler_in­nen zum Pro­test auf[81] und selbst der Chef des Ber­li­ner Ver­fas­sungs­schut­zes äu­ßer­te sich an­er­ken­nend über so­li­da­ri­sche Ak­ti­vis­t_in­nen[82], die sich den Nazis ent­ge­gen­stell­ten und den Ras­sis­mus der An­woh­ner_in­nen auf­ar­bei­ten wür­den. An der in Hel­lers­dorf an­säs­si­gen Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le brach­ten sich zudem meh­re­re Grup­pen und Ein­zel­per­so­nen ein, allen voran me­di­en­wirk­sam die Rek­to­rin Theda Borde, die für eine star­ke Ver­net­zung der Hoch­schu­le mit den Be­woh­ner_in­nen der Un­ter­kunft sorg­te.[83] Da­ne­ben fan­den sich auch Stu­die­ren­de in der Grup­pe gren­zen_­weg[84] zu­sam­men, die sich in­ten­siv in die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit in Hel­lers­dorf ein­brach­ten. Mit der De­bat­te um Na­zi­struk­tu­ren be­schäf­tigt sich der Ar­beits­kreis Rech­te Ge­walt.[85] Nicht zu­letzt brach­ten sich auch das An­ti­ra/An­ti­fa-​Re­fe­rat des AStA der ASH[86] in die De­bat­te vor Ort mit ein. Diese er­stark­ten Hoch­schul­struk­tu­ren sorg­ten auch für eine deut­lich spür­ba­re Sen­si­bi­li­sie­rung der Stu­die­ren­den der ASH, die nicht nur „für die Uni“ nach Hel­lers­dorf fah­ren woll­ten, son­dern auch über den ge­sam­ten Zeit­raum maß­geb­lich die an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­tio­nen un­ter­stütz­ten und mit­tru­gen.

 

Er­heb­li­chen Druck ver­ur­sacht für die Bür­ger­initia­ti­ve auch die per­ma­nen­te Of­fen­le­gung ihrer Struk­tu­ren. In einem ver­zwei­fel­ten Ver­such, die Dis­kur­sho­heit über die The­ma­tik zu­rück­zu­ge­win­nen, wird unter dem Label der Bür­ger­initia­ti­ve im spä­ten Ok­to­ber zum so­ge­nann­ten „Tag der Mei­nungs­frei­heit“ mo­bi­li­siert, der neben der bun­des­wei­ten NPD-​De­mons­tra­ti­on am 1. Mai die zen­tra­le Ver­an­stal­tung der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne im Jahr 2013 wird. Knapp 180 Teil­neh­mer_in­nen wer­den re­gis­triert, auf Par­tei­fah­nen wird ver­zich­tet, den­noch ist die Par­tei­gar­de von NPD (Se­bas­ti­an Schmidtke, Maria Fank, Josef Graf, Frank Maar, Lars N., Den­nis P., Ma­nu­el A., An­dre­as K. und Ro­ma­no S.) und „Die Rech­te“ (Uwe Dreisch, Pa­trick Krü­ger, Klaus Mann, Sy­bil­le Mann, Ge­si­ne Schr­a­der, Ronny Schr­a­der, Sven Neu­bau­er, Anja N., Ni­co­le H. und Den­nis K.) an­we­send, dazu wei­te­re Na­zi­ka­der (Micha­el Fi­scher, Pa­trick Kil­lat, Chris­ti­an B., Tim W., Micha­el G., Marco Z., Si­nead G., Mike T. und Ben­ja­min W.). Aber auch viele An­woh­ner_in­nen fin­den den Weg zur De­mons­tra­ti­on (Ines Teß­mer, die An­mel­de­rin; aber auch Tina Krü­ger und ihr Ver­lob­ter T., Ga­brie­la E., Fran­zis­ka G., Yvon­ne F., Susan W., Na­di­ne R., An­na-​Le­na G., Micha­el W., Micha­e­la N., Ni­co­le R. und Maria E.), tat­säch­lich zeigt sich hier der knall­har­te ras­sis­ti­sche Kern des Hel­lers­dor­fer Kie­zes. Or­ga­ni­siert wie immer von Da­nie­la Fröh­lich, Kai Schus­ter und Mar­cel Ro­ckel. Die ur­sprüng­li­che De­mons­tra­ti­on soll in 300 Meter Ent­fer­nung an der Un­ter­kunft vor­bei­füh­ren und am Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Platz enden. Doch über tau­send An­ti­fa­schis­t_in­nen ma­chen den Nazis ein Strich durch die Rech­nung: sie be­set­zen an zwei zen­tra­len Punk­ten die Auf­marsch­stre­cke der De­mons­tra­ti­on mit Sitz­blo­cka­den. Die Po­li­zei scheint sich dar­auf ein­ge­stellt zu haben, schon in den frü­hen Mor­gen­stun­den sind genau diese Punk­te her­me­tisch ab­ge­sperrt und nicht ohne grö­ße­ren Auf­wand zu be­sei­ti­gen, wel­che von der an­ti­fa­schis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung als Blo­cka­de­punk­te ver­öf­fent­licht wer­den, es ist auch für die Nazis er­sicht­lich, dass sie nur we­ni­ge hun­dert Meter um den Block lau­fen dür­fen. Be­dröp­pelt und von allen ge­hasst wer­den sie mit lau­ten „Nazis raus“-​Ru­fen aus dem Kiez ge­trie­ben.[87]

 

(Foto: Ro­ma­no S., Yvon­ne F. und An­dre­as K. [v.l.n.r.] auf einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)  
(Foto: Marco Z. [mit­tig hin­ten] auf einer De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung am 26.​10.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)  

Da­hin­ter steht eine Stra­te­gie der Po­li­zei, die sich auch bei wei­te­ren Groß­ver­an­stal­tun­gen der rech­ten Szene mit Blo­cka­de­auf­ru­fen be­währt hat: von An­fang an will man genau be­stim­men wie weit die Nazis kom­men, man gibt den Nazis ei­ni­ge hun­dert Meter, um sich nicht vor­wer­fen las­sen zu müs­sen, man hätte aktiv den Auf­marsch ver­hin­dert. Die Be­rech­nung ist: wenn man den Nazis etwas Raum gibt und den Blo­ckie­ren­den das Er­folgs­er­leb­nis der Blo­cka­de gibt, sind am Ende alle ei­ni­ger­ma­ßen zu­frie­den und es bleibt fried­lich. Eine kon­se­quen­te Fort­füh­rung der po­li­zei­li­chen Stra­te­gie der „Dee­s­ka­la­ti­on“ und der „Aus­ge­streck­ten Faust“.[88]Mit si­tua­ti­ver An­pas­sung fand die­ses Kon­zept 2010 im Prenz­lau­er Berg An­wen­dung, 2011 in Kreuz­berg und 2014 in Mitte und Kreuz­berg. Die an­ti­fa­schis­ti­sche Szene fei­er­te diese Er­eig­nis­se als Er­folg, nach kri­ti­scher Be­trach­tung bleibt je­doch die Ein­schät­zung, dass man nur Teil des er­folg­rei­chen Aus­gleich­s­prin­zips der Po­li­zei ist. Al­ler­dings: dort wo Pro­tes­te nicht in einem ex­pli­zi­ten Mas­sen­blo­cka­de-​Kon­zept ein­ge­bet­tet sind, läuft es schlim­mer: hier kön­nen die Nazis in aller Re­gel­mä­ßig­keit weite Stre­cken mar­schie­ren. Die Ber­li­ner Po­li­zei hat in den letz­ten Jah­ren klar­ge­macht: nur nach un­se­ren Re­geln wer­den Nazis blo­ckiert; wer nicht mit­spielt, wird weg­ge­prü­gelt.

 

Sicht­bar wird das im wei­te­ren Ver­lauf des „Tag der Mei­nungs­frei­heit“. Un­zu­frie­den mit dem De­mons­tra­ti­ons­ver­lauf und im Ge­fühl von der Po­li­zei­lei­tung be­tro­gen wor­den zu sein, mel­det NPD­ler Se­bas­ti­an Schmidtke einen spon­ta­nen Auf­marsch an, wie er es in der Ver­gan­gen­heit schon öfter ge­macht hat, meis­tens, um vom ei­gent­li­chen Auf­mar­schort nach Lich­ten­berg oder Schö­ne­wei­de zu fah­ren und dort un­ge­stört zu de­mons­trie­ren. In Hel­lers­dorf liegt die Sache an­ders: Schmidtke ent­schei­det sich, vom End­punkt der De­mons­tra­ti­on aus auf der an­de­ren Seite der U-​Bahn-​Li­nie 5 wei­ter zu de­mons­trie­ren.[89] Durch men­schen­lee­res Ge­biet, aber im­mer­hin. In­zwi­schen sind die meis­ten Pres­se­ver­tre­ter_in­nen weg, keine Fern­seh­ka­me­ras mehr dabei. Die Ber­li­ner Po­li­zei ent­schei­det sich, die Ei­lan­mel­dung zu ge­neh­mi­gen. Viele Blo­ckie­rer_in­nen schaf­fen es auf die an­de­re Seite der U-​Bahn-​Schie­nen und wer­den dort ra­bi­at durch die Po­li­zei zur Seite ge­prü­gelt, Sitz­blo­cka­den mit Schmerz­grif­fen auf­ge­löst. Schon bei den vor­he­ri­gen Blo­cka­den brach ein Ak­ti­vist ohn­mäch­tig zu­sam­men, nach­dem er durch die Po­li­zis­t_in­nen ge­würgt und ihm der Kehl­kopf ein­ge­drückt wurde.[90] Es kommt immer wie­der zum di­rek­ten Kon­takt mit den Nazis, sie wer­den nur we­ni­ge Meter an klei­ne­ren Sitz­blo­cka­den vor­bei­ge­führt. Hier zeigt die Po­li­zei, dass sie mit spon­ta­nen Ak­tio­nen der Nazis nicht um­ge­hen kann, ge­rüch­te­wei­se hat der Ein­satz­lei­ter ge­wech­selt, statt dem er­fah­re­nen In­nen­städ­ter ist ein Ver­tre­ter der Di­rek­ti­on 6 zu­stän­dig, die unter ei­ni­gen Be­ob­ach­ter_in­nen als „Dorf­po­li­zei“ ge­han­delt wird. Die Di­rek­ti­on also, die es in den fol­gen­den Mo­na­ten noch öfter ver­mas­seln wird und eine ge­ra­de­zu un­an­stän­di­ge Sym­pa­thie ge­gen­über den Nazis an den Tag zu legen scheint. Der Tag endet mit Po­li­zei­ge­walt und mit grö­len­den, mar­schie­ren­den Nazis. Der Blo­cka­de­er­folg vor der Un­ter­kunft schmeckt bit­ter, wenn man sich den Ver­lauf vor Augen ruft.

 

Aber auch die Nazis sind un­zu­frie­den, sie be­män­geln die of­fen­sicht­lich ge­plan­te Rou­ten­ver­kür­zung durch die Po­li­zei und die Be­richt­er­stat­tung, die sich auf den Blo­cka­de­er­folg kon­zen­trier­te. Und nur we­ni­ge Tage spä­ter ver­lie­ren sie er­neut ihre Face­book-​Sei­ten und wich­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­ac­counts. Zu die­sem Zeit­punkt liegt die Bür­ger­initia­ti­ve am Boden, ihr Rück­halt unter den An­woh­ner_in­nen schwin­det mehr und mehr, ins­be­son­de­re da of­fe­ne na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Be­zugs­punk­te pro­pa­giert wer­den.[91]

 

… di­gi­tiert zu Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf!

 

Nach der Lö­schung ist ei­ni­ge Tage Ruhe, bevor eine neue Seite auf der Bild­flä­che er­scheint. Sich von der bis­he­ri­gen Na­mens­ge­bung etwas ent­fer­nend, um nicht in das Lö­schras­ter von Face­book zu fal­len und sich ge­gen­über der na­mens­glei­chen Ab­spal­tung von André Kie­bis zu dis­tan­zie­ren, wählt man nun den Be­griff der „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“. Klar ist: es ste­hen die glei­chen Struk­tu­ren hin­ter der Seite, sie nutzt die glei­chen tech­ni­schen Mit­tel und Ver­öf­fent­li­chungs­wei­sen wie die Vor­gäng­er­sei­ten. Auch der Le­gi­ti­ma­ti­ons­ver­such über den Bür­ger_in­nen-​Be­zug ist ver­gleich­bar mit der Na­mens­ge­bung von der „Bür­ger­be­we­gung Pro Deutsch­land“. Beide Or­ga­ni­sa­tio­nen wol­len Ver­tre­tungs­le­gi­ti­ma­tio­nen über das Bild der „Bür­ger“ sug­ge­rie­ren, deren so­zia­ler Sta­tus sich aus Staats­an­ge­hö­rig­keit, Haus­halts­grund­la­ge (vgl. auch das Bild des Steu­er­zah­lers) und das ver­meint­li­che Be­kennt­nis zur re­pu­bli­ka­ni­schen De­mo­kra­tie er­gibt.[92]

 

Im be­gin­nen­den Win­ter wird der Kon­zept­wech­sel der „Bür­ger­be­we­gung“ deut­lich: Kleinst­ak­tio­nen sol­len den Pro­test auf­recht­er­hal­ten. In nächt­li­chen, kon­spi­ra­tiv vor­be­rei­te­ten Ak­tio­nen wer­den Stei­ne durch die Schei­ben der Un­ter­kunft ge­schmis­sen, die Türen mit ras­sis­ti­schen Auf­kle­bern ver­klebt, die Rück­flug-​Ti­cket-​Ak­ti­on[93] der NPD ko­piert und die Ge­schäfts­stel­le der Grü­nen in Bezug auf den „Trüm­mer­frau­en“-​Dis­kurs[94] mit einem Trans­pa­rent ver­un­stal­tet. Immer mit ge­stell­ten Be­weis­bil­dern, ei­ni­ge ori­en­tie­ren sich mit wei­ßen Mas­ken an den Ak­tio­nen der neo­na­zis­ti­schen Ver­ei­ni­gung „Spree­lich­ter“ aus Süd­bran­den­burg.[95] Man fei­ert „ger­ma­ni­sche“ Ri­tua­le mit Fa­ckeln und Mas­ken am glei­chen Ort, an dem sich Pa­trick Krü­ger mit Freun­d_in­nen und vier Kin­dern ei­ni­ge Tage zuvor auf einem Fa­mi­li­en­aus­flug an die Wuhle fo­to­gra­fie­ren lässt. In die­ser Phase rückt die Bür­ger­be­we­gung eng zu­sam­men, mit den klei­nen Ak­tio­nen formt sich eine fest ver­wach­se­ne Grup­pe aus agi­tier­ten An­woh­ner_in­nen und Nazis mit Or­ga­ni­sa­ti­ons­er­fah­rung. Aus der pla­ka­ti­ven Platt­form, die durch ver­schie­de­ne Struk­tu­ren zur ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ge­nutzt wurde, ist eine feste po­li­ti­sche Struk­tur ge­wor­den, die in der Folge mit Ak­tio­nen und durch Raum­nah­me auf der Stra­ße ver­sucht, den Dis­kurs zu be­ein­flus­sen.

 

Auch An­schlä­ge wer­den ver­übt, die Tä­ter_in­nen sind bis­her nicht er­mit­telt, hat­ten aber min­des­tens in­for­mel­le Kon­tak­te zur Bür­ger­be­we­gung. Auf­se­hen­er­re­gend ist dabei die Sil­ves­ter-​Nacht: mit selbst­ge­bas­tel­ten Spreng­sät­zen aus zu­sam­men­ge­kleb­ten Böl­lern wird die Un­ter­kunft der Ge­flüch­te­ten an­ge­grif­fen. Ge­zielt wird der Spreng­satz an der Ein­gangs­tür an­ge­bracht und sprengt ein Loch hin­ein.[96] Die Face­book-​Sei­te der Bür­ger­be­we­gung be­rich­tet als ers­tes über den Vor­fall mit ex­klu­si­vem Bild­ma­te­ri­al, was einem Be­ken­ner­schrei­ben (die bei mi­li­tan­ten Nazis in der Regel nicht üb­lich sind) sehr nahe kommt. Wei­te­re An­schlä­ge auf linke Ein­rich­tun­gen[97] und er­neut auf die Un­ter­kunft[98] fin­den im sel­ben Zeit­raum statt, nur mit Glück kann der Aus­bruch der Flam­men in der Un­ter­kunft ver­hin­dert wer­den. Die Po­li­zei stellt aber schon am nächs­ten Tag die Er­mitt­lun­gen ein. Eine An­er­ken­nung als mi­li­tan­ter Stra­ßen­ter­ror von Rechts bleibt aus, in der In­nen­ver­wal­tung gibt man sich rat- und ah­nungs­los.

 

Erst als am Mahls­dor­fer Wahl­kreis­bü­ro von Mario Czaja, des für Asyl­fra­gen zu­stän­di­gen CDU-​Se­na­tors, ein „Nein zum Heim“-​Trans­pa­rent an­ge­bracht wird, weckt das kurz­zei­tig die Auf­merk­sam­keit der Lan­des­po­li­tik.[99] Auch hier ist eine ex­klu­si­ve Be­richt­er­stat­tung der Bür­ger­be­we­gung als in­di­rek­tes Be­ken­ner_in­nen-​Schrei­ben zu lesen. In den fol­gen­den Wo­chen set­zen sich die An­grif­fe fort, be­trof­fen ist auch das Café Frei­raum an der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le.[100] Im März dann der bis­he­ri­ge Hö­he­punkt der mi­li­tan­ten Ak­ti­vi­tä­ten: nach­dem 20 Ras­sis­t_in­nen zwei Ge­flüch­te­te durch den Kiez het­zen und ver­su­chen die Un­ter­kunft zu stür­men, wird in der dar­auf­fol­gen­den Nacht ein Auto einer so­li­da­ri­schen Ak­ti­vis­tin an­ge­zün­det und brennt vor der Evan­ge­li­schen Ge­mein­de aus.[101]Nazis hat­ten das Auto vor­her fo­to­gra­fiert und sich ihr Kenn­zei­chen no­tiert.[102] Ein ver­meint­li­cher An­ti­fa­schist wird von Fran­zis­ka G. und einem Be­glei­ter vor dem Hel­lers­dor­fer Lager mit einem Tep­pich­mes­ser be­droht.[103] Nur wenig spä­ter taucht ein an­geb­li­ches Bild des Be­trof­fe­nen aus dem An­ti-​An­ti­fa-​Be­stand von NW Ber­lin auf, wird aber we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter wie­der ge­löscht, bleibt aber wei­ter­hin – wohl für den in­ter­nen Ge­brauch der Bür­ger­be­we­gung – auf Face­book ab­ruf­bar. Er­mitt­lungs­er­fol­ge der Po­li­zei in Sa­chen Brand­stif­tung und Hetz­jagd sind bis heute nicht fest­zu­stel­len. Er­neut be­rich­te­te die Bür­ger­be­we­gung als eine der ers­ten Platt­for­men über die Vor­fäl­le.

 

(Foto: Na­zi-​Ak­ti­vis­ten der Bür­ger­be­we­gung Mar­cel Ro­ckel, Ines Tess­mer [ver­deckt], Fran­zis­ka G. und eine wei­te­re Ak­ti­vis­tin [v.l.n.r.] am Rande einer NPD-​Kund­ge­bung in Hel­lers­dorf am 08.​02.​14 / Quel­le: Theo Schnei­der)  

In dem Jah­res­vier­tel hat die kon­spi­ra­ti­ve Grup­pe, die sich unter dem Label der Bür­ger­be­we­gung zu­sam­men­ge­fun­den hat, eine für Ber­li­ner Ver­hält­nis­se ex­tre­me Ak­ti­vi­tät an den Tag ge­legt: un­er­wähnt sind hier die un­zäh­li­gen Graf­fi­tis, Auf­kle­ber­fun­de, Über­grif­fe und An­grif­fe, die in den ers­ten 12 Wo­chen des Jah­res statt­fan­den.[104]

 

Gleich­zei­tig geht die di­gi­ta­le Hetze wei­ter, auch wenn auf­grund der Ent­wick­lun­gen und struk­tu­rel­ler Be­din­gun­gen die In­ter­ak­tio­nen dort nach­las­sen. In aller Be­stän­dig­keit wurde vom an­geb­li­chen An­woh­ner_in­nen­wi­der­stand be­rich­tet und hat mit den mi­li­tan­ten Ak­tio­nen das eh schon re­du­zier­te Um­feld der An­woh­ner_in­nen wei­ter aus­dif­fe­ren­ziert. Ein Groß­teil der Stamm­schrei­ber_in­nen auf der Face­book-​Sei­te kommt nach­weis­lich nicht aus Hel­lers­dorf, son­dern be­wegt sich in einer ei­ge­nen Face­book­sze­ne, die aus rech­ten, ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen und Quer­front-​Sei­ten und die immer glei­chen Kom­men­ta­tor_in­nen be­steht. Die Bür­ger­be­we­gung be­nutzt dafür einen ex­pli­zi­ten Be­griff der Na­zi­sze­ne aus der Mitte der 90er Jahre: „Schrei­ber­lin­ge“ be­zeich­net sol­che „Na­tio­na­le“ die zu der Zeit nur in den BBS-​Boards sich aus­tau­schen, aber sel­ten auf De­mons­tra­tio­nen auf­tau­chen.[105]Gleich­zei­tig wird der ber­lin­wei­te Kurs, der schon bei der Bür­ger­initia­ti­ve an­ge­fan­gen wurde, fort­ge­führt: ge­ra­de der Ora­ni­en­platz bleibt bis zur Räu­mung zen­tra­les Thema, auch als René U. gegen die am Kauf­haus „Alexa“ in Ber­lin-​Mit­te hun­ger­strei­ken­den Re­fu­gees agiert, wird das über die Face­book-​Sei­te ver­öf­fent­licht. Al­ler­dings haben die Ad­min­stra­tor_in­nen Pro­ble­me damit, die Seite ef­fek­tiv zu füh­ren: seit Jah­res­an­fang hat Face­book die Reich­wei­te der Fan­pages dras­tisch ein­ge­schränkt, Pos­tings wer­den nur noch einem Bruch­teil der ver­knüpf­ten Ac­counts an­ge­zeigt, für hö­he­re Reich­wei­te soll be­zahlt wer­den.[106] Den Ad­min­stra­tor_in­nen muss der Ein­druck von Be­deu­tungs­lo­sig­keit ent­ste­hen. Auch die ge­rin­ge In­ter­ak­ti­on be­rei­tet ihnen Pro­ble­men, als im Fe­bru­ar die Samm­lung von Un­ter­schrif­ten für Schmidtkes Pe­ti­ti­on über die Seite be­wor­ben wird, gibt es dar­auf kaum Re­ak­tio­nen. Auch die Ge­winn­spie­le, die ver­an­stal­tet wer­den, er­fah­ren ge­rin­ge Be­tei­li­gung – die Ge­win­ne wer­den nie aus­ge­lost oder aber an das ei­ge­ne Team ver­ge­ben.

 

Mehr als nur „Nein zum Heim“

 

 (Foto: Ein Nazi mit dem Künst­ler­na­men „Recht auf Wahr­heit“ und der Na­zi­mu­si­ker Pa­trick Kil­lat po­sie­ren vor Un­ter­kunft in Hel­lers­dorf / Quel­le: In­ter­net)  

Aber die Ka­me­ra­den aus den an­gren­zen­den Be­zir­ken und Land­krei­sen kom­men ihnen zur Hilfe: Pa­trick Kil­lat aus Ho­hen­schön­hau­sen, der unter dem Pseud­onym „Vil­lai­n051“[107] auf­tritt und „R.A.W.“[108] („Recht auf Wahr­heit“) aus Bar­nim grün­den ein mu­si­ka­li­sches Pro­jekt, das sie „A3s­tus“[109]nen­nen. Sie ma­chen bal­la­den­haf­ten Rechts­rock mit Rap-​Parts, was un­ge­fähr so grau­sam klingt, wie es sich in der Be­schrei­bung schon an­hört. Pro­vo­kant fil­men sie sich zu­sam­men mit u.a. Mar­cel Zech (NPD Bar­nim-​Ucker­mark) im Fe­bru­ar vor dem für Um­bau­ten ge­schlos­se­nen Teil der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft, sie ste­hen dort mit Deutsch­land­fah­nen, wer­den dabei be­ob­ach­tet, die Po­li­zei schrei­tet ein. Das nährt nur ihren Hel­den­kult, kurz dar­auf ver­öf­fent­li­chen sie das Video mit dem Song „Für un­se­re Kin­der“, in dem sie den „Neuen Deut­schen Wi­der­stand“ pro­pa­gie­ren und mit offen an­ti­se­mi­ti­scher Agi­ta­ti­on ar­bei­ten.[110] Das Video ist ein vol­ler Er­folg und lässt die Likes der Bür­ger­be­we­gung, die auch in Zu­kunft als ex­klu­si­ve Ver­öf­fent­li­chungs­platt­form von „A3s­tus“-​Vi­de­os dient, nach oben schnel­len. Das alte Blood-​&-​Ho­nour-​Prin­zip, mit dem Pa­trick Krü­ger und Da­nie­la Fröh­lich eng ver­traut sind, die Ver­knüp­fung zwi­schen Musik und Po­li­tik als bin­den­der Nar­ra­tiv wirkt her­vor­ra­gend. Spä­ter wer­den Vi­de­os ver­öf­fent­licht, in dem die Mu­si­ker vor dem Ho­lo­caust-​Denk­mal po­sie­ren oder eine Ak­ti­ons­form der Bür­ger­be­we­gung – schwar­ze Holz­kreu­ze als „Ge­den­ken“ an an­geb­li­che „Deut­sche Opfer“ auf­zu­stel­len – ko­pie­ren. Für die Bür­ger­be­we­gung wer­den kon­spi­ra­ti­ve Kon­zer­te ge­ge­ben, an­geb­lich in Hel­lers­dorf. Das Kon­zept ist für die Bür­ger­be­we­gung al­ler­dings keine ganz neue Er­fin­dung: schon vor­her hatte man sich eng an die rech­te Mu­si­ke­rin „DeeEx“[111] ge­hal­ten, die Zu­sam­men­ar­beit wurde aber nach einer ge­mein­sa­men „Weih­nachts­fei­er“ mit der Bür­ger­be­we­gung be­grün­dungs­los ein­ge­stellt.

 

(Foto: Screen­shot der Face­book-​Sei­te des NPD-​Kan­di­da­ten Mar­cel Zech aus Bran­den­burg)  

Ei­ni­ge Nazis der Bür­ger­be­we­gung ent­wi­ckeln auch eine hohe Rei­se­tä­tig­keit, neben dem spo­ra­di­schen Be­such von ber­lin­wei­ten Ver­an­stal­tun­gen. Bei den zen­tra­len Auf­mär­schen in vor allem der ehe­ma­li­gen Zone sind die Hel­lers­dor­fer_in­nen, vor allem Kai Schus­ter, ver­ein­zelt auch Fran­zis­ka G., Tina Krü­ger und Marco Z., dabei: Bes­ten­see, Oder­berg, Ze­per­nick , Dres­den, Cott­bus, Mag­d­e­burg, Wit­ten­ber­ge. The­men der De­mons­tra­tio­nen sind dabei nicht nur Asyl­be­wer­ber_in­nen, son­dern auch die al­li­ier­ten Bom­ben­an­grif­fe auf deut­sche Tä­ter_in­nen­städ­te im 2. Welt­krieg oder die ver­meint­li­che „Ent­vol­kung“ länd­li­cher Re­gio­nen. Die Bür­ger­be­we­gung ist zu dem Zeit­punkt kein mo­no­the­ma­ti­scher In­ter­es­sen­zu­sam­men­schluss von Nazis und An­woh­ner_in­nen, son­dern kon­textua­li­siert sich auch über diese Ak­ti­vi­tät mit einem fes­ten neo­na­zis­ti­schen Welt­bild.

 

(Foto: Die „Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“ [mar­kiert] auf dem De­mo­aus­flug nach Bes­ten­see [Bran­den­burg] am 21.​12.​13 / Quel­le: Ney Som­mer­feld)  

Die Bür­ger­be­we­gung wie­der­um greift wei­te­re ak­tu­el­le Kam­pa­gnen der Ber­li­ner Na­zi-​Sze­ne auf. Ihr Fokus ent­wi­ckelt sich weg vom „Nein zum Heim“ hin zu einer The­ma­ti­sie­rung von „Deut­schen Op­fern“, die von „Zu­wan­de­rern“ um­ge­bracht wor­den, ganz im Sinne der „Aus­län­der Raus“-​Mo­bi­li­sie­rung des NW Ber­lin.[112] Ihre Kam­pa­gne heißt nun „Weh­ret den An­fän­gen“ in Er­man­ge­lung einer ir­gend­wie um­deut­ba­ren oder skan­da­li­sier­ba­ren Kon­flikt­la­ge in Hel­lers­dorf. Zudem sind sie auf den seit ei­ni­gen Wo­chen statt­fin­den­den Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen zu fin­den, ins­be­son­de­re René U. wird dort immer wie­der ge­sich­tet, auch Se­bas­ti­an Schmidtke taucht dort auf. Dort soll an­geb­lich für Frie­den de­mons­triert wer­den, die De­mons­tra­ti­on ist ge­tra­gen von Quer­front­ler_in­nen, neu­rech­ten Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern und eso­te­ri­schen Fa­schis­t_in­nen.[113] Hier be­treibt die Bür­ger­be­we­gung An­ti-​An­ti­fa-​Ar­beit, Bil­der von Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen und ver­meint­li­chen An­ti­fa­schis­t_in­nen lan­den auf ihrer Face­book-​Sei­te und wer­den von dort im Netz­werk der Mon­tags­de­mo-​Sei­ten ver­teilt. Auch die Auf­lö­sung des schein­ba­ren Wi­der­spruchs zwi­schen sach­the­men­ori­en­tier­ter „Bür­ger­initia­ti­ve“ und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Po­lit­grup­pe wird immer wei­ter vor­an­ge­trie­ben. Neben der of­fe­nen Wahl­emp­feh­lung für die NPD wird auch jeder an­de­re vor­her künst­lich hoch­ge­hal­te­ne Ab­stand zur rech­ten Szene auf­ge­ge­ben. Ei­ni­ge Ver­öf­fent­li­chun­gen der Bür­ger­be­we­gung haben dabei einen ganz be­son­ders tum­ben Cha­rak­ter: so wird ein Teil einer, meist straf­ba­ren, Pa­ro­le vor­ge­ge­ben und soll dann mit den Ein­fäl­len der Kom­men­ta­tor_in­nen er­gänzt wer­den. Ei­ni­ge re­agie­ren mit Iro­nie, aber viele ver­fes­ti­gen ihre neo­na­zis­ti­sche Selbst­be­stä­ti­gung und er­gän­zen die Stra­ßen­pa­ro­len der Ex­tre­men Rech­ten in ihren Kom­men­ta­ren (und wer­den durch ent­spre­chen­de Likes dafür be­lohnt). Ein wei­te­rer iden­ti­täts­bil­den­der Schritt, es wird ein Pro­to­typ des di­gi­ta­len Mit­läu­fers ge­schaf­fen.

 

In­zwi­schen fin­det die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ebene der Bür­ger­be­we­gung auch in ab­ge­schot­te­ten Netz­wer­ken statt, deren Mit­glie­der nur über per­sön­li­che Kon­tak­te in eine ge­schlos­se­ne Whats-​App-​Grup­pe ge­lan­gen. Diese Neu­or­ga­ni­sie­rung hatte die Bür­ger­be­we­gung vor ei­ni­gen Wo­chen be­kannt ge­ge­ben und trägt den bis­he­ri­gen Stö­run­gen ihrer Ak­ti­vi­tä­ten durch an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen ent­spre­chend Rech­nung. Nicht nur der in­ne­re Zir­kel wird kon­spi­ra­tiv ge­führt, son­dern auch das Um­feld muss in die Kon­spi­ra­ti­vi­tät aus­wei­chen, um an­ti­fa­schis­ti­sche Auf­klä­rungs­ar­beit und be­hörd­li­chen Re­pres­si­ons­druck zu um­ge­hen. Diese kon­spi­ra­ti­ve Or­ga­ni­sie­rung führ­te dann zur ein­gangs er­wähn­ten, jüngs­ten De­mons­tra­ti­on und ist die ein­zi­ge Per­spek­ti­ve, die der Bür­ger­be­we­gung noch offen stand – die in ihrer Bin­nen­lo­gik aber her­vor­ra­gend funk­tio­nier­te.

 

Zu­sam­men­fas­send ist fest­zu­hal­ten, dass die Bür­ger­be­we­gung durch kon­spi­ra­ti­ve Or­ga­ni­sie­rung zu einer ei­gen­stän­di­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur mit engen Ver­knüp­fun­gen in die Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ge­wach­sen ist. Ihr Um­feld ist be­reit, mi­li­tant und ge­walt­tä­tig vor­zu­ge­hen, gleich­zei­tig wird auf eine öf­fent­li­che Wahr­neh­mung als po­li­ti­scher An­sprech­part­ner gro­ßen Wert ge­legt. Die the­ma­ti­sche Ver­brei­te­rung zeigt deut­lich, dass die Grup­pe auch lang­fris­tig eine Per­spek­ti­ve ent­wi­ckeln will, be­stim­men­de Struk­tur der Ex­tre­men Rech­ten in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf zu wer­den.

 

Eine Bür­ge­rin­nen­be­we­gung?

 

(Foto: Da­nie­la Fröh­lich als Gast-​Red­ne­rin der Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf auf einer Kund­ge­bung der DIE RECH­TE in Oder­berg am 16.​11.​13 / Quel­le: Theo Schnei­der)  

Eine der in­ter­es­san­tes­ten Fest­stel­lun­gen in den letz­ten Mo­na­ten ist die hohe An­zahl der ak­ti­ven Frau­en*[114] im in­ne­ren Kreis der Bür­ger­be­we­gung. Da­nie­la Fröh­lich hat in ihrer po­li­ti­schen „Kar­rie­re“ als ehe­ma­li­ge Füh­re­rin der „Ka­me­rad­schaft Mahls­dorf“[115] schon immer eine be­stim­men­de Po­si­ti­on in­ne­ge­habt und zen­tra­le Auf­ga­ben z.B. der An­ti-​An­ti­fa-​Ar­beit über­nom­men. Sie weist einen hohen Ver­net­zungs­grad auch auf na­tio­na­ler Ebene auf.[116] In der Bür­ger­be­we­gung hat sie ähn­lich eine ex­po­nier­te Po­si­ti­on: sie tritt als of­fi­zi­el­le Ver­tre­te­rin der Bür­ger­initia­ti­ve wäh­rend einer Kund­ge­bung in Oder­berg auf, sie hält Reden und fun­giert als recht­li­che Ver­samm­lungs­lei­te­rin auf Ver­an­stal­tun­gen. Diese or­ga­ni­sa­to­ri­sche Füh­rungs­po­si­ti­on scheint ihr auch nie­mand strei­tig ma­chen zu wol­len. Hinzu kommt ihre Ak­ti­vi­tät auf der Face­book-​Sei­te: unter dem Pseud­onym „Helle Göre“ schreibt sie lange Bei­trä­ge, die immer wie­der offen Bezug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus oder der an­ti­de­mo­kra­ti­schen Be­we­gung der Wei­ma­rer Re­pu­blik neh­men. Gleich­zei­tig zeigt sie auch hohes In­ter­es­se an den ver­schie­de­nen In­sti­tu­tio­nen, die rech­te Po­li­tik ge­ra­de ge­stal­ten. Ihre Be­we­gungs­kri­tik an der Ex­tre­men Rech­ten bringt sie auf der Seite oft zum Aus­druck, macht sich viele Ge­dan­ken um das Ver­hält­nis von NPD und AfD, ho­no­riert das ge­sell­schafts­fä­hi­ge Auf­tre­ten letz­te­rer, kri­ti­siert aber die Ver­wäs­se­rung rech­ter Po­si­tio­nen. Ins­ge­samt zeigt sich eine deut­li­che Vor­bil­dung durch die „Neue Rech­te“, zu­gleich aber eine hohe Af­fi­ni­tät zur Be­we­gungs­rech­ten.[117] Es liegt nahe, dass Da­nie­la Fröh­lich in der Bür­ger­be­we­gung nicht nur eine or­ga­ni­sa­to­ri­sche, son­dern auch eine (mit-)be­stim­men­de ideo­lo­gi­sche Füh­rungs­funk­ti­on ein­nimmt.

 

Wei­te­re Ak­ti­vis­tin­nen, dar­un­ter Fran­zis­ka G., aus dem Kiez spie­len in der Bür­ger­be­we­gung eine tief­grei­fen­de Rolle und neh­men un­ter­schied­lichs­te Auf­ga­ben war, so tau­chen sie als Fo­to­gra­fin­nen auf, als Spä­he­rin­nen in der Nähe der Un­ter­kunft und auch als ak­ti­ve Ak­teu­rin in der Be­dro­hung von als links oder mi­gran­tisch wahr­ge­nom­me­nen Men­schen. Sie ste­hen in enger Ver­knüp­fung mit Mar­cel Ro­ckel und Kai Schus­ter. Auch als Red­ne­rin­nen tre­ten ei­ni­ge Frau­en* im Um­feld der Bür­ger­be­we­gung auf, nicht nur Da­nie­la Fröh­lich darf ans Mi­kro­phon, son­dern auch „be­sorg­te Müt­ter“ und an­de­re An­woh­ne­rin­nen, die eng mit der Bür­ger­be­we­gung ver­wo­ben sind. So kön­nen sie den Dis­kurs nicht nur mit­be­stim­men, son­dern auch schwer­punkt­mä­ßig set­zen – ein für die rech­te Szene be­mer­kens­wer­ter Um­stand. Hinzu kommt, dass die Front­trans­pa­ren­te auf De­mons­tra­tio­nen nicht aus­schließ­lich durch Män­ner ge­tra­gen wer­den, son­dern oft einen aus­ge­gli­che­nen An­teil der wahr­ge­nom­me­nen Ge­schlech­ter haben. Neben Da­nie­la Fröh­lich tritt auch Ines Teß­mer als recht­lich Ver­ant­wort­li­che für eine De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gung auf.

 

(Foto: Be­richt­er­stat­tung über Zschä­pe in di­ver­sen Me­di­en / Quel­le: In­ter­net)  

Diese weit­ge­hen­de or­ga­ni­sa­to­ri­sche Do­mi­nanz der be­tei­lig­ten Frau­en* führt immer wie­der zu einer struk­tu­rel­len Un­ter­schät­zung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur von Po­li­tik, Po­li­zei und teil­wei­se auch zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­teur_in­nen. So wer­den Na­zi­struk­tu­ren aus­schließ­lich als Män­ner­bün­de wahr­ge­nom­men, mit dem Um­kehr­schluss, dass dort, wo kein rei­ner Män­ner­bund be­steht, auch keine neo­na­zis­ti­sche Struk­tur ist. Hin­zu­kommt, dass es Frau­en* ten­den­zi­ell nicht zu­ge­traut wird, sich in der män­ner­las­ti­gen Szene durch­zu­set­zen, sie wer­den als Be­zie­hungs­part­ne­rin­nen ab­ge­stem­pelt und auf ihre fa­mi­liä­re oder se­xu­el­le Funk­ti­on für Na­zi­ka­der re­du­ziert, was sehr of­fen­sicht­lich an der me­dia­len Rolle von Beate Zschä­pe wurde, die von Be­ginn an auf ihre Rolle als Ge­lieb­te von Bön­hardt und Mund­los auf­ge­fasst wurde und deren Klei­dung eine der wich­tigs­ten The­men bei Pro­zess­be­ginn des NSU-​Pro­zes­ses war.[118] Gleich­zei­tig ver­sucht die An­kla­ge im Pro­zess nach­zu­wei­sen, dass Zschä­pe eine gleich­be­rech­tig­te Part­ne­rin im so­ge­nann­ten „Ter­ror­trio“ ist.[119] Beate Zschä­pe wird auch als po­si­ti­ve Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur für Na­tio­nal­so­zia­lis­tin­nen re­zi­piert, so sagte Maria Fank in einer Art „Na­tio­na­len Koch­sen­dung“: „Ich treib mich über­all mal rum, das ist wie so mit dem Zschä­pe-​Mo­bil.“[120]

 

Ein Er­klä­rungs­mo­dell für die Un­tä­tig­keit der Po­li­zei, ins­be­son­de­re der für Mar­zahn-​Hel­lers­dorf zu­stän­di­gen Di­rek­ti­on 6 – in ge­sell­schaft­li­chen Dis­kur­sen weder auf der Höhe der Zeit noch in­tel­lek­tu­ell die­sen An­for­de­run­gen ge­wach­sen – ist ein struk­tu­rell se­xis­ti­sches Er­mitt­lungs­mo­dell. Man traut den Frau­en* ein mi­li­tan­tes Vor­ge­hen ten­den­zi­ell nicht zu, er­mit­telt wahr­schein­lich nur gegen die Män­ner*. „Dabei neh­men Frau­en in der rech­ten Szene längst alle mög­li­chen Rol­len ein. Es gebe Vor­den­ke­rin­nen wie Mit­läu­fe­rin­nen, Ge­walt­tä­ti­ge wie so­zi­al En­ga­gier­te, Fa­na­ti­ke­rin­nen, sie­ben­fa­che Müt­ter oder pro­mo­vier­te Kar­rie­re­frau­en.“[121] Auch die Bür­ger­be­we­gung als Struk­tur wird so durch Po­li­tik und Er­mitt­lungs­be­hör­den nicht als ten­den­zi­ell mi­li­tan­ter Ver­bund wahr­ge­nom­men, da Frau­en* ein fried­fer­ti­ges Image trans­por­tie­ren und sie als mä­ßi­gen­der und ent­mi­li­ta­ri­sie­ren­der Fak­tor ge­gen­über Män­nern* wahr­ge­nom­men wer­den.[122]

 

Und so ist die Ak­zep­tanz der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne ge­gen­über der Bür­ger­be­we­gungs­struk­tur hoch, auch, weil ihnen mit Maria Fank seit Jah­ren die Be­zie­hungs­part­ne­rin von Se­bas­ti­an Schmidtke als kon­zep­tu­ell-​po­li­ti­sche Gleich­be­rech­ti­gung prä­sen­tiert wurde. Fank nimmt nicht nur zen­tra­le öf­fent­li­che Auf­ga­ben als Red­ne­rin und In­ter­view­part­ne­rin wahr und setzt damit die Dis­kurs-​Schwer­punk­te, sie kann es sich auch er­lau­ben, aus ihrer Tren­nung von Se­bas­ti­an Schmidkte ein Po­li­ti­kum zu ma­chen – er ver­tritt Po­si­tio­nen, die sie als zu weich er­ach­tet.[123] Ein Be­weis für ihren (po­li­ti­schen) Rück­halt in der Szene, aber auch für eine sich ver­än­dern­de Ge­schlechter­hier­ar­chie in der Ber­li­ner Na­zi­sze­ne. In Hel­lers­dorf wie­der­um macht Da­nie­la Fröh­lich als Kader der Bür­ger­be­we­gung alles nach klas­si­scher neo­na­zis­ti­scher Vor­stel­lung[124] rich­tig, sie ist völ­kisch or­ga­ni­siert, weiß sehr wohl um ihre Pflich­ten als Frau und zieht min­des­tens zwei Kin­der auf.

 

Nicht zu­letzt kön­nen Frau­en* aus Sicht der Nazis ei­ni­ge The­men plau­si­bler ver­tre­ten: die Sorge um ihre Kin­der, die Be­läs­ti­gung durch Über­grif­fe an­geb­li­cher „wil­der“ Mi­gran­t_in­nen, die Für­sor­ge ge­gen­über den so­zia­len Pro­blem­fäl­len des „ei­ge­nen Volks“. Darin ord­ne­te sich auch das Thema der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on am Pfingst­sonn­tag ein, der se­xu­el­le Über­griff auf eine Frau. Die Nazis hoben her­vor, dass es ein „mi­gran­ti­scher“ Täter ge­we­sen sei, wäh­rend die Be­trof­fe­ne „deutsch“ ge­we­sen wäre und er­klär­ten das zu einem struk­tu­rel­len Pro­blem. Gleich­zei­tig steht seit Mo­na­ten auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung eine Ver­ge­wal­ti­gungs­dro­hung gegen eine ver­meint­li­che an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­tin, un­wi­der­spro­chen und als an­schei­nend le­gi­ti­mer Teil der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung. Daran wird klar er­kenn­bar, dass den Nazis nicht der fe­mi­nis­ti­sche Zu­gang, der die Be­trof­fe­ne und die Grenz­über­schrei­tung in den Mit­tel­punkt stellt, the­ma­tisch na­he­liegt, son­dern es ein tä­ter­zen­trier­tes Bild einer Grenz­über­schrei­tung gibt, die Mo­ti­va­ti­on und ver­meint­li­che Na­tio­na­li­tät des Tä­ters the­ma­ti­siert. Es wird letzt­end­lich zwi­schen „guten“ und „schlech­ten“ Tä­tern ent­schie­den und damit gleich­zei­tig eine Le­gi­ti­ma­ti­ons­ba­sis für ge­recht­fer­tig­te und un­ge­recht­fer­tig­te Grenz­über­schrei­tun­gen ge­schaf­fen. Die struk­tu­rel­len Pro­ble­me, die in der Bin­nen­lo­gik der Nazis er­ge­ben, set­zen ein ras­sis­ti­sches Ge­schlech­ter­bild vor­aus, also eines, dass ihnen auf­grund ihrer an­ge­nom­me­nen ge­ne­ti­schen oder kul­tu­rel­len Her­kunft be­stimm­te se­xua­li­sier­te Ei­gen­schaf­ten zu­schreibt. Die Ar­gu­men­ta­ti­on der Nazis, dass die zu­ge­schrie­be­ne Her­kunft eines Tä­ters das zen­tra­le struk­tu­rel­le Pro­blem von Über­grif­fen sei, wird spä­tes­tens dann als ras­sis­ti­sche Hetze ent­tarnt, wenn in der Be­schäf­ti­gung mit der The­ma­tik of­fen­sicht­lich wird, dass sich der über­wie­gen­de Teil von Grenz­über­schrei­tun­gen im di­rek­ten Um­feld, z.B. der Fa­mi­lie, ab­spielt.[125]

 

BIMH e.V. und der IGA-​2017-​Pro­test – Na­tur­schutz ist Hei­mat­schutz?

 

Wäh­rend nach dem Dis­kurs über die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung sich auf Sei­ten der or­ga­ni­sier­ten Na­tio­nal­so­zia­lis­t_in­nen die Ziel­rich­tung in die in­te­gra­ti­ve „Weh­ret den An­fän­gen“-​Kam­pa­gne als the­ma­ti­sche Ver­bei­te­rung ge­wan­delt hat, ent­wi­ckel­te sich par­al­lel im Be­zirk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf ein Auf­re­ger­the­ma, dem sich eine an­de­re Frak­ti­on der Ras­sis­t_in­nen zu­wand­te: die In­ter­na­tio­na­le Gar­ten-​Aus­stel­lung wird 2017 im Be­zirk statt­fin­den und ein Teil des Wuh­le­tal-​Ge­bie­tes wird dafür deut­li­chen Ver­än­de­run­gen und Um­bau­ar­bei­ten un­ter­lie­gen. Un­ter­schied­li­che In­itia­ti­ven or­ga­ni­sie­ren Pro­test gegen das Groß­vor­ha­ben, dar­un­ter auch ein alter Be­kann­ter: André Kie­bis und seine „Bür­ger­initia­ti­ve für ein le­bens­wer­tes Mar­zahn-​Hel­lers­dorf e.V.“ – kurz BIMH e.V.

Nach­dem Kie­bis im ver­gan­ge­nen Som­mer of­fen­siv als füh­ren­des Mit­glied der Bür­ger­initia­ti­ve be­nannt wurde[126] und unter er­heb­li­chem ge­sell­schaft­li­chen Druck stand, tauch­te er nach dem Ein­zug der Ge­flüch­te­ten meh­re­re Tage ab. In der Zwi­schen­zeit hatte er an­ti­fa­schis­ti­sche In­ter­ven­tio­nen zu spü­ren be­kom­men, die Po­li­zei durch­such­te im Au­gust seine Woh­nung und er ver­lor sei­nen Job als In­for­ma­ti­ker beim lo­ka­len Job­cen­ter.[127] Als er Ende Au­gust 2013 wie­der an die Öf­fent­lich­keit trat, prä­sen­tier­te er eine Ab­spal­tung zur ori­gi­na­len Bür­ger­initia­ti­ve, den BIMH e.V. – damit woll­te er sich von den kon­spi­ra­ti­ven Na­zi­struk­tu­ren dis­tan­zie­ren, ohne ras­sis­ti­sche po­li­ti­sche Tä­tig­keit auf­ge­ben zu müs­sen. Aber auch diese Um­for­mung in ein le­ga­lis­ti­sches Pro­jekt wurde schnell the­ma­ti­siert: zu of­fen­sicht­lich waren be­ken­nen­de Nazis wie Micha­el Engel[128] im Vor­stands­team sei­nes Ver­eins ver­an­kert, zudem gab es kei­nen kla­ren Bruch mit sei­ner Ver­gan­gen­heit und keine Auf­klä­rung über die hin­ter der Bür­ger­initia­ti­ve ste­hen­den Struk­tu­ren.[129] Und es wurde auch deut­lich: der Ver­ein woll­te wei­ter­hin die Aus­ge­stal­tung der Un­ter­kunft auf die Ta­ges­ord­nung set­zen, die im Mai 2014 er­folg­te Auf­sto­ckung von 200 auf 400 Be­woh­ner_in­nen ver­hin­dern. Und so blieb der Ver­ein und André Kie­bis als per­so­na non grata aus dem be­zirks­po­li­ti­schen Ge­sche­hen aus­ge­schlos­sen. Fas­sungs­los stand er in der BVV, in der seine Fra­gen[130] – wie auch bei den NPD­lern üb­lich – mög­lichst kurz, kühl und nur im engs­ten Rah­men be­ant­wor­tet wurde, unter Trä­nen da und frag­te: „Warum hasst ihr mich ei­gent­lich?“ – Das dürf­te ihm einen Ein­blick in das vom ihm durch die Or­ga­ni­sa­ti­on der Hetze ver­ur­sach­te Leid ge­ge­ben haben, das sich noch heute durch Aus­gren­zung und Hetz­jag­den auf Ge­flüch­te­te im Be­zirk mas­siv deut­lich macht.

 

Der BIMH e.V. be­stand an­fangs aus 17 Per­so­nen[131], die sich aber schon nach zwei Mo­na­ten er­neut spal­te­ten. Der Streit, der bis in den Vor­stand reich­te, führ­te dazu, dass ei­ni­ge Ver­eins­mit­glie­der (dar­un­ter Isa­bell Fraun­dör­fer und Sa­scha N.) sich wie­der den Nazis der Bür­ger­be­we­gung zu­wand­ten, weil Kie­bis an­schei­nend nicht ge­willt war, sich wei­ter mit der The­ma­tik der Un­ter­kunft zu be­schäf­ti­gen. Er fing an, in­ten­si­ver sich mit der IGA aus­ein­an­der­set­zen, in der er die glei­chen Punk­te wie bei der Ein­rich­tung der Un­ter­kunft mo­nie­ren konn­te, wäh­rend das Thema un­ver­däch­tig und z.T. von links be­setzt blieb: feh­len­de Bür­ger­be­tei­li­gung, „Wir-​ge­gen-​die-​da-​oben“-​Pro­test und an­geb­li­che Steu­er­ver­schwen­dung. Trotz­dem stell­te er fest, dass er kei­nen Fuß in die Tür bekam. Die­je­ni­gen, die über­haupt mit ihm spra­chen, hat­ten auf­grund ei­ge­ner In­vol­viert­heit kein In­ter­es­se an der IGA-​The­ma­tik und dem Pro­test. Par­al­lel dazu be­gann er um den Jah­res­wech­sel herum, die Ge­scheh­nis­se des Som­mers aus sei­ner Sicht auf­zu­ar­bei­ten und nann­te den Blog pas­sen­der­wei­se „Die Ab­rech­nung“. Hier stell­te er zwar keine In­for­ma­tio­nen über die Nazis zur Ver­fü­gung, aber mein­te, ver­schie­de­ne Be­zirks­po­li­ti­ker mit Hetz­ti­ra­den und An­schul­di­gun­gen zu über­zie­hen. In die­ser Zeit hat er wei­ter­hin Kon­takt zur Bür­ger­be­we­gung, Kai Schus­ter und Fran­zis­ka G. kom­men­tie­ren freund­schaft­lich auf sei­ner Seite, er grün­det ein di­gi­ta­les „Netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“, in der mit Kai Schus­ter und dem Tarn-​Ac­count „Helle Göre“ zwei Kader der Bür­ger­be­we­gung ver­tre­ten waren.[132]Er ver­such­te auch gegen die Be­nen­nung als Ras­sist ge­richt­lich vor­zu­ge­hen – einen Pro­zess, den er haus­hoch ver­lor.[133] In der Folge stopp­te er auch seine Ab­rech­nungs-​Ak­ti­vi­tä­ten und zog sich wei­test­ge­hend aus dem öf­fent­li­chen di­gi­ta­len Leben zu­rück. Er taucht spo­ra­disch in der BVV auf und knüpf­te in der IGA-​Sa­che ei­ni­ge Kon­tak­te, lässt aber z.Z. keine Ak­ti­vi­tä­ten in Sa­chen Un­ter­kunft oder Asyl­fra­gen er­ken­nen. Zu­sam­men mit Mar­cel K. und Vi­vi­en M. be­ar­bei­tet er die The­ma­tik. So­lan­ge er noch kann, spa­ziert er mit sei­nem Hund Max über den Kien­berg, oft ein­sam und al­lei­ne.

 

Eine kurze Be­trach­tung zu den IGA-​Pro­tes­ten sei aber noch er­laubt: oft re­pro­du­zie­ren sie be­stimm­te Vor­stel­lung einer „Hei­mat“, hier Hel­lers­dorf, die in ihrem Cha­rak­ter er­hal­ten wer­den müss­te. Diese pro­ble­ma­ti­sche Her­kunfts­vor­stel­lung von un­ab­än­der­li­chen Ei­gen­schaf­ten, die einem Ge­biet zu­ge­schrie­ben wer­den füh­ren in der Folge oft auch zu einer Zu­schrei­bung von Her­kunfts­merk­ma­len der in ihr le­ben­den Men­schen. Hin­zu­kommt, dass die Ar­gu­men­ta­ti­ons­füh­rung des BIMH e.V., aber auch an­de­rer Ak­teu­re, sich als ty­pi­siert-​rech­te Kri­tik der Mo­der­ne und Hin­wen­dung zum völ­ki­schen Na­tur­ver­ständ­nis gibt[134]: es wer­den „fu­tu­ris­ti­sche Kon­struk­ti­on[en]“ be­män­gelt, die einer „un­be­rühr­te[n] Natur“ ent­ge­gen­ste­hen wür­den.[135]So ist Na­tur­schutz dann auch manch­mal Hei­mat­schutz. Auch des­we­gen schien es wohl den Nazis der Bür­ger­be­we­gung statt­haft, eben­falls in ei­ni­ge, we­ni­gen Bei­trä­gen zur The­ma­tik auf den Pro­test­zug mit auf­zu­sprin­gen. Es ist frei­lich nicht die ein­zi­ge Ar­gu­men­ta­ti­ons­li­nie, und so fin­den sich auch bei der BIMH linke Ar­gu­men­ta­tio­nen wie der sys­te­ma­ti­sche Aus­schluss ver­mö­gen­lo­ser Men­schen von „Le­bens­qua­li­tät“, die Grün­flä­chen dar­stel­len.

 

(Foto: Screen­shot der Face­book-​Sei­te „Wilde Wer­wöl­fe Wuh­le­tal“)  

Wel­che ab­sur­de Blü­ten die The­ma­tik trägt, merkt man an der Ein­rich­tung der Face­book-​Sei­te „Wilde Wer­wöl­fe Wuh­le­tal“, als Pro­fil­bild eine Wolfs­an­gel trägt. Die Wolfs­an­gel ist eine be­lieb­te, my­tho­lo­gisch auf­ge­la­de­ne ger­ma­ni­sche Rune, deren Ver­wen­dung in der Bun­des­re­pu­blik wegen ihrer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­gan­gen­heit nach §86a StGB ver­bo­ten ist. Hinzu kommt, dass so­ge­nann­te „Wer­wöl­fe“ als pa­ra­mi­li­tä­ri­sche Un­ter­grund-​ und Wi­der­stands­grup­pe der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges ver­such­ten, gegen die al­li­ier­ten Be­frei­er vor­zu­ge­hen.[136] Auch ihr Er­ken­nungs­zei­chen war die Wolfs­an­gel. Unter den drei Pro­fil­ver­knüp­fun­gen be­fin­det sich der Imker Paul Bie­ber, der unter sei­nem Face­book-​Pseud­onym „Paul Su­per­droh­ne“ die Bei­trä­ge der Seite teilt und au­ßer­dem ras­sis­ti­sche Kom­men­ta­re auf der Seite der Bür­ger­be­we­gung hin­ter­lässt. Er ist in der Ver­gan­gen­heit als Schnitt­stel­le zwi­schen dem BIMH e.V., der Bür­ger­be­we­gung und dem IGA-​Pro­test auf­ge­fal­len und hat ein ge­fes­tig­tes ras­sis­ti­sches und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sches Welt­bild. Seine Im­ker­tä­tig­keit kann er pi­kan­ter­wei­se auf dem Dach des Rat­hau­ses Mar­zahn-​Hel­lers­dorf füh­ren[137], die Be­zirks­ver­wal­tung hat trotz Hin­wei­sen auf sei­nen Hin­ter­grund an­schei­nend kein Pro­blem, die Tä­tig­kei­ten eines über­zeug­ten NS-​Fa­na­ti­kers zu un­ter­stüt­zen.

 

Face­book und di­gi­ta­le Mei­nungs­frei­heit

 

Der an­ti­ras­sis­ti­sche Pro­test gegen die Bür­ger­be­we­gung und ihre Nut­zer_in­nen und das auf ihrer Seite statt­fin­den­de an­dau­ern­de On­line-​Po­grom aus ras­sis­ti­scher Hetze fand zu einem be­trächt­li­chen Teil eben­falls im di­gi­ta­len Raum statt. Tau­sen­de Men­schen aus der gan­zen Bun­des­re­pu­blik zeig­ten ihre So­li­da­ri­tät, in dem sie mit Mel­dun­gen ras­sis­ti­scher Bei­trä­ge und Kom­men­ta­re an Face­book ver­such­ten, die Seite vom Netz zu neh­men und ihre Nut­zer_in­nen zu sper­ren und bei der Po­li­zei an­zu­zei­gen. Das funk­tio­nier­te mal mehr, mal we­ni­ger gut, es führ­te dazu, dass die Ad­mi­nis­tra­tor_in­nen oft über Stun­den kein Zu­griff auf die Seite hat­ten und im End­ef­fekt meh­re­re Ver­sio­nen der Bür­ger­initia­ti­ve ge­löscht wur­den. In den al­ler­meis­ten Fäl­len wurde aber durch die ma­nu­el­le Mo­de­ra­ti­on von Face­book nicht re­gu­lie­rend ein­ge­grif­fen, was für viele zu un­gläu­bi­gen Ent­set­zen führ­te, das in Frus­tra­ti­on mün­de­te. Ganz klar als straf­bar ein­zu­stu­fen­de Kom­men­ta­re blie­ben über Mo­na­te on­line.

 

An­ders als eine staat­li­che Be­hör­de ist Face­book als Un­ter­neh­men in Deutsch­land nicht zur Mei­nungs­frei­heit und Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Ein Pro­blem scheint die un­ter­schied­li­che Ver­fas­sungs­rechts­kul­tur zu sein, die sich in den USA an­ders dar­stellt: dort sind Scha­dens­er­satz­sum­men wegen Ver­stö­ßen gegen die Ver­fas­sung und ihre Zu­sät­ze grund­sätz­lich auch von pri­va­ten Un­ter­neh­men ein­klag­bar.[138] Zudem hat die USA eine viel um­fang­rei­che­re Vor­stel­lung von Mei­nungs­frei­heit und das Prin­zip der prak­ti­schen Kon­kor­danz von Ver­fas­sungs­rech­ten ist dort weit­ge­hend un­be­kannt.

Das nimmt Face­book aber nicht aus der Ver­ant­wor­tung. Das Un­ter­neh­men hat deut­sche Mit­ar­bei­ter_in­nen in der Mo­de­ra­ti­on sit­zen, die durch­aus mit der deut­schen Spe­zi­fik und der Sen­si­bi­li­tät, die es ge­gen­über na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen und ras­sis­ti­schen Agi­ta­tio­nen geben muss, um­zu­ge­hen wis­sen. Face­book hat aber auch ein an­de­res Pro­blem: sein öko­no­mi­scher Grund­stein ist die Nut­zer_in­nen-​Zahl und die Frage, wie viel Zeit diese auf der Platt­form ver­brin­gen. Das bringt Ein­blen­dun­gen von Wer­bung und damit Geld. Jeder Klick mehr zeigt mehr Wer­bung an. Jeder neue Kom­men­tar, der ge­le­sen wer­den muss, be­deu­tet, dass die Seite auch neue Wer­bung laden kann, die sie den Nut­zer_in­nen an­zei­gen kann. Das be­deu­tet aber auch in der Kon­se­quenz: jede The­ma­tik, die viele Men­schen ge­gen­ein­an­der auf­bringt, ist eine Gold­gru­be für Face­book. Denn je mehr Zeit die ver­schie­de­nen Lager auf Face­book damit ver­brin­gen, ar­gu­men­ta­tiv zu kom­men­tie­ren, sich Pro­fi­le an­zu­schau­en, zu mo­de­rie­ren oder Dis­kus­sio­nen zu ver­fol­gen, desto mehr ver­dient Face­book an der Sache. Em­pö­rung, das ist big money!

 

Darum hat Face­book gar kein In­ter­es­se daran, ras­sis­ti­sche De­bat­ten ab­zu­schal­ten. Das un­ter­schei­det sie von rei­nen Web­hos­ting-​Platt­for­men, die nur ihren Web­s­pace ver­kau­fen wol­len und deren Kos­ten-​Nut­zen-​Rech­nung viel ein­fa­cher ist und wo es dem­nach leich­ter ist, Sei­ten aus dem Netz zu krie­gen. Es liegt in Face­books ur­ei­ge­nem In­ter­es­se, dass diese De­bat­ten auf ihrer Platt­form ge­führt wer­den. Wenn die De­bat­ten au­ßer­halb des In­ter­nets ge­führt wer­den, ver­dient Face­book kein Geld. Wenn die De­bat­ten im In­ter­net, aber nicht auf Face­book ge­führt wer­den, ver­dient Face­book kein Geld und was noch viel schlim­mer für das Un­ter­neh­men ist: die Kon­kur­renz wird ge­stärkt.

Des­we­gen wird es Zeit, den Pro­test gegen Face­book dort zu füh­ren, wo sie ihn nicht kon­trol­lie­ren und auch nicht von ihm pro­fi­tie­ren kön­nen: auf der Stra­ße und in ei­ge­nen, di­gi­ta­len Netz­wer­ken unter pro­fit-​un­ab­hän­gi­ger, kol­lek­ti­ver Ver­wal­tung und mit of­fe­nem Quell­code. Dem Un­ter­neh­men müs­sen die Gren­zen auf­ge­zeigt wer­den – dort wo mit dem Leid von Ge­flüch­te­ten Geld ver­dient wird, indem be­reit­wil­lig die Platt­form für den ras­sis­ti­schen Dis­kurs und die ras­sis­ti­sche Ver­net­zung zur Ver­fü­gung ge­stellt wird (die ihre Über­set­zung zwangs­läu­fig in das Leben der Ge­flüch­te­te fin­det, wie die zahl­lo­sen An­schlä­ge bun­des­weit zei­gen[139]), dort muss Wi­der­stand er­fol­gen und eine an­ti­ras­sis­ti­sche und an­ti­fa­schis­ti­sche In­ter­ven­ti­on er­fol­gen. Und es muss of­fen­siv dar­über nach­ge­dacht wer­den, wie So­zia­le Netz­wer­ke wie Face­book, Twit­ter & Co. der Pro­fit­lo­gik ent­zo­gen und ver­ge­sell­schaf­tet wer­den kön­nen.

 

Un­fä­hig­keit gegen Rechts – Lo­kal­po­li­tik, Be­zirk und Land: Hand in Hand!

 

Die In­ter­ven­ti­ons­ver­su­che der Of­fi­zi­al-​Ak­teur_in­nen nach dem Bezug der Un­ter­kunft und den ras­sis­ti­schen Aus­schrei­tun­gen waren wei­test­ge­hend zum Schei­tern ver­ur­teilt, auch, weil es an einer ver­nünf­ti­gen Ana­ly­se und hand­lungs­fä­hi­gen Per­spek­ti­ve fehl­te. Die Re­ak­ti­on nach den Er­fah­run­gen des „Brau­nen Diens­tags“ waren rein auf die In­for­ma­ti­on der An­woh­ner_in­nen ge­rich­tet: es soll­te ziel­ge­rich­te­ter und ge­steu­ert über die ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen in­for­miert wer­den. So­wohl die Be­zirks­ver­wal­tung als auch die Ko­or­di­nie­rungs­stel­le POLIS haben bis heute eine ver­fes­tig­te Struk­tur der Ex­tre­men Rech­ten nicht er­kannt, ob­wohl die not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen dazu seit Be­ginn vor­lie­gen. Gleich­zei­tig hat man sich nur lang­sam zu dem Be­kennt­nis der ras­sis­ti­schen Grund­hal­tung vie­ler An­woh­ner_in­nen durch­rin­gen kön­nen, lange Zeit wird der ge­sell­schaft­li­che Ras­sis­mus in sei­ner Hel­lers­dor­fer Aus­prä­gung nicht an­er­kannt oder zu­min­dest ver­harm­lost.

 

Ent­schei­dend dafür war auch, dass die Se­nats­ver­wal­tung weder im Be­reich So­zia­les noch im Be­reich In­ne­res eine Vor­stel­lung davon ent­wi­ckel­te, was in Hel­lers­dorf ei­gent­lich vor sich ging. Auf par­la­men­ta­ri­sche Nach­fra­gen gab man sich in den letz­ten 12 Mo­na­ten wei­test­ge­hend ah­nungs­los oder ver­wies auf „lau­fen­de Er­mitt­lun­gen“, die aber bis­her nicht in Pro­zes­se mün­de­ten. Trotz der bun­des­wei­ten Auf­merk­sam­keit gab es keine Be­stre­bun­gen der par­la­men­ta­ri­schen Re­gu­lie­rung, Über­le­gun­gen zur ge­ne­rel­len Ein­rich­tung von „Bann­mei­len“ um Un­ter­künf­te für Asyl­be­wer­ber_in­nen wur­den wie­der ver­wor­fen.[140] Auch die Haus­halts­ver­hand­lun­gen lie­ßen sich durch die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung nicht wei­ter be­ein­dru­cken, die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Pro­gram­me in dem Be­reich wur­den nicht im ex­pli­zi­ten Hin­blick auf Hel­lers­dorf dis­ku­tiert, ein fi­nan­zi­el­ler Aus­bau der zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Mit­tel fand nicht statt.[141]

In der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf wurde nur zö­ger­lich über The­men, die die Un­ter­kunft und die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung be­tra­fen, ge­spro­chen. Ei­ner­seits woll­te man den NPD­lern in der BVV weder Mög­lich­keit zur Hetze geben (diese zeig­ten auch wenig En­ga­ge­ment der ei­ge­nen Po­si­tio­nie­rung), noch mit In­for­ma­tio­nen ver­sor­gen. An­de­rer­seits ist der par­tei­über­grei­fen­de Kon­sens, der in einer ge­mein­sa­men Stel­lung­nah­me mün­de­te[142], zur un­be­ding­ten So­li­da­ri­tät ge­gen­über den Ge­flüch­te­ten und der Not­wen­dig­keit der Ein­rich­tung der Un­ter­kunft ein sehr brü­chi­ger ge­we­sen. Auf der Seite der SPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf tauch­te noch im Au­gust 2013 eine Stel­lung­nah­me des Lan­des­po­li­ti­kers Sven Kohl­mei­er auf, ex­pli­zit von der lo­ka­len SPD un­ter­stützt, der die­sen Kon­sens at­ta­ckier­te: man müsse über die Re­du­zie­rung der Be­le­gung nach­den­ken und die rest­li­chen Ge­bäu­de der Un­ter­kunft für so­zia­le Pro­jek­te öff­nen.[143] Damit lag er genau auf der Linie der Rechts­po­pu­lis­t_in­nen und der ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen, die ei­ner­seits die Auf­sto­ckung der Be­le­gung ver­hin­dern woll­ten und an­de­rer­seits die Ein­rich­tung von mehr so­zia­ler In­fra­struk­tur „für Deut­sche“ for­der­ten. Nur mit Mühe und Not konn­te die Lo­kal­po­li­tik den Eklat ver­hin­dern und zu einer ge­mein­sa­men Linie zu­rück­fin­den, die wei­test­ge­hend von Schwei­gen ge­prägt ist – der kleins­te ge­mein­sa­me Nen­ner, so wie es scheint. Immer wie­der kam es zu Stel­lung­nah­men der Be­zirks­ver­bän­de ei­ni­ger Par­tei­en, wenn es wie­der An­schlä­ge oder Über­grif­fe gab, ihre Über­set­zung in An­trä­ge oder Hand­lungs­auf­for­de­run­gen ge­gen­über dem Be­zirks­amt fand diese Em­pö­rung je­doch nicht. Bis heute ist in der BVV wenig In­itia­ti­ve zu einem ef­fek­ti­ven Um­gang mit der Si­tua­ti­on zu spü­ren.

 

(Foto: Be­zirks­bür­ger­meis­ter Ste­fan Komoß [mit­tig, ste­hend] am „Brau­nen Diens­tag“ – 09.​07.​13 / Quel­le: Chris­ti­an Jäger)  

Auf Ebene der Be­zirks­ver­wal­tung ist die Un­tä­tig­keit ähn­lich aus­ge­stal­tet. Ste­fan Komoß, der schon am „Brau­nen Diens­tag“ in wi­der­li­cher Ex­tre­mis­mus­theo­rie eine Schuld bei „links und rechts“ such­te, die die An­woh­ner_in­nen auf­het­zen würde, wäh­rend deren „Sor­gen und Nöte“ ja ver­ständ­lich wären (und nicht etwa Aus­druck eines zu­tiefst ras­sis­ti­schen Welt­bilds), muss­te aus schwer­wie­gen­den ge­sund­heit­li­chen Grün­den sich über Mo­na­te zu­rück­zie­hen.[144] In der in­ten­si­ven Phase des Dis­kur­ses um die Un­ter­kunft lenk­te die So­zi­al­stadt­rä­tin Dag­mar Pohle den Be­zirk. Sie wurde schon früh zen­tra­les Feind­bild der Bür­ger­initia­ti­ve, André Kie­bis – zu dem Zeit­punkt noch mit den Nazis in einem Boot –be­dräng­te sie in einer Fra­ge­stun­de und zeich­ne­te heim­lich das Ge­spräch auf.[145] Pohle zeig­te sich in den dar­auf­fol­gen­den Wo­chen deut­lich be­dach­ter als Ste­fan Komoß, was die Be­ur­tei­lung der an­ti­ras­sis­ti­schen Ge­gen­mo­bi­li­sie­rung be­traf, zeig­te aber nach dem Ein­zug der Ge­flüch­te­ten wenig Sen­si­bi­li­tät, als es um die an­ti­ras­sis­ti­sche Mahn­wa­che ging: erst in Ver­hand­lun­gen zeig­te sie sich kom­pro­miss­be­reit, was eine ver­wal­tungs­recht­li­che Ak­zep­tanz der Mahn­wa­che an­ging. Stell­ver­tre­tend für die Be­zirks­ver­wal­tung for­mu­lier­te sie die zen­tra­le Pro­ble­ma­tik: nicht etwa die Be­las­tung der Ge­flüch­te­ten war ihr Pro­blem, son­dern die Stö­rung der An­woh­ner_in­nen. Die An­woh­ner_in­nen, die ei­ni­ge Tage zuvor mit Hit­ler­grü­ßen vor der Un­ter­kunft stan­den, hass­er­füll­te Pa­ro­len brüll­ten und vor­her be­reit­wil­lig jede ras­sis­ti­sche Ak­ti­on mit­tru­gen. Das Mit­leid der An­ti­ras­sis­t_in­nen hielt sich – ver­ständ­li­cher­wei­se – in Gren­zen. In den Ver­hand­lun­gen wurde aber ein zen­tra­ler Er­folg der an­ti­ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ab­ge­run­gen: in der di­rek­ten Um­ge­bung zur Un­ter­kunft soll­te ein Schutz­raum für Ge­flüch­te­te ent­ste­hen, in dem sie ei­gen­ver­ant­wort­lich eine Per­spek­ti­ve über das La­ger­le­ben und die feind­li­che At­mo­sphä­re der An­woh­ner_in­nen hin­aus ent­wi­ckeln konn­ten. Die­ses Pro­jekt trug die Be­zirks­ver­wal­tung bis­her er­freu­li­cher­wei­se mit und er­mög­licht damit den Ver­such einer neuen, bis­her wohl ein­zig­ar­ti­gen an­ti­ras­sis­ti­schen Pra­xis im deut­schen La­ger­sys­tem.

 

Als eine der we­ni­gen Be­zirks­ver­tre­ter_in­nen fand Dag­mar Pohle in der Re­tro­spek­ti­ve auch Worte des Dan­kes an an­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen, und dif­fe­ren­zier­te deut­lich zwi­schen der in­ter­ve­nie­ren­den und so­li­da­ri­schen Wir­kung der Ak­ti­vis­t_in­nen auf dem „Brau­nen Diens­tag“ und dem men­schen­feind­li­chen Cha­rak­ter der Ras­sis­t_in­nen und or­ga­ni­sier­ten Nazis – an­ders als Komoß. Auch die Frage nach den An­woh­ner_in­nen sieht sie in­zwi­schen dif­fe­ren­zier­ter und er­kennt die ras­sis­ti­schen Mo­ti­va­tio­nen des Pro­tes­tes; über die Ak­ti­vi­tä­ten des Pro­jek­tes POLIS be­fragt, äu­ßert sie sich hin­ge­gen nur sehr ver­hal­ten.[146] Das Credo der Be­zirks­ver­wal­tung blieb aber im Som­mer 2013 vor­erst: es gehe um Ruhe und Frie­den, auch für die Ge­flüch­te­ten, aber haupt­säch­lich für die an­geb­lich un­schul­di­gen An­woh­ner_in­nen, die unter der Si­tua­ti­on der vie­len De­mons­tra­tio­nen und der vie­len „frem­den“ Men­schen im Be­zirk lei­den wür­den. Immer wie­der setz­te sich das von Komoß be­schwo­re­ne Bild der zu­ge­reis­ten „Links-​ und Rechts­ex­tre­mis­ten“ fort. Damit wurde ei­ner­seits die po­li­ti­sche Le­gi­ti­ma­ti­on ab­ge­spro­chen, da beide Grup­pen gleich­be­rech­tigt in den Be­reich der un­de­mo­kra­ti­schen Rand­zo­ne der Ge­sell­schaft ver­frach­tet wur­den, ohne die ras­sis­ti­sche Grund­ein­stel­lung aus der Mitte der An­woh­ner_in­nen noch die ele­men­ta­ren Un­ter­schie­de eine lin­ken Men­schen­bil­des im Ge­gen­satz zum men­schen­feind­li­chen Ras­sis­mus der or­ga­ni­sier­ten Rech­ten als auch eben die­ser An­woh­ner_in­nen zu re­flek­tie­ren. Gleich­zei­tig wurde eine aus­gren­zen­de, iden­ti­tä­re Per­spek­ti­ve damit er­öff­net: die Be­schwö­rung des Hel­lers­dor­fer „Wir“ im Ge­gen­satz zu „Zu­ge­reis­ten“ wurde durch die Bür­ger­initia­ti­ve ge­nau­so be­dient wie durch die Be­zirks­ver­wal­tung, aus­ge­hend davon, dass nur die­je­ni­gen sich po­li­tisch ein­brin­gen dürf­ten, die im ent­spre­chen­den Be­zirk woh­nen wür­den, als sei Ras­sis­mus kein ge­samt­ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem. Und so wurde auch durch die Bür­ger­be­we­gung im Fol­gen­den immer wie­der be­tont, dass die An­woh­ner_in­nen gegen die „zu­ge­reis­ten Lin­ken“ aus Kreuz­berg ste­hen wür­den, der Be­zirk er­wei­ter­te diese Per­spek­ti­ve nur auf das ex­tre­mis­mus­theo­re­ti­sche „Links und Rechts“ gegen An­woh­ner_in­nen, die nur ihre Ruhe haben wol­len.

 

Als Ste­fan Komoß wie­der ins Amt zu­rück­kehrt, fällt ihm ein Zu­gang zur Si­tua­ti­on schwer. Immer wie­der be­tont er, dass Auf­merk­sam­keit für das Thema nur Auf­merk­sam­keit für die Rech­ten wäre. Er möch­te das Thema unter den Tisch keh­ren, Stel­lung­nah­men zu den An­schlä­gen kom­men nur halb­her­zig und ohne kon­kre­te Fol­gen. Für Ste­fan Komoß gibt es bis heute kein Pro­blem mit Na­zi­struk­tu­ren im Be­zirk, das Image ist schlecht genug, jede Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me würde be­deu­ten, zu­zu­ge­ben, dass der Be­zirk weder als Wirt­schafts-​ noch als Le­bens­mit­tel­punkt at­trak­tiv ist, wenn man nicht den Vor­stel­lun­gen der ras­sis­ti­schen Mehr­heit ent­spricht. Mar­zahn-​Hel­lers­dorf sei das Tor zur Welt, das möch­te man ver­mit­teln. Das es in der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on eher ein Na­del­öhr bleibt, wird weg­ge­lobt. Auch Stadt­rat Chris­ti­an Gräff (CDU) hat mit die­sem Span­nungs­feld zu kämp­fen. Zeit­gleich zur ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung 2013 wurde eine lange ge­plan­te Ima­ge­kam­pa­gne ge­launcht, deren Wir­kung durch die ne­ga­ti­ve Pres­se über den Asyl­dis­kurs weit­ge­hend im Nir­va­na ver­schwand.[147] Mar­zahn-​Hel­lers­dorf blieb der Brau­ne Be­zirk, aller Öf­fent­lich­keits­ar­beit zum Trotz. Auch die Kam­pa­gne von Kul­tur­stadt­rä­tin Ju­lia­ne Witt, die sich um Mar­zahn als neuen kul­tu­rel­len Hot­spot be­müht und dafür die In­fra­struk­tur der „Alten Börse“ un­ter­stützt[148], wird davon tor­pe­diert. Alle be­zirk­li­chen Ak­teur_in­nen sind über­vor­sich­tig und tap­pen dabei von einem Fett­näpf­chen ins nächs­te, so ent­brennt ein kur­zer, aber in­ten­si­ver Dis­kurs über Kunst­frei­heit und mus­li­mi­sche Re­li­gi­ons­vor­stel­lun­gen.[149] Nur lang­sam er­holt man sich auf be­zirk­li­cher Ebene von den Schä­den, die durch das Miss­ma­nage­ment des ras­sis­ti­schen Dis­kur­ses ent­stan­den sind, immer wie­der kommt es zu Rück­schlä­gen.

 

Zu die­sem Miss­ma­nage­ment ge­hört auch der weit­ge­hen­de Aus­schluss von un­be­que­men Struk­tu­ren: aus einem „Run­den Tisch“ wer­den nach und nach die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen In­itia­ti­ven aus­ge­schlos­sen, es ver­blei­ben nur noch Ver­wal­tung, Po­li­zei, Hoch­schu­le und Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten in dem ehe­ma­li­gen „Run­den Tisch“, aus die­ser Ko­or­di­nie­rung ent­ste­hen kaum noch re­le­van­te Pro­jek­te. Man ei­nigt sich förm­lich aufs Nichts­tun, möch­te sich aber auch kei­ner Kri­tik daran aus­set­zen. Nach Außen wird die Ver­net­zung an sich als Er­folg ge­fei­ert, Maß­nah­men kann man nicht prä­sen­tie­ren. Unter der Füh­rung der be­zirk­li­chen Ko­or­di­nie­rungs­stel­le gegen Rechts „POLIS“, ge­tra­gen durch SPI / Ost­kreuz[150], wird ver­sucht, die Hilfs­an­ge­bo­te vie­ler so­li­da­ri­scher An­woh­ner_in­nen zu bün­deln. Der Ver­such schlägt fehl: die An­ge­bo­te wer­den nie wahr­ge­nom­men, POLIS sitzt auf einem Hau­fen Kon­takt­da­ten, ohne dar­aus ein wirk­li­ches Hilfs­kon­zept zu ent­wi­ckeln. Gleich­zei­tig sug­ge­riert das An­ge­bot aber: „wen­det euch an uns, macht nichts al­lei­ne, wir küm­mern uns drum“. Und so wird viele so­li­da­ri­sche Struk­tur durch die Un­fä­hig­keit der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le be­gra­ben. Nach gut einem Jahr hat POLIS nur we­ni­ge Ar­beits­er­geb­nis­se vor­zu­wei­sen: man be­glei­tet die aus den Er­fah­run­gen des „Brau­en Diens­tags“ ent­stan­de­nen, ge­schlos­se­nen An­woh­ner_in­nen-​In­fo­ver­an­stal­tun­gen und be­rich­tet dar­über. Man stellt im Be­zirk ein aka­de­mi­sches Kon­zept gegen Ras­sis­mus und Men­schen­feind­lich­keit vor, das weit­ge­hend zahn­los bleibt und dar­über hin­aus nicht ein­mal eine spür­ba­re Um­set­zung fin­det. Schon im Vor­feld ru­mort es im Be­zirk, dass auch der ge­plan­te Jah­res­be­richt zur „De­mo­kra­tie­ent­wick­lung“ in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, der durch POLIS jähr­lich her­aus­ge­ge­ben wird, nur un­zu­rei­chend sei und nur ein Bruch­teil der Vor­komm­nis­se der je­weils un­ab­hän­gi­gen Chro­ni­ken von WuT oder der Re­gis­ter­stel­le der Hoch­schu­le um­fasst. Auch durch De­kon­struk­ti­on Ost wird immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Ko­or­di­nie­rungs­stel­le kom­pe­ten­ten Struk­tu­ren zu über­ge­ben sei und die Mit­tel bes­ser ver­wen­det wer­den könn­ten, als durch das über­aka­de­mi­sier­te Wir­ken von Dr. Bryant.[151]Die Kri­tik be­steht nicht an einer aka­de­mi­schen Per­spek­ti­ve, viel­mehr ist eine tief­grei­fen­de Ana­ly­se durch­aus als un­be­ding­te Vor­aus­set­zung für das Vor­ge­hen zu sehen. Nur eine prak­ti­sche Über­set­zung der, zudem noch un­zu­läng­li­chen, Ana­ly­se ver­bleibt nied­rig­schwel­lig. POLIS ver­öf­fent­lich schon bald nach dem Brau­nen Diens­tag ein 16-​sei­ti­ges Fact-​Sheet, um die Fra­gen der An­woh­ner_in­nen zu be­ant­wor­ten und um der ras­sis­ti­schen Hetze Fak­ten ent­ge­gen­zu­set­zen.[152] Wäh­rend an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen je­doch einen ei­ge­nen, kur­zen Falt-​Fly­er „Fak­ten gegen Vor­ur­tei­le“[153] mas­siv im Kiez um die Un­ter­kunft ver­tei­len und damit viele An­woh­ner_in­nen er­rei­chen, ver­bleibt die PO­LIS-​Pu­bli­ka­ti­on im Amts­ge­brauch und wird nur über Ämter und die In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen sowie auf den ver­wir­rend struk­tu­rier­ten In­ter­net­sei­ten des Be­zirks und von SPI ver­teilt. Man muss schon pro­ak­tiv da­nach su­chen, um die Pu­bli­ka­ti­on zu fin­den – ein Zu­ge­hen auf die An­woh­ner_in­nen fin­det nicht statt. Und schaut man sich dann das Pa­pier ge­nau­er an, ist man ei­ni­ger­ma­ßen ent­setzt über den Tenor der Fra­gen­be­ant­wor­tung: so wird nur an einer Stel­le die Bür­ger­initia­ti­ve er­wähnt, ohne ei­ner­seits ihren Kon­text als neo­na­zis­ti­sche Platt­form klar­zu­stel­len und an­de­rer­seits sich klar von ihr zu dis­tan­zie­ren und auf die Ge­fah­ren der ras­sis­ti­schen Hetze hin­zu­wei­sen.[154] Im Ge­gen­satz dafür wird viel Text dar­auf ver­wen­det, die an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen zu dis­kre­di­tie­ren und zu be­to­nen, dass die Be­zirks­ver­wal­tung alles in der Macht ste­hen­de tun würde, um sich gegen die – rich­ti­ge – Ana­ly­se über die ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­le der An­woh­ner_in­nen, die durch Me­di­en und An­ti­ras­sis­t_in­nen vor­ge­bracht wird, zu weh­ren. POLIS ge­riert sich zu die­sem Zeit­punkt als ar­gu­men­ta­ti­ver Hand­lan­ger der Nazis und wird zu einer Art „be­zirk­li­chen Ko­or­di­nie­rungs­stel­le gegen Links“. Auf diese Po­si­ti­on fal­len sie auch im Rück­blick zu­rück.[155]

 

Im Fe­bru­ar 2014 prä­sen­tiert POLIS das von ihnen er­ar­bei­tet „De­mo­kra­tie­kon­zept“ für den Be­zirk.[156] Es ver­bleibt in der Un­be­stimmt­heit: man möch­te mehr Ver­net­zung schaf­fen (Sport, Ju­gend­trä­ger, Schu­le), An­sprech­part­ner in der Wirt­schaft er­mit­teln und – noch mehr Theo­rie­ar­beit leis­ten. Hin­zu­kommt, dass man er­neut den „Sor­gen und Nöten“ der An­woh­ner_in­nen Raum geben will, in dem man als Re­ak­ti­on auf die Ent­wick­lun­gen des Som­mers 2013 ein Be­schwer­de­ma­nage­ment ein­rich­ten möch­te. Man fühlt sich auch hier in die 90er ver­setzt: Runde Ti­sche, ak­zep­tie­ren­de Ju­gend­ar­beit, Sport – das hat schon da­mals eher schlecht als recht funk­tio­niert.[157] Es fehlt an eine wich­ti­ge Er­kennt­nis: der offen zu Tage tre­ten­de Ras­sis­mus ist Teil der Hel­lers­dor­fer Le­bens­wirk­lich­keit. Und er be­trifft nicht nur Ju­gend­li­che, son­dern wird – auch auf die Stra­ße – maß­geb­lich von Er­wach­se­nen ge­tra­gen. Dem­ent­spre­chend ist die­ser Um­stand auch kon­zep­tu­ell nicht be­rück­sich­tigt, ge­fähr­det aber die Wir­kung der an­de­ren Ar­beits­fel­der. Ju­gend­li­che, die in der Schu­le über Ras­sis­mus be­lehrt wer­den, aber in ihren Fa­mi­li­en die „Aus­län­der­jagd“ als Frei­zeit­ge­stal­tung vor­ge­lebt be­kom­men, wer­den durch das Ras­ter der De­mo­kra­tie­ent­wick­lung wei­test­ge­hend durch­fal­len, ge­ra­de, wenn der vor­herr­schen­de Nar­ra­tiv ein an­ti­staat­li­cher und de­mo­kra­tie­fer­ner ist, in den Fa­mi­li­en die Vor­stel­lung vor­herrscht, dass Be­hör­den (wie Schu­len) und der Po­li­tik eh nicht zu trau­en sei. Die Um­set­zung des De­mo­kra­tie­kon­zep­tes von POLIS be­stand wahr­nehm­bar bis­her aus einem Fuß­ball­tu­nier.[158] Im Mai 2014 ver­öf­fent­licht SPI als Trä­ger für POLIS auch eine zu­sam­men­fas­sen­de Be­trach­tung der be­zirk­li­chen Ar­beit, die einen deut­li­chen Schwer­punkt auf Hel­lers­dorf legt. Darin wird deut­lich, dass sie durch­aus eine qua­li­ta­tiv nach­voll­zieh­ba­re Struk­tur­ana­ly­se des Be­zir­kes und sei­ner Be­woh­ner_in­nen haben[159], diese aber auf eine reine An­schluss­fä­hig­keit für ras­sis­ti­sche Welt­bil­der re­du­zie­ren und keine ei­ge­nen Er­kennt­nis­se über die alte und neue or­ga­ni­sier­te Rech­te im Be­zirk tref­fen kön­nen.

Ei­ner­seits wird klar, dass die Ana­ly­se von POLIS zu kurz fasst, sie näm­lich durch­ge­hend or­ga­ni­sier­te Na­zi­struk­tu­ren ver­kennt, an­de­rer­seits dass die Auf­ga­ben­stel­lung[160] der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le, die auch kon­kre­te Maß­nah­men gegen men­schen­feind­li­che Struk­tu­ren be­inhal­tet, nicht er­füllt wird. Viel­mehr grenzt sich POLIS mas­siv von an­ti­ras­sis­ti­schen und an­ti­fa­schis­ti­schen Struk­tu­ren im Be­zirk ab und ver­stärkt die Hetze gegen diese Ak­ti­vis­t_in­nen. In ihrer Ana­ly­se plä­die­ren sie immer wie­der für sach­li­che Er­wä­gun­gen und ent­zie­hen sich den grund­sätz­li­chen er­for­der­li­chen po­li­ti­schen Po­si­tio­nie­run­gen, die in der The­ma­tik un­um­gäng­lich sind. Es bleibt fest­zu­hal­ten, dass für das Pro­jekt POLIS ein qua­li­ta­ti­ver Er­satz ge­fun­den wer­den muss, die_­der sich den Pro­ble­men des Be­zirks kon­kret an­nimmt.

 

Pro­fi­te mit La­ger­hal­tung –Pe­Wo­Be in Hel­lers­dorf

 

Die Be­trei­ber_in­nen-​Fir­ma der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft ist der be­rüch­tig­te Trä­ger Pe­Wo­Be. Mit Hel­mut Penz an der Spit­ze ist er vor allem dafür be­kannt, Dum­ping-​An­ge­bo­te im so­zia­len Be­reich auf Kos­ten der Be­woh­ner_in­nen für das LA­Ge­So[161] zu er­stel­len.[162]Pe­Wo­Be steht wie keine an­de­re Firma in Ber­lin für die Be­zeich­nung „Lager“, die viele Ge­flüch­te­te für ihre Un­ter­künf­te an­füh­ren: die Min­dest­stan­dards der Un­ter­brin­gun­gen, die für die Ge­bäu­de vom LA­Ge­So fest­ge­legt wer­den, wer­den durch die Pe­Wo­Be immer wie­der deut­lich un­ter­schrit­ten, man wolle selbst fest­le­gen, was Stan­dards wären und dazu kommt, dass Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen sys­te­ma­tisch aus den durch die Pe­Wo­Be be­trie­be­nen Lager ge­drängt wer­den, die so­zia­len Ver­bin­dun­gen der Ge­flüch­te­ten nach außen wer­den wie in einem Ge­fäng­nis durch zur Fir­men­grup­pe ge­hö­ren­de Si­cher­heits­fir­men re­gu­liert und z.T. ge­kappt.[163]Pe­Wo­Be kann ihr La­gers­sys­tem ohne Pro­ble­me auf­bau­en, denn die Prüf­pflich­ten des LA­Ge­So wer­den vor­erst gar nicht, seit ei­ni­ger Zeit nur zö­ger­lich um­ge­setzt und es wer­den teil­wei­se durch das Lan­des­amt keine Ver­trä­ge ge­schlos­sen.[164]

 

Durch die me­dia­le Auf­merk­sam­keit gibt sich die Pe­Wo­Be in Hel­lers­dorf in den ers­ten Wo­chen des Un­ter­kunft­be­trie­bes als vor­bild­li­cher Part­ner. Die Aus­bau­ten sol­len einer men­schen­wür­di­gen Un­ter­kunft mehr als an­ge­mes­sen sein, es solle viel­fäl­ti­ge Frei­zeit-​ und Bil­dungs­an­ge­bo­te geben, man setzt sich sogar mit an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen an einen Tisch und – wie sich spä­ter her­aus­stellt – lügt zu­sam­men mit einem Ver­tre­ter des LA­Ge­So die­sen etwas vor. Man wolle den Ak­ti­vis­t_in­nen hel­fen, sei selbst an einer so­li­da­ri­schen At­mo­sphä­re in der Um­ge­bung in­ter­es­siert. Das LA­Ge­So­ver­spricht die an­tei­li­ge Kos­ten­über­nah­me für den von An­ti­ras­sis­t_in­nen ge­plan­ten ex­ter­nen Treff­punkt der Ge­flüch­te­ten, Hel­mut Penz si­chert zu, dass die Pe­Wo­Be keine Zu­gangs­be­schrän­kun­gen für Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen und so­li­da­ri­sche Ak­ti­vis­t_in­nen um­set­zen wird. Mit Mar­ti­na Wohl­ra­be sei eine Lei­te­rin der Un­ter­kunft ge­fun­den wor­den, die schon lange im Be­zirk aktiv sei und auf einen hohen Er­fah­rungs­schatz in der so­zia­len Ar­beit zu­rück­grei­fen kann. Au­ßer­dem sei sie den Ak­ti­vis­t_in­nen durch ihre Teil­nah­me an den Tref­fen des So­li­da­ri­täts­netz­wer­kes be­kannt (ob­wohl sie dort schon freund­lich, aber be­stimmt für die Über­nah­me der ab­seh­bar re­pres­si­ven Funk­ti­on kri­ti­siert wurde und auf den ent­ste­hen­den In­ter­es­sen­kon­flikt zwi­schen La­ger­be­trei­ber_in­nen und an­ti­ras­sis­ti­schen Ak­ti­vis­t_in­nen hin­ge­wie­sen wurde).

 

In der Folge wurde der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le ein Raum für den Hoch­schul­be­trieb in der Un­ter­kunft zur Ver­fü­gung ge­stellt[165]und der In­itia­ti­ve „Hel­lers­dorf Hilft“ ein La­ger­raum für Spen­den. Aber ins­be­son­de­re die Lei­tung er­weist sich schnell als un­zu­ver­läs­sig und ei­gen­sin­nig: Mar­ti­na Wohl­ra­be trifft sich mit dem be­kann­ten Ras­sis­ten und ehe­ma­li­gen Kopf der Bür­ger­initia­ti­ve André Kie­bis – und das in der Un­ter­kunft, dem di­rek­ten Le­bensum­feld der Leute, gegen die Kie­bis ei­ni­ge Wo­chen zuvor mas­siv hetz­te. Mit dabei ist Carl Chung als Ver­tre­ter von SPI / Ost­kreuz und mit­ver­ant­wort­lich für POLIS*. Der Vor­fall ist ein Skan­dal und wird von An­ti­fa­schis­t_in­nen öf­fent­lich the­ma­ti­siert.[166] Gleich­zei­tig steht sie unter er­heb­li­chem Druck der Bür­ger­initia­ti­ve, Ge­rüch­te über ihr Pri­vat­le­ben wer­den ge­streut. In der Folge zieht sie sich immer mehr zu­rück und kom­mu­ni­ziert nur noch dort, wo sie un­be­dingt muss. An einer Ver­net­zung oder Un­ter­stüt­zung mit Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen und An­ti­ras­sis­t_in­nen hat sie kein In­ter­es­se mehr, agiert zu­neh­mend macht­po­li­tisch, ma­ni­pu­la­tiv und do­mi­nant ge­gen­über Ge­flüch­te­ten, Mit­ar­bei­ter_in­nen und Be­su­cher_in­nen. Nach dem Jah­res­wech­sel ver­liert „Hel­lers­dorf Hilft“ den La­ger­raum, Mar­ti­na Wohl­ra­be rich­tet einen ei­ge­nen Raum ein, über den nur die Un­ter­kunfts­lei­tung ver­fügt. In Zuge des­sen wird der Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on auch ab­ge­spro­chen, eine Auf­ent­halts­be­rech­ti­gung für die Un­ter­kunft zu haben, nur noch über spon­ta­ne Ver­an­stal­tun­gen wie Work­shops oder Be­su­cher_in­nen-​Rech­te haben die Ak­ti­vis­t_in­nen über­haupt noch Zu­gang zum Ge­bäu­de oder zum Hof. Schon vor­her wurde durch die Ge­schäfts­lei­tung von Pe­Wo­Be an­de­ren Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen der Zu­gang zu Un­ter­künf­ten ber­lin­weit ver­bo­ten, kri­ti­sche In­itia­ti­ven wur­den mit Haus­ver­bot be­legt. Auch in Hel­lers­dorf fin­det das statt, man spielt die In­itia­ti­ven ge­gen­ein­an­der aus, sucht sich die be­quems­te aus und lehnt den Zu­gang für alle an­de­ren mit der Be­grün­dung ab, dass ihr Auf­ga­ben­ge­biet schon durch an­de­re Men­schen be­ar­bei­tet werde. In­zwi­schen knirscht es auch in der Be­zie­hung zwi­schen dem eins­ti­gen Vor­zei­ge­pro­jekt der Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le und den Be­trei­ber_in­nen, es wird ver­mu­tet, dass der Zu­gang für die Stu­die­ren­den ab dem Win­ter­se­mes­ter 2014/2015 ver­sperrt bleibt.

 

Hin­ter die­sem Ver­hal­ten ste­hen zwei zen­tra­le Punk­te. Zu­erst gibt es kein In­ter­es­se des LA­Ge­Sos an einer men­schen­wür­di­gen Un­ter­brin­gung der Ge­flüch­te­ten oder ir­gend­ei­ne So­li­da­ri­tät für ihre Lage. Viel­mehr soll den Ge­flüch­te­ten das Leben so un­an­ge­nehm wie mög­lich ge­macht wer­den, damit eine Rück­kehr der Ge­flüch­te­ten in ihre Her­kunfts­län­der ihnen selbst als ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Auf­lö­sung ihrer Si­tua­ti­on er­scheint. Wer im Krieg bes­ser lebt, als in den ver­dreck­ten, engen Un­ter­künf­ten der neuen Wahl­hei­mat, der kehrt in den Krieg zu­rück, so das wi­der­li­che Kal­kül der Be­hör­den. Oder wehrt sich zu­min­dest nicht gegen die Ab­schie­bung. Pri­mär­ziel deut­scher Asyl­po­li­tik ist die so­ge­nann­te „Rück­füh­rung“.[167] Das In­ter­es­se von Men­schen an einem guten Leben ist nur mäßig in­ter­es­sant. Zumal ord­net sich diese Po­li­tik auch in den lan­des­wei­ten Kampf des Se­nats gegen die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Ge­flüch­te­ten ein. So ist es auch zu ver­ste­hen, als die von dem LA­Ge­So im Som­mer 2013 zu­ge­sag­ten und vor we­ni­gen Wo­chen ab­ge­frag­ten Mit­tel für den zu er­öff­nen­den ex­ter­nen Treff­punkt für Ge­flüch­te­te ent­ge­gen die­ser Zu­sa­gen ver­wei­gert wur­den. Diese Zu­sa­ge wurde von dem zu­stän­di­gen Ver­ant­wort­li­chen als dreis­te Lüge zur Be­ru­hi­gung der Si­tua­ti­on ge­braucht. Ak­ti­vis­t_in­nen sind davon al­ler­dings nur mäßig über­rascht ge­we­sen.

 

Hinzu kommt, dass Pe­Wo­Be und an­de­re pri­va­ten Be­trei­ber nicht nur Lager, son­dern ganze La­ger­sys­te­me be­trei­ben. Sie pro­fi­tie­ren von einem hohen Durch­lauf der Be­le­gung, da neben den Ta­ges­sät­zen den Be­trei­ber_in­nen auch pau­scha­le Mit­tel an­hand der Auf­nah­me­zah­len zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den. Ein si­che­res Mit­tel, die­sen Durch­lauf zu ga­ran­tie­ren, sind die Ab­schie­bun­gen ihrer Be­woh­ner_in­nen. Umso we­ni­ger In­ter­es­se hat die Be­trei­ber_in­nen-​Fir­ma daran, dass Ge­flüch­te­te ihre Rech­te ken­nen, sich ju­ris­tisch zu Wehr set­zen (und damit ggf. auch der Firma selbst hö­he­re Kos­ten ver­ur­sa­chen) und ganz all­ge­mein durch Bil­dung und Ver­net­zung ihre Auf­ent­halts­chan­cen ver­bes­sern. Auch an einer Kon­flikt­la­ge hat Pe­Wo­Be ein gro­ßes In­ter­es­se: in ihrer Sys­te­ma­tik bie­tet der Fir­men­ver­bund auch Si­cher­heits­dienst­leis­tun­gen an, der von so­zia­len Kon­flik­ten zwi­schen den Be­woh­ner_in­nen ge­nau­so pro­fi­tiert wie durch ex­ter­ne Be­dro­hun­gen, dient bei­des doch als Ar­gu­men­ta­ti­on ge­gen­über dem Senat, dass die Auf­trä­ge und die fi­nan­zi­el­len Auf­trags­vo­lu­mi­na er­wei­tert wer­den müs­sen. Es ver­steht sich von selbst, dass alles, was den Pro­fit be­schnei­den würde, zudem igno­riert wird: wich­ti­ge Re­pa­ra­tu­ren, Hy­gie­ne, gut aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal – all das lan­det auf der Kür­zungs­lis­te.[168] In der Hel­lers­dor­fer Un­ter­kunft gab es über Wo­chen hin­weg nur we­ni­ge Stun­den am Tag war­mes Was­ser. Erst nach kri­ti­scher Nach­fra­ge von Ab­ge­ord­ne­ten und der Pres­se wurde das Warm­was­ser we­ni­ge Stun­den vor einer Be­ge­hung wie­der an­ge­stellt.

 

In Hel­lers­dorf muss sich – wie über­all in Ber­lin – schnell etwas än­dern. Die Ver­trä­ge mit den pri­va­ten Be­trei­ber_in­nen müs­sen auf­ge­löst wer­den, we­ni­ge Lager kön­nen höchs­tens als Über­gangs­lö­sung be­nutzt wer­den, es muss durch die lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten eine de­zen­tra­le Un­ter­brin­gung für Ge­flüch­te­te er­fol­gen. Das er­for­dert aber eine ver­nünf­ti­ge Mie­ten­po­li­tik die­ses Se­na­tes und die Re­kom­mu­na­li­sie­rung von Wohn­raum. Mit der Frage sind viele ak­tu­el­le Pro­ble­me der Stadt ver­knüpft, des­we­gen kann die Lö­sung nur aus einem grund­le­gen­den und um­fang­rei­chen Po­li­tik­wech­sel be­ste­hen – oder eben gleich aus der De­kon­struk­ti­on der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft, das käme uns doch allen sehr ent­ge­gen.

 

An­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik und ihre Gren­zen

 

An­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik hatte im ver­gan­ge­nen Jahr viel­fäl­ti­ge Fa­cet­ten. Tau­sen­de Ak­ti­vis­t_in­nen be­tei­lig­ten sich an den Ge­gen­de­mons­tra­tio­nen, zeig­ten ins­be­son­de­re den or­ga­ni­sier­ten Nazis, dass ihre Hetze nicht un­wi­der­spro­chen bleibt und auch mit kon­kre­ten Kon­se­quen­zen ver­bun­den ist. Trotz den Spal­tungs­ver­su­chen durch Bou­le­vard­me­di­en, her­aus­ge­schla­ge­ne Augen und halb­to­te Po­li­zis­ten her­bei­fan­ta­sier­ten[169], kamen bür­ger­li­che und links­ra­di­ka­le Ak­ti­vis­t_in­nen wie­der und wie­der zu­sam­men, um ge­mein­sam auf viel­fäl­ti­ge Art und Weise sich den Nazis in den Weg zu stel­len. Als zen­tra­le In­for­ma­ti­ons­struk­tur dien­te das „An­ti­ras­sis­ti­sche In­fo­por­tal Hel­lers­dorf“[170], das über Li­ve-​Ti­cker und auf­ge­ar­bei­te­te Pres­se­ar­ti­kel den In­for­ma­ti­ons­fluss im Be­zirk und in der In­nen­stadt hoch­hielt und so auch in kurz­fris­tig ent­ste­hen­den Be­dro­hungs­si­tua­ti­on re­agie­ren konn­te. Nicht immer lief das rei­bungs­los: eine War­nung, dass sich 150 Nazis aus Lich­ten­berg auf den Weg zur Mahn­wa­che ma­chen wür­den, stell­te sich als Ente her­aus. Die In­for­ma­ti­ons­po­li­tik wurde z.T. als „rei­ße­risch“ kri­ti­siert und der je­wei­li­gen Si­tua­ti­on nicht an­ge­mes­sen. Nichts­des­to­trotz: mit über 9000 ver­netz­ten Men­schen er­wies sich das In­fo­por­tal als eine zen­tra­le In­for­ma­ti­ons­in­stanz.

 

(Foto: Mahn­wa­che in Hel­lers­dorf am 19.​08.​13 / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)  

So wurde auch die an­ti­ras­sis­ti­sche Mahn­wa­che, die über drei Wo­chen vor der Un­ter­kunft der Ge­flüch­te­ten stand und so­wohl Ge­flüch­te­ten, als auch Me­di­en und An­woh­ner_in­nen als zen­tra­ler In­for­ma­ti­ons­punkt, Dis­kus­si­ons­ebe­ne und Ver­net­zungs­punkt dien­te, ein per­ma­nen­tes Zei­chen der So­li­da­ri­tät und hat an­ti­ras­sis­ti­sche Po­li­tik für An­woh­ner_in­nen sehr wahr­nehm­bar ge­macht. Viele, die sich hilf­los auf­grund der Dis­kurs­he­ge­mo­nie der Ras­sis­t_in­nen im per­sön­li­chen Um­feld und auf den In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen des Be­zir­kes fühl­ten und ent­spre­chend ein­ge­schüch­tert waren, fan­den an der Mahn­wa­che den Ort, um aus der Ver­ein­zelung ihrer so­li­da­ri­schen Mei­nung aus­zu­bre­chen und sich über die For­men der So­li­da­ri­tät mit den Ak­ti­vis­t_in­nen an der Mahn­wa­che aus­zu­tau­schen. Per­spek­ti­ven des nied­rig­schwel­li­gen an­ti­ras­sis­ti­schen Han­delns konn­ten so er­öff­net, Spen­den an die be­treu­en­de Or­ga­ni­sa­ti­on wei­ter­ge­lei­te­tet und In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al ver­brei­tet wer­den. So wur­den sie in­di­vi­du­ell ge­stärkt und tra­ten in der Fol­ge­zeit unter den An­woh­ner_in­nen selbst­si­che­rer auf. Auch ras­sis­ti­sche Vor­ur­tei­le konn­ten mit In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al und per­sön­li­chen Ge­sprä­chen in­di­vi­du­ell ver­än­dert wer­den. So wur­den nach hun­der­ten Be­su­cher_in­nen an der Mahn­wa­che eine Stim­mungs­än­de­rung im Kiez deut­lich: aus dem of­fen­siv ver­tre­te­nen ras­sis­ti­schen Kon­sens wurde eine an­ge­grif­fe­ne schwei­gen­de He­ge­mo­nie von ras­sis­ti­schen Denk­struk­tu­ren, die in­ner­halb ihres per­sön­li­chen Um­fel­des auf Wi­der­spruch und Dis­kurs traf und sich damit nicht in ihrer men­schen­feind­li­chen Kon­se­quenz un­ge­hin­dert ent­fal­ten konn­te. Spür­bar führ­te das zu einer deut­li­chen Re­du­zie­rung der ak­ti­ven An­woh­ner_in­nen auf der Face­book-​Sei­te der Bür­ger­be­we­gung, man hatte also die Nazis und den Volks­mob er­folg­reich aus­ein­an­der­dif­fe­ren­ziert. Hinzu kamen di­rek­te Re­ak­tio­nen, wie zwei An­woh­ner_in­nen, die von der Mahn­wa­che vor eine Ka­me­ra des RBBs lie­fen, und dort an­ga­ben, dass sie ei­gent­lich „gegen das Heim“ waren, aber ihnen durch Ak­ti­vis­t_in­nen „der Kopf ge­wa­schen wurde“ und sie des­halb das jetzt in Ord­nung fin­den wür­den. Nichts­des­to­trotz muss ver­merkt wer­den: ei­ni­ge Ak­ti­vis­t_in­nen waren durch den puren Ras­sis­mus und die men­schen­feind­li­che Ein­stel­lung ei­ni­ger An­woh­ner_in­nen als auch Über­grif­fen auf die Mahn­wa­che, u.a. durch den Rechts­ro­cker „Marci“ (Marci & Ka­pel­le / Tä­ter­volk / To­tal­ver­lust) und wei­te­re Per­so­nen aus dem Um­feld der neo­na­zis­ti­schen Ro­cker­ver­ei­ni­gung „Van­da­len“,[171] so ver­stört und scho­ckiert, dass sie ihre Ar­beit an der Mahn­wa­che ab­bra­chen, tief in sich gin­gen und re­flek­tier­ten, ob sie diese sehr na­he­ge­hen­de Ar­beit wei­ter leis­ten konn­ten und woll­ten.[172] Nicht zu­letzt war die Mahn­wa­che auch eine Art Brief­kas­ten: nicht nur An­woh­ner_in­nen schick­ten ihre So­li­da­ri­täts­er­klä­run­gen oder aber (of­fi­zi­ell durch einen Post­bo­ten an die An­schrift „Mahn­wa­che in der Ca­ro­la-​Ne­her-​Stra­ße“ zu­ge­stellt) Räu­mungs­auf­for­de­rung mit 7-​sei­ti­ger­Be­grün­dung, auch Be­rich­te von Spontan­de­mons­tra­tio­nen in Bre­men, Mün­chen und Frank­furt / Main er­reich­ten den Punkt, dazu große Ban­ner­ak­tio­nen bei den Spie­len von St. Pauli und Ba­bels­berg.[173]

 

Eine wei­te­re In­itia­ti­ve, die sich vor allem um kon­kre­te Hilfs­an­ge­bo­te für Ge­flüch­te­te ge­küm­mert hat, ist „Hel­lers­dorf Hilft“[174], die in Folge ihrer sym­bo­li­schen und bild­mäch­ti­gen Hilfs­ak­tio­nen (wie einer Men­schen­ket­te zum Lager, die Sach­spen­den wei­ter­reich­te) auch durch die bür­ger­li­che Ge­sell­schaft ent­spre­chend ge­wür­digt wurde und somit nach­hal­ti­ge Struk­tu­ren für die Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten auf­bau­en konn­te. Zu­sam­men mit vie­len wei­te­re Ak­teur_in­nen or­gan­sier­ten sich auch Hel­lers­dorf Hilft und De­kon­struk­ti­on Ost im So­li­da­ri­täts­netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, des­sen Struk­tu­ren bis heute den Aus­tausch über an­ti­ras­sis­ti­sche und an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit er­lau­ben und nach der spon­ta­nen De­mons­tra­ti­on der Bür­ger­be­we­gungs-​Na­zis die lo­ka­le Grup­pen und so­li­da­ri­sche Un­ter­stüt­zer_in­nen aus der In­nen­stadt wie­der zu­sam­men­kom­men ließ.[175]

 

(Foto: Ein­la­dung zur an­ti­ras­sis­ti­schen De­mons­tra­ti­on durch Hel­lers­dorf am 03.​10.​13)  

Um nicht nur auf die Ras­sis­t_in­nen re­agie­ren zu müs­sen, plan­ten ver­schie­de­ne In­itia­ti­ven und Grup­pen eine breit ge­tra­ge­ne De­mons­tra­ti­on am „Tag der Ein­heit“, also am 3. Ok­to­ber 2013, durch Hel­lers­dorf. Im Zwie­spalt zwi­schen Wut auf den Hel­lers­dor­fer Ras­sis­mus und ein po­si­ti­ves Si­gnal für Ge­flüch­te­te ent­schied man sich für letz­te­res. An die­sem Tag kam eine bunte Will­kom­mens­de­mons­tra­ti­on zu­sam­men, deren Motto „Ge­mein­sam für eine so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft“ auch ein Be­kennt­nis gegen die wirt­schaft­li­che und po­li­ti­sche Do­mi­nanz des wie­der­ver­ei­nig­ten Deutsch­land be­deu­te­te: „Wenn sich am 3. Ok­to­ber Deutsch­land für ge­lun­ge­nes Kri­sen­ma­nage­ment, In­te­gra­ti­on und Wirt­schafts­wachs­tum fei­ert, wol­len wir die­ser Selbst­ver­ge­wis­se­rung etwas ent­ge­gen set­zen. […] An Stel­le von ge­gen­sei­ti­ger Kon­kur­renz, wol­len wir eine Kul­tur der So­li­da­ri­tät, statt einem Klima der Aus­gren­zung eine Will­kom­mens­kul­tur set­zen.“[176] Unter den 1500 De­mons­trie­ren­den fan­den sich viele un­ter­schied­li­che In­ter­es­sen­grup­pen. Mit dem ge­mein­sa­men an­ti­ras­sis­ti­schen Kon­sens wurde ein weit­hin sicht­ba­res und star­kes Zei­chen ge­setzt, nicht nur im Plat­ten­bau-​Kiez um das Hel­lers­dor­fer Lager, son­dern auch in der an­gren­zen­den Ein­fa­mi­li­en­haus­sied­lung – so soll­te das Bild von tum­ben „Un­ter­schichts-​Na­zi“ auf­ge­bro­chen wer­den und dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass Ras­sis­mus zwar un­ter­schied­li­che Aus­drucks­for­men hat, aber auch in Hel­lers­dorf ein ge­samt­ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem ist. Wäh­rend sich ent­ge­gen der Auf­for­de­rung der Nazis nur we­ni­ge Ras­sis­t_in­nen an die De­mons­tra­ti­on her­an­wag­ten (so Kai Schus­ter, Susan W., Marco Z. und Ra­mo­na S.), son­dern eher aus den Fens­tern pö­bel­ten, so zeig­te sich dafür die Po­li­zei be­müht, den an­ti­ras­sis­ti­schen Pro­test zu dis­kre­di­tie­ren und ver­zö­ger­te den Ab­lauf kon­stant durch will­kür­li­che und über­zo­ge­ne Fest- und In­ge­wahrs­am­nah­men, nur um am De­mons­tra­ti­ons­en­de dann in die De­mons­tra­ti­on hin­ein­zu­stür­men, hin­ein­zu­fah­ren (!) und wild um sich zu prü­geln.[177] Ge­ra­de viele neue, bür­ger­li­che In­itia­ti­ven ver­lie­ßen den Tag deut­lich po­li­zei­kri­tisch, ge­schockt durch den un­be­grün­de­ten Ge­walt­aus­bruch.

 

(Foto: An­ti­ras­sis­ti­sche De­mons­tra­ti­on am 03.​10.​13 – die bun­ten Front­trans­pa­ren­te / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)  

Nach­dem die Stim­mung im Kiez um­ge­schla­gen ist, nicht zu­letzt dank der De­mons­tra­ti­on, und der Bun­des­tags­wahl­kampf vor­über war, ließ auch das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der The­ma­tik „Hel­lers­dorf“ deut­lich nach. Zwar waren die Front der ras­sis­ti­schen An­woh­ner_in­nen auf­ge­bro­chen, aber zu hof­fen, dass sich ras­sis­ti­sche Ein­stel­lun­gen spon­tan ver­än­dern wür­den, wäre fehl­ge­lei­tet ge­we­sen – in die­sem Be­wusst­sein ar­bei­ten auch die lo­ka­len In­itia­ti­ven wei­ter. Die in­ten­si­ve an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit wurde fort­ge­führt und eine nach­hal­ti­ge Ver­net­zung ge­sucht, gleich­zei­tig aber auch die lo­ka­le So­li­da­ri­täts­ar­beit fort­ge­führt. Ver­bin­den­des Ele­ment durch be­zirk­li­chen Grup­pen war vor allem die Vor­be­rei­tungs­ar­beit zu einem Treff­punkt für Ge­flüch­te­te und An­woh­ner_in­nen in der un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung der Un­ter­kunft. Dort sol­len Ge­flüch­te­te, die daran In­ter­es­se haben, selbst­be­stimmt und ohne Druck der kon­troll­süch­ti­gen La­ger­lei­tung ein Teil ihres All­ta­ges ver­brin­gen und Hilfs­struk­tu­ren nut­zen kön­nen. An­woh­ner_in­nen, die In­ter­es­se an kon­kre­ter Hilfe haben, kön­nen dort den vor­han­de­nen Raum nut­zen und mit Ge­flüch­te­ten in Kon­takt tref­fen. Nicht zu­letzt sol­len auch Mög­lich­kei­ten des Em­power­ments über den Zu­gang zu Wis­sens­struk­tu­ren für die Ge­flüch­te­ten be­reit­ste­hen.

 

(Foto: „Von der Plat­te für die Plat­te – An-​Ti-​Fa!“ als Zei­chen des selbst­be­wuss­ten An­ti­fa­schis­mus im Be­zirk / Quel­le: Mar­cus Go­le­jew­ski)  

Immer wie­der stieß die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit auch an ihre Gren­zen, ge­ra­de in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten. Wie zuvor er­wähnt, be­fin­det sich die Ber­li­ner Links­ra­di­ka­le seit ge­rau­mer Zeit in einer fa­ta­len Le­thar­gie, die durch die Er­eig­nis­se des letz­ten Jah­res nur kurz auf­ge­bro­chen wurde und sich nun wie­der in nur sehr klei­nen und lo­ka­len Wi­der­stands­zei­chen gegen die Ras­sis­t_in­nen äu­ßert. Die große Welle der So­li­da­ri­tät für Hel­lers­dorf (und Ge­flüch­te­te all­ge­mein) ist vor­bei. Nicht un­er­heb­lich dafür auch: staat­li­che Re­pres­si­on. Hun­der­te Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wur­den wegen der Pro­tes­te gegen die ras­sis­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung gegen linke Ak­ti­vis­t_in­nen ein­ge­lei­tet, über hun­dert Per­so­nen sind fest­ge­nom­men wor­den, ein Ak­ti­vist kam in Un­ter­su­chungs­haft.[178] Die An­ti­re­pres­si­ons­ar­beit stell­te ein Grund­pfei­ler des Dis­kur­ses da, viele Ak­ti­vis­t_in­nen sorg­ten dafür, dass nie­mand mit recht­li­chen Pro­ble­men al­lei­ne um­ge­hen muss­te. Mit aller Macht ver­such­ten staat­li­che Stel­len, die Deu­tungs­ho­heit über le­gi­ti­men Wi­der­stand gegen Ras­sis­mus wie­der an sich zu rei­ßen, nach­dem ihr die­ser zeit­wei­lig ent­glit­ten war und sie nur mit Mühe die Nazis schüt­zen konn­ten. Das aus­blei­ben­de Ros­tock-​Lich­ten­ha­gen hat aber auch die Skan­da­li­sie­rung der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung ab­ge­schwächt, ob­wohl Nazis in­zwi­schen di­rekt vor der Un­ter­kunft auf­mar­schie­ren. Staat und auch ei­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen wie­geln ge­mein­sam ab: es sei ja nichts pas­siert.

 

An ihre Gren­zen sto­ßen an­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen auch in­so­weit, dass kon­kre­te Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten sel­ten struk­tu­rel­ler Art ist, also eine große An­zahl der An­ge­spro­che­nen ein­bin­den kann, son­dern auf das In­ter­es­se der Ge­flüch­te­ten an­ge­wie­sen ist, sich hel­fen zu las­sen, dazu noch kon­kret von Per­so­nen, die keine staat­li­che Le­gi­ti­ma­ti­on dafür haben. Dem­ent­spre­chend schwie­rig ge­stal­tet sich auch Do­ku­men­ta­ti­ons-​ und Auf­klä­rungs­ar­beit in Bezug auf Über­grif­fe und be­hörd­li­chem Druck. Ein Pa­tent­re­zept zur Lö­sung die­ses Span­nungs­ver­hält­nis gibt es nicht, immer wie­der muss ge­schaut wer­den, was in der je­wei­li­gen Si­tua­ti­on für Re­so­nanz er­folgt.

 

Ein wei­te­res Span­nungs­ver­hält­nis er­gibt sich aus den po­li­ti­schen For­de­run­gen und der in­di­vi­du­el­len Hilfe. Wenn ein Miss­stand in einem Lager fest­ge­stellt wird, gibt es für Ak­ti­vis­t_in­nen zwei Mög­lich­kei­ten damit um­zu­ge­hen: auf die Ein­hal­tung von ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ein­zu­wir­ken, und den Staat dazu zu brin­gen, staat­li­che Auf­ga­ben wahr­zu­neh­men. Oder aber ein al­ter­na­ti­ves An­ge­bot zu schaf­fen, in dem das kon­kre­te Pro­blem ge­löst wird. Wäh­rend der erste Weg oft dazu führt, dass der Um­stand zwar skan­da­li­siert wird, aber keine staat­li­chen Maß­nah­men er­fol­gen und die Ge­flüch­te­ten mit dem Miss­stand leben müs­sen, sorgt der zwei­te Weg dafür, dass die Be­trei­ber_in­nen und die Be­hör­den dar­auf ver­wei­sen, dass das Pro­blem ja durch ein zi­vil­ge­sell­schaft­li­ches An­ge­bot ge­löst wurde, sie also ihre ge­setz­li­chen Pflich­ten nicht mehr er­fül­len zu brau­chen. Das führt oft dazu, dass Ak­ti­vis­t_in­nen ori­gi­nä­re staat­li­che Auf­ga­ben über­neh­men (wie es z.B. die Kon­trol­len der Un­ter­künf­te auch wären, die aber vor allem durch den Flücht­lings­rat Ber­lin und Lan­des­po­li­ti­ker_in­nen der Op­po­si­ti­on durch­ge­führt wer­den). Das setzt sich auch in der Spen­den­the­ma­tik fort: oft wer­den Ge­flüch­te­te auf die ein­ge­gan­ge­nen Sach­spen­den ver­wie­sen und An­trä­ge auf Kos­ten­über­nah­me zu­rück­ge­wie­sen oder die dafür zur Ver­fü­gung ste­hen­den Gel­der durch die Be­trei­ber_in­nen als Pro­fit ein­be­hal­ten. An­statt den Auf­trag des Ge­setz­ge­bers also mit den dafür zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln um­zu­set­zen, müs­sen die Bür­ger_in­nen dop­pelt ran: ei­ner­seits wird der durch ihre Steu­ern fi­nan­zier­te Haus­halt über die sie re­prä­sen­tie­ren­den Par­la­men­ta­ri­er_in­nen für die Ver­wal­tung ver­pflich­tend be­schlos­sen, an­de­rer­seits kommt ihr Geld und ihre re­prä­sen­tier­te Ent­schei­dung nie an und die feh­len­den Güter müs­sen durch Spen­den er­setzt wer­den. Den Staat freut es aber: eine wei­te­re mas­si­ve Ein­spa­rungs­mög­lich­keit im so­zia­len Be­reich stützt die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Staa­tes im ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tem. Diese Pro­ble­ma­ti­ken der ka­pi­ta­lis­tisch-​bür­ger­li­chen sys­tem­in­te­gra­ti­ven Ver­ein­nah­mung­des kri­tisch-​prak­ti­schen En­ga­ge­ments zu re­flek­tie­ren, bleibt eine zen­tra­le Auf­ga­be einer an­ti­ras­sis­ti­schen Be­we­gung.

 

Ein­zu­ge­hen ist auch auf das schwie­ri­ge Ver­hält­nis zur La­ger­kri­tik im ver­gan­ge­nen Jahr. Sich im kon­kre­ten Fall von Hel­lers­dorf gegen Lager zu po­si­tio­nie­ren, war eine ver­dammt schwie­ri­ge An­ge­le­gen­heit. Zu hoch war die Ge­fahr, in den Vor­wurf der Quer­front mit den Nazis zu kom­men, die be­wusst auch ar­gu­men­ta­tiv an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­gu­men­te auf­ge­nom­men haben, so­lan­ge sie sich nur gegen Lager aus­spra­chen. Alles, was „Nein zum Heim“[179] be­deu­te­te, war ihnen recht, die tat­säch­li­che Ver­hin­de­rung des Be­zugs stand im Vor­der­grund. Und zwi­schen „Nein zum Heim“ und „Nein zum Lager“ als Pa­ro­len be­stand nur ein pla­ka­ti­ver Kat­zen­sprung, ob­wohl die da­hin­ter­ste­hen­den Men­schen­bil­der grund­ver­schie­den sind und „Nein zum Heim“ die Un­ter­brin­gung als fremd emp­fun­de­ner Asyl­be­wer­ber_in­nen ab­lehnt, wäh­rend „Nein zum Lager“ den Asyl­be­wer­ber_in­nen die Frei­heit geben möch­te, ihren Wohn­ort frei zu wäh­len. Auch wenn ihr Wohn­ort dann in Hel­lers­dorf lie­gen soll, for what its worth. Hin­ter dem be­zirk­li­chen Kon­sens, die Un­ter­brin­gung der Ge­flüch­te­ten aber als ak­tu­el­le und exis­ten­zi­el­le Not­wen­dig­keit zu kom­mu­ni­zie­ren und sich kei­ner An­griffs­flä­che von Rechts aus­zu­set­zen, grup­pier­ten sich auch die Bünd­nis­grup­pen des So­li­da­ri­täts­netz­wer­kes ein, die eine Be­schäf­ti­gung mit der The­ma­tik auf­grund der ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­rung in den Hin­ter­grund rück­ten, ob­wohl sie na­tür­lich immer vor­han­den war. Er­freu­li­cher­wei­se er­gibt sich aber ak­tu­ell eine zu­neh­men­de The­ma­ti­sie­rung der Ver­hält­nis­se auch im Be­zirk.

 

In­ten­siv wurde durch De­kon­struk­ti­on Ost ver­sucht, die Er­fah­run­gen aus Hel­lers­dorf in bun­des­wei­ten Po­di­en auf­zu­ar­bei­ten, die In­ter­ven­ti­ons­pra­xis zu be­leuch­ten und sich ei­ner­seits Input an­de­rer Ak­ti­vis­t_in­nen zu holen und bei Be­darf auch Input zu geben. Die an­ti­ras­sis­ti­schen Pro­tes­te in Schnee­berg und in Ros­tock wur­den durch De­kon­struk­ti­on Ost vor Ort be­glei­tet. Diese Ver­net­zung vor allem in den länd­li­chen Struk­tu­ren ist bis heute prä­gend und hat die pri­vi­le­gier­te Stel­lung der ur­ba­nen Lage Hel­lers­dorfs mit kurz­fris­ti­ger An­bin­dung an al­ter­na­tiv-​ge­präg­te Stadt­be­zir­ke deut­lich ge­macht. Diese Ver­net­zun­gen auf ab­ge­stuf­ten re­gio­na­len Ebe­nen soll­ten sich fort­set­zen. Das Will­kom­mens­netz­werk in Ber­lin ist dafür be­grü­ßens­wer­te Struk­tur, auf der Bun­des­ebe­ne sieht es zur­zeit lei­der wie­der etwas ru­hi­ger aus, ob­wohl ge­ra­de die länd­li­chen Ebe­nen in­ten­si­ven Sup­port gut ge­brau­chen könn­ten.

 

Na­zi­ter­ror be­en­den – Ge­flüch­te­te schüt­zen!

 

(Foto: Spon­ta­ne So­li­da­ri­täts­be­kun­dung im Hel­lers­dor­fer Kiez als Pro­test gegen eine NPD-​Kund­ge­bung an der Un­ter­kunft / Quel­le: Pres­se­dienst Frank­furt/Oder)  

Obers­te Prio­ri­tät hat nach wie vor, die Ge­flüch­te­ten vor ras­sis­ti­schen At­ta­cken und Über­grif­fen zu schüt­zen. Die An­schlä­ge der ver­gan­ge­nen Mo­na­te haben ge­zeigt, dass sich das Pro­blem weg von einem be­fürch­te­ten Po­grom hin zu einer kon­spi­ra­ti­ven und mi­li­tan­ten Na­zi­struk­tur ver­scho­ben hat, die auf ein will­fäh­ri­ges Um­feld aus Ras­sis­t_in­nen auf­bau­en kann. Die Er­fah­run­gen aus der Mord­se­rie des NSU zei­gen, dass ihre Taten aus einem ge­sell­schaft­li­chen Um­feld her­aus ent­stan­den sind und nicht als das Er­geb­nis eines iso­lier­ten „Ter­ror­trio“ ver­harm­lost wer­den dür­fen. Die­ses ge­sell­schaft­li­che Um­feld fin­det sich in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf wie­der, hier wird weg­ge­schaut, wenn mal wie­der Asyl­be­wer­ber_in­nen durch die Stra­ßen ge­jagt wer­den oder sich Tä­ter_in­nen mit Spreng­sät­zen der Un­ter­kunft zu schaf­fen ma­chen. Hin­zu­kommt, dass der NSU-​Be­zug nicht weit her­ge­holt ist. Ge­ra­de um­trie­bi­ge Nazis wie Pa­trick Krü­ger oder Da­nie­la Fröh­lich sind aus der glei­chen Ge­ne­ra­ti­on und der glei­chen Na­zi­sze­ne und haben z.T. enge Kon­tak­te zum NSU-​Um­feld ge­pflegt und pfle­gen sie wahr­schein­lich heute noch, ob nun als staat­li­che Spit­zel (was eine Er­klä­rung für die aus­blei­ben­de Re­pres­si­on wäre) oder als über­zeug­te Na­tio­nal­so­zia­lis­t_in­nen.[180]

 

Hier muss ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den. In den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten haben die Nazis und Ras­sis­t_in­nen ge­merkt, dass ihre Ak­ti­vi­tä­ten auf sie zu­rück­schla­gen, meh­re­re Re­cher­che­pu­bli­ka­tio­nen von An­ti­fa­schis­t_in­nen haben ihnen Namen, Ge­sich­ter und Adres­sen ge­ge­ben[181]; das führ­te zu ge­sell­schaft­li­chem Druck, Ar­beit­ge­ber war­fen sie raus und ihre Nach­bar_in­nen­schaft zeig­te ihnen auch ab und an, dass sie nicht er­wünscht sind. Auf diese Ar­beit ist auf­zu­bau­en, an­ti­fa­schis­ti­sche Po­li­tik ist auch zu­künf­tig of­fen­siv auf die Stra­ße zu tra­gen und muss ein ge­stal­ten­der Teil be­zirk­li­cher Po­li­tik wer­den.

 

Aber or­ga­ni­sier­te und mi­li­tan­te Nazis sind nicht die ein­zi­ge Ge­fahr. Viele Über­grif­fe fin­den spon­tan aus Grup­pen her­aus statt, in denen der ras­sis­ti­sche Nar­ra­tiv in puren Hass über­geht. Ge­ra­de in An­be­tracht des Be­ginns der Welt­meis­ter­schaft wird Na­tio­na­lis­mus wie­der hoch im Kurs ste­hen und alles, was als „nicht-​deutsch“ emp­fun­den wird, als Feind be­trach­te­te wer­den. Vom Par­typa­trio­tis­mus ist es in der Regel nur ein kur­zer Weg zum na­tio­na­lis­ti­schen Über­griffs­mo­tiv.[182] Aus „Deutsch­land, ‘schland“ wird in den nächs­ten Wo­chen in Hel­lers­dorf er­war­tungs­ge­mäß schnell ein „Deutsch­land den Deut­schen“ wer­den. An­ti­fa­schis­t_in­nen müs­sen das zwin­gend auf dem Schirm haben.

Die an­ti­fa­schis­ti­sche Ge­denk­po­li­tik an Be­trof­fe­ne und Er­mor­de­te muss ab­seits von ri­tu­el­ler Selbst­ver­ge­wis­se­rung er­neu­ert wer­den und dabei die Be­trof­fe­nen und ihre Fa­mi­li­en und Com­mu­nities mit ein­be­zie­hen. Gleich­zei­tig müs­sen sich alle Ak­teur_in­nen Ge­dan­ken ma­chen, wie an­ti­fa­schis­ti­sche Ju­gend­po­li­tik im Be­zirk aus­se­hen kann und wie man „An­ti­fa“ und „An­ti­Ra“ wie­der als Iden­ti­täts­merk­mal und grund­le­gen­des Selbst­ver­ständ­nis für kri­ti­sche Ju­gend­li­che an­bie­ten kann. Hier be­steht gro­ßer Nach­hol­be­darf und die Not­wen­dig­keit eine Über­tra­gung an­ti­fa­schis­ti­scher Ju­gend­po­li­tik in das 21. Jahr­hun­dert zu leis­ten.

Ge­flüch­te­te zu schüt­zen be­deu­tet aber auch, nicht nur ei­ge­ne Struk­tu­ren auf­zu­bau­en, son­dern auch dafür zu sor­gen, dass Ge­flüch­te­te ihre ei­ge­nen Struk­tu­ren und noch viel wich­ti­ger: ihr ei­ge­nes Leben auf­bau­en kön­nen. Das heißt ganz kon­kret, sich mit der For­de­rung nach Ab­schaf­fung des La­gers­sys­tems zu so­li­da­ri­sie­ren und ihnen freie Wohn­ort­wahl zu geben; das heißt, die Re­si­denz­pflicht of­fen­siv zu kri­si­tie­ren; und das heißt zu­vor­derst, das Ab­schie­be­sys­tem zu be­kämp­fen und ab­zu­schaf­fen!

 

Es braucht eine Kon­zep­ti­on, wie man in Zei­ten des Rechts­rucks diese For­de­run­gen gegen den ge­sell­schaft­li­chen Trend po­si­tio­nie­ren kann. Nicht un­er­heb­lich ge­hört dazu der an­ti­fa­schis­ti­sche Um­gang mit den Rechts­po­pu­lis­t_in­nen der AfD, in Hel­lers­dorf wie auch bun­des­weit. Es darf dabei nicht den­je­ni­gen an­ti­eman­zi­pa­to­ri­schen Dog­ma-​Lin­ken das Feld über­las­sen wer­den, die mit Ras­sis­t_in­nen und dem zu Ar­bei­ter_in­nen um­ge­deu­te­ten[183] Volks­mob[184] pak­tie­ren wol­len. Die Ge­gen­stra­te­gi­en müs­sen in in­ten­si­ver Ver­net­zung der ins Hin­ter­tref­fen ge­ra­te­nen Lin­ken im­ple­men­tiert wer­den und es muss ab­seits von Kam­pa­gnen-​ und Feu­er­wehr­po­li­tik einen ernst­zu­neh­men­den links-​plu­ra­lis­ti­schen Ge­gen­ent­wurf zur bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft und zum kri­sen­haf­ten Ka­pi­ta­lis­mus geben. Denn: Deutsch­land ist keine Al­ter­na­ti­ve!

 

Quel­len­nach­wei­se

 

[1] An­ti­Ra Por­tal v. 9.​6.​2014:​ „Na­zi­de­mons­tra­ti­on vor Asyl­un­ter­kunft in Hel­lers­dorf (2014)“
[2] Neues Deutsch­land: „Na­zi­auf­zug mit par­la­men­ta­ri­schem Nach­spiel“ v. 11.​6.​2014
[3] Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses Ber­lin v. 11.​6.​2014:​ In­halt­s­pro­to­koll VerfSch 17/28
[4] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­linv. 22.​1.​2014:​ In­halt­s­pro­to­koll VerfSch 17/24
[5] Lager wird in die­sem Text als Be­zug­nah­me auf die Selbst­be­zeich­nung der deut­schen Asyl­un­ter­künf­te durch Ge­flüch­te­te ver­wen­det. Es sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Wort „Lager“ in Deutsch­land auch in Hin­blick auf die Ver­nich­tungs­la­ger des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­le­sen wer­den kann und sich des­we­gen hier von einer Gleich­set­zung von KZs und Asyl­un­ter­künf­ten dis­tan­ziert wird. Die Sin­gu­la­ri­tät des KZ-​Sys­tems bleibt un­an­ge­tas­tet und die Be­zeich­nung von Un­ter­künf­ten soll in kei­ner Weise als Re­fe­renz dar­auf ver­stan­den sein. Ähn­lich ver­hal­te es ich mit dem Wort „De­por­ta­ti­on“, dass in Deutsch­land eine ei­ge­nen Be­zug­nah­me hat, aber durch Ge­flüch­te­te und Sup­por­ter_in­nen in an­de­rer Kon­textua­li­sie­rung ge­braucht wird. Eine reine Ver­wen­dung des be­hörd­li­chen „Un­ter­kunft“-​Be­grif­fes wäre zudem eine Re­la­ti­vie­rung der Macht­struk­tu­ren, die für die Ge­flüch­te­ten mit den La­gern ver­bun­den sind. Die­ses be­griff­li­che Span­nungs­feld auf­zu­lö­sen sei als Auf­ga­be für kom­men­de Texte ver­merkt.
[6] vgl. So­li­netz­werk Ber­lin / re­fu­gees wel­co­me v. 16.​12.​2013:​ „Ge­flüch­te­te will­kom­men – Pro­test­camp bleibt: Of­fe­ner Brief des So­li­da­ri­täts­netz­werk Ber­lin“
[7] Neues Deutsch­land vom 11.​6.​2014:​ „80 Pro­zent der Ora­ni­en­platz-​Flücht­lin­ge droht Ab­schie­bung“
[8] Re­fu­gee Strike vom 3.​3.​2014:​ „Camp der Ge­flüch­te­ten wei­ter­hin im Vi­sier von Neo­na­zis“ 
[9] vgl. auch die Kon­flik­te um die Fi­nan­zen, ari v. 24.​2.​2014:​ „Ver­un­treu­ungs­vor­wür­fe gegen die An­ti­ras­sis­ti­sche In­itia­ti­ve Ber­lin e.V.“
[10] Flücht­lings­rat Ber­lin v. 19.​3.​2014:​ „Schein-​Ei­ni­gung für den Ora­ni­en­platz soll Räu­mung er­mög­li­chen“
[11] vice v. 8.​4.​2014:​ „Häm­mer, Brech­ei­sen und Mes­ser – Die Räu­mung des Ber­li­ner Re­fu­gee-​Camps“
[12] Ta­ges­spie­gel v. 25.​11.​2013:​ „31 Po­li­zis­ten bei Kra­wal­len am Ora­ni­en­platz ver­letzt“
[13] ARAB v. 8.​4.​2014:​ „Meh­re­re Tau­send Men­schen pro­tes­tie­ren gegen Räu­mung des O-​Plat­zes“
[14] bsph. ar­bei­ter­macht v. April 2014: „Teile und Herr­sche?“
[15] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Eu­ro­pa­wahl in Ber­lin am 25. Mai 2014 – Er­geb­nis­se im Über­blick“
[16] taz v. 9.​6.​2014:​ „Stöß ge­winnt“
[17] RBB v. 20.​5.​2014:​ „Po­li­zei bringt Flücht­lin­ge zu­rück nach Sach­sen An­halt“
[18] jun­gle­world v. 22.​5.​2014:​ “’Wir müs­sen mit einer Stim­me spre­chen’”
[19] Open­Pe­ti­ti­on v. 16.​10.​2013:​ „Macht die Turn­hal­le für die Flücht­lin­ge an der St Pau­li­kir­che auf“
[20] HH Mit­ten­drin v. 16.​6.​2014:​ „Pro­mi­nen­te Un­ter­stüt­zung für Lam­pe­du­sa-​Flücht­lin­ge“
[21] vgl. an­ti­fas aus ber­lin v. 24.​4.​2014:​ „Nazis in Kreuz­berg? No way!“
[22] In die­sem Kon­text ist auch der kon­zep­tio­nel­le Um­gang mit dem par­al­lel zur Sil­vio-​Mei­er-​De­mo Na­zi­auf­marsch zu wer­ten. Nur we­ni­ge An­ti­fa­schis­t_in­nen be­ga­ben sich am 23. No­vem­ber 2013 nach Schö­ne­wei­de, um dort aktiv gegen die Nazis vor­zu­ge­hen, die Mehr­zahl zog es vor, das an­ti­fa­schis­ti­sche Ge­den­ken an Sil­vio sym­bo­lisch-​ri­tual­haft statt pra­xis­nah zu hal­ten.
[23] ur­ban­re­sis­tan­ce v. 15.​5.​2014:​ „Stär­ken und schwä­chen au­to­no­mer Po­li­tik“
[24] Über die As­si­mi­lie­rung von so­zia­len Be­we­gun­gen als re­pro­duk­ti­ver Teil der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft vgl. Her­bert Mar­cu­se: „Re­pres­si­ve To­le­ranz“ in: Wolff, Moore, Mar­cu­se, „Kri­tik der rei­nen To­le­ranz“, Frank­furt 1965.
[25] http://​kriseundrassismus.​noblogs.​org/​
[26] An­ti­fa v. 30.​4.​2014:​ „Kö­pe­ni­cker Ras­sis­ten: Von geis­ti­gen zu ak­ti­ven Brand­stif­tern“
[27] vgl. In­dy­me­dia v. 5.​4.​2014:​ „Nazis und Ras­sis­ten in Ber­lin Ad­lers­hof“
[28] Blick Nach Rechts v. 9.​4.​2014:​ „NPD-​Het­ze mit ‚Bür­gern‘“
[29] Er­schre­cken­de Aus­nah­me von die­ser Regel war der Auf­marsch der Par­tei „Die Rech­te“ im Sep­tem­ber 2013, mit­ten durch Lich­ten­berg, vgl. taz v. 22.​9.​2014:​ „Rech­te Szene zer­split­tert“ 
[30] Spie­gel On­line v. 3.​12.​2013:​ „Zwei­ter Ver­bots­ver­such in Karls­ru­he: Jetzt muss die NPD zit­tern“
[31] Ta­ges­schau / NDR v. 1.​6.​2014:​ „NPD muss alle Ber­li­ner Mit­ar­bei­ter ent­las­sen“
[32] Stö­rungs­mel­der v. 19.​5.​2014:​ „Ge­richt er­klärt Schmidtke zu einem der Köpfe von NW-​Ber­lin“
[33] Stö­rungs­mel­der v. 21.​2.​2014:​ „Schlech­te Stim­mung in Ber­li­ner Na­zi-​Hoch­burg“
[34] Diese Um­stän­de ma­chen diese neuen „Ak­ti­vis­t_in­nen“ gleich­zei­tig in­ten­si­ver als üb­lich ein­ge­bun­den in so­zia­le Netz­wer­ke und Lohnar­beits­ver­hält­nis­se, die neo­na­zis­ti­sche Ein­stel­lun­gen u.U. ab­leh­nen und bei Be­kannt­wer­den dar­auf ne­ga­tiv re­agie­ren.
[35] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Bun­des­tags­wahl in Ber­lin am 22. Sep­tem­ber 2013 – Er­geb­nis­se im Über­blick“
[36] jun­gle­world v. 23.​8.​2012:​ „Der ras­sis­ti­sche Kon­sens“
[37] Diese Be­zeich­nung hat sich in der De­bat­te für die In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung in Hel­lers­dorf am 9. Juli 2013 durch­ge­setzt, vgl. für mehr In­for­ma­tio­nen auch AMH v. 10.​7.​2013:​ „Hetze gegen Flücht­lin­ge in Hel­lers­dorf“
[38] vgl. z.B. jun­gle­world v. 14.​11.​2013:​ “Das nicht die Neun­zi­ger, Baby!”
[39] ana­ly­se&kri­tik v. 14.​8.​2013:​ „Nur Mob, noch keine Elite“
[40] taz v. 3.​1.​2014:​ „Böl­ler­an­schlä­ge in Hel­lers­dorf“
[41] Süd­deut­sche Zei­tung v. 8.​5.​2014:​ „Schär­fe­re Re­geln für Asyl­be­wer­ber“
[42] vgl. zur Stig­ma­ti­sie­rung der Ar­bei­ter_in­nen­schaft über das Bild des „Ronny“ auch AIB 102 v. 17.​4.​2014:​ „Dumme Hel­lers­dor­fer Na­zi-​Prolls“
[43] vgl. Ber­li­ner Zei­tung v. 12.​7.​2013:​ „‘Wenn das Heim steht, ziehe ich wie­der weg‘“
[44] vgl. Claa­sen in te­le­po­lis v. 20.​8.​2013:​ „Will­kom­mens­gruß für Flücht­lin­ge und Po­li­zei­schutz“
[45] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[46] vgl. Ber­li­ner Zei­tung v. 24.​8.​2013:​ „Groß­ein­satz bei NPD-​De­mo“
[47] Neues Deutsch­land v. 22.​8.​2013:​ „Zu­hau­se in Hel­lers­dorf“
[48] vgl. auch Ab­schnitt zu Mar­zahn-​Hel­lers­dorf in der Fight Back #5 v. April 2013, S. 67.
[49] vdk Ber­lin v. 6.​9.​2013:​ „De­mo­kra­ten in der Mar­zahn-​Hel­lers­dor­fer BVV so­li­da­ri­sie­ren sich mit Flücht­lin­gen“
[50] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Bun­des­tags­wahl in Ber­lin am 22. Sep­tem­ber 2013 – Er­geb­nis­se im nach Be­zir­ken“
[51] Wahl­lo­kal 313.
[52] Lan­des­wahl­lei­te­rin für Ber­lin: „Eu­ro­pa­wahl in Ber­lin am 25. Mai 2014 – Er­geb­nis­se nach Be­zir­ken“
[53] vgl. die Ein­schät­zung des vdk Ber­lin v. 26.​5.​2014:​ „Rechts­ex­tre­mer Het­zer er­setzt rechts­ex­tre­men Het­zer“
[54] Neues Deutsch­land v. 1.​10.​2013:​ „Rechts­ex­tre­me blei­ben gerne un­tä­tig“
[55] Ber­li­ner Zei­tung v. 4.​7.​2013:​ „An­ony­me Hetze gegen Asyl­be­wer­ber“
[56] vdk Ber­lin v. 3.​6.​2014:​ „NPD sam­melt In­for­ma­tio­nen für ihre Kam­pa­gne gegen Ge­flüch­te­te“
[57] Ta­ges­spie­gel v. 9.​9.​2013:​ „NPD löscht In­ter­net-​Auf­ruf für eine Bür­ger­wehr“
[58] taz v. 6.​2.​2014:​ „Der Het­ze­rei müde“, S.​22.
[59] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 30.​12.​2013:​ „Klei­ne An­fra­ge: Die Par­tei „Die Rech­te“ in Ber­lin – Druck­sa­che 17 /12765“
[60] vgl. auch AIB v. 15.​6.​2006:​ „Der Streit ums Erbe – Die Nach­fol­ge­struk­tu­ren von Blood &Ho­nour“
[61] Spie­gelTV v. 2003: „Brau­ne Seil­schaft – Schmut­zi­ge Ge­schäf­te von Com­bat 18“
[62] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[63] PNN v. 17.​11.​2013:​ „Ap­plaus für Vul­gär­aus­fäl­le der Neo­na­zis“
[64] Stö­rungs­mel­der v. 11.​6.​2014:​ „Dort­munds rechts­ex­tre­me Schlä­ger“
[65] Ber­li­ner Zei­tung v. 25.​2.​1995:​ „Na­zi-​Sze­ne an zen­tra­lem Punkt ge­trof­fen“
[66] taz v. 22.​9.​2014:​ „Rech­te Szene zer­split­tert“
[67] BNR v. 14.​2.​2014:​ „Rech­te Pro­vo­ka­ti­on am Bran­den­bur­ger Tor“
[68] vgl. auch Ab­schnitt zu Mar­zahn-​Hel­lers­dorf in der Fight Back #5 v. April 2013, S. 67.
[69] Ta­ges­spie­gel v. 22.​9.​2013:​ „Mut­maß­lich Rech­te zie­hen ran­da­lie­rend durch den Kiez“
[70] Am 9. Au­gust 2013 wurde durch André Kie­bis eine spon­ta­ne De­mons­tra­ti­on eben­falls per Fax an­ge­mel­det. An­we­send auf die­ser De­mons­tra­ti­on die drei oben ge­nann­ten, wobei Da­nie­la Fröh­lich als Red­ne­rin auf­trat.
[71] vgl. Stö­rungs­mel­der v. 10.​8.​2013:​ „Hit­ler­grü­ße und rech­te Pa­ro­len in Hel­lers­dorf nach Auf­marsch gegen Asyl­un­ter­kunft“
[72] Ber­li­ner Zei­tung v. 20.​8.​1998:​ „DVU-​Orts­vor­sit­zen­der André Otto von der Po­li­zei fest­ge­nom­men“
[73] vgl. „Bür­ger­initia­ti­ve Bies­dorf 2.0“
[74] vgl. „André Otto – Für euch in den Bun­des­tag“ – [Ach­tung: Na­zi-​Link]
[75] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 25. März 2014: „Klei­ne An­fra­ge: Rechts­ex­tre­me An­grif­fe und An­schlä­ge auf Flücht­lin­ge und Flücht­lings­ein­rich­tun­gen – Druck­sa­che 17/13213“
[76] De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „De­con­struct Now! Ab­riss­bir­ne für Hel­lers­dorf“
[77] Dabei hat der Ver­gleich zwi­schen Men­schen und Rat­ten be­son­de­re Tra­di­ti­on in der deut­schen His­to­rie. Neben Ver­glei­chen von Juden und PoCs in den Reden hoch­ran­gi­ger NS-​Funk­tio­nä­re mit der Tier­welt, the­ma­ti­siert der NS-​Pro­pa­gan­da-​Film „Der Ewige Jude“ ganz kon­kret die­ses Bild und setzt auch in der Bild­spra­che Juden mit Rat­ten gleich; vgl. Fried­mann: „Ju­den-​Rat­ten“ in: Frau­en und Film, Nr. 47 (1989), S. 24-35.
[78] taz v. 7.​2.​2014:​ „‘Pro­fil‘ ins Netz ge­stellt“
[79] Nar­ra­tiv meint die sprach­li­che Ver­mitt­lung einer ver­meint­li­chen (hier: po­li­ti­schen, so­zia­len) Er­kennt­nis.
[80] vgl. ex­em­pla­risch Jü­di­sche All­ge­mei­ne v. 18.​10.​2013:​ „Zi­vil­cou­ra­ge-​Preis für ‚Hel­lers­dorf Hilft‘“
[81] RBB v. 29.​8.​2013:​ „‘Den Spin­nern die Gren­zen auf­zei­gen‘“
[82] taz v. 15.​9.​2013:​ „‘Keine in der Wand ver­steck­te Wanze´“
[83] vgl. 1LIVE v. 4.​2.​2014:​ „Das Asyl­be­wer­ber­heim in Ber­lin-​Hel­lers­dorf“
[84] gren­zen_­weg
[85] AK Rech­te Ge­walt an der ASH
[86] AStA ASH
[87] Neues Deutsch­land v. 26.​10.​2013:​ „Pro­test gegen rech­ten Auf­marsch in Ber­lin-​Hel­lers­dorf“
[88] vgl. In­fo­ra­dio v. 28.​4.​2010:​ „Mai Ran­da­le: Ber­li­ner CDU für ‚aus­ge­streck­te Faust‘“
[89] Ber­li­ner Zei­tung v. 26.​10.​2013:​ „NPD-​De­mo unter Po­li­zei­schutz“
[90] Soul­ci­ty­sur­fer v. 26.​10.​2013 ab Ti­mestamp 4:00: „Pro­test gegen die Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[91] Neues Deutsch­land v. 9.​11.​2013:​ „Un­term bür­ger­li­chen Tarn­man­tel“
[92] vgl. Häus­ler v. 30.​7.​2011:​ „Rechts­po­pu­lis­mus als Bür­ger­be­we­gung?“
[93] vgl. stern v. 17.​9.​2013:​ „NPD schockt mit ‚Rück­flug­ti­ckets‘“
[94] taz v. 8.​12.​2013:​ „Trüm­mer in Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[95] vgl. Stö­rungs­mel­der v. 19.​6.​2012:​ „Das Ende der Na­zi-​Mas­ken-​Show“
[96] taz v. 1.​1.​2014:​ „Flücht­lings­heim mit Böl­lern at­ta­ckiert“
[97] taz v. 3.​1.​2014:​ „Böl­ler­an­schlä­ge in Hel­lers­dorf“
[98] Ta­ges­spie­gel v. 28.​1.​2014:​ „Böl­ler auf As­ly­un­ter­kunft ge­wor­fen“
[99] Frak­tio­nen CDU / SPD v. 21.​3.​2014:​ „Be­spre­chung gem. § 21 Abs. 3 GO AGH“
[100] AStA ASH v. 17.​4.​2014:​ „An­griff auf selbst­ver­wal­te­tes Stu­die­ren­den­café“
[101] Ber­li­ner Zei­tung v. 18.​3.​2014:​ „Aus­län­der­hasser zün­den Auto in Hel­lers­dorf an“
[102] evan­ge­lisch ak­tu­ell v. 7.​10.​2013:​ „So­li­da­ri­tät statt Aus­län­der­hass: Hel­lers­dorf hilft“
[103] Chro­nik WuT v. 19.​3.​2014:​ „An­griff auf ver­meint­li­chen Lin­ken in der Ma­xie-​Wan­der-​Stra­ße“
[104] vgl. Chro­nik Mar­zahn-​Hel­lers­dorf WuT
[105] vgl. zur Ver­wen­dung „Schrei­ber­lin­ge“ im Ge­gen­satz zur „kämp­fen­den Grup­pe“ auch ein Pos­ting von 1996 im Thule Netz in Aust / Laabs: „Hei­mat­schutz“, S. 173 f.
[106] all­face­book v. 6.​12.​2013:​ “Was die ak­tu­el­len Än­de­run­gen am News­feed für Un­ter­neh­men be­deu­ten: We­ni­ger Reich­wei­te.”
[107] vgl. NSHIP­HOP v. 26.​12.​2013:​ „Vil­lai­n051“
[108] Laut NSHIP­HOP der Bru­der von Pa­trick Kil­lat.
[109] zu dt. mit meh­re­ren Be­deu­tun­gen: Hitze, Glut, aber auch Flut, Wogen, Lei­den­schaft, Un­ru­he und Be­sorg­nis.
[110] Stö­rungs­mel­der v. 24.​1.​2013:​ “Na­zi­rap vor Flücht­lings­un­ter­kunft”
[111] vgl. NSHIP­HOP v. 1.​10.​2012:​ „DeeEx / De3X“
[112] An­ti­fa Re­cher­che Bro­schü­re Ber­lin v. Mai 2012: „Motiv Rechts 3 – Das Neo­na­zi-​Netz­werk NW Ber­lin“, S. 22.
[113] taz v. 22.​4.​2014:​ „Re­vi­sio­nis­ti­sche Frie­dens­en­gel“
[114] Wir be­nut­zen „*“ als Be­zeich­nung für ein von außen ge­le­se­nes Ge­schlecht, das nicht zwangs­läu­fig das Ge­schlechts­emp­fin­den der be­zeich­ne­ten Men­schen ab­bil­det. Wäh­rend es in an­de­ren Zu­sam­men­hän­gen der Ex­tre­men Rech­ten, auch der neo­na­zis­ti­schen Ideo­lo­gie in­hä­rent, kaum zu einer Dif­fe­renz zwi­schen ge­le­se­nem und emp­fun­de­nem Ge­schlecht kommt, weist die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf und ihr Um­feld ein kom­ple­xe­res, z.T. quee­res Ge­schlech­ter­ver­ständ­nis auf, wes­we­gen wir an die­sem Punkt die *-​Er­wei­te­rung fort­füh­ren.
[115] Fight Back #1 v. De­zember 2001, S. 14.
[116] So tauch­te sie mit ihrer Mut­ter Ga­brie­le F. 2004 auf dem Art­ge­mein­schafts­tref­fen des Na­zi­ka­ders Jür­gen Rie­ger auf, an­we­send dort auch der als NSU-​Un­ter­stüt­zer an­ge­klag­te André Emin­ger, vgl. AIB v. 7.​10.​2013:​ „Eine deut­sche Wut­bür­ger­initia­ti­ve und ihr Tanz mit den Neo­na­zis“
[117] vgl. zu die­ser Ent­wick­lung auch die Bei­trä­ge in: Kel­ler­shohn / Diet­zsch / Wam­per, „Rech­te Dis­kurspi­ra­te­ri­en“, un­rast 2010.
[118] BILD v. 25.​7.​2013:​ „Wo hat die Zschä­pe ihre Kla­mot­ten her?“
[119] FAZ v. 14.​5.​2013:​ „‘Beate Zschä­pe war Mit­glied eines Tö­tungs­kom­man­dos‘“
[120] YouTu­be: Ba­la­cla­va Küche #2 v. 9.​4.​2014. [Ach­tung: neo­na­zis­ti­sche Quel­le]
[121] RP On­line v. 5.​5.​2014:​ „Nur die ‚Freun­din von‘? – Wie Neo­na­zi-​Frau­en ihr Image nut­zen“
[122] vgl. Lang: „Frau­en im Rechts­ex­tre­mis­mus“ S. 127 ff., in: Claus, Leh­nert, Mül­ler: „‘Was ein rech­ter Mann ist …‘“, dietz Ver­lag, 2010.
[123] Süd­deut­sche Zei­tung v. 26.​3.​2014:​ „Ber­li­ner Mauer“, S. 3.
[124] Lan­des­ko­or­di­nie­rungs­stel­le Ju­gend­stif­tung Ba­den-​Würt­tem­berg: „Gen­der und Rechts­ex­tre­mis­mus“, S. 14.
[125] vgl. Grup­pe An­tis­e­xis­ti­sche Pra­xis, „Was tun wenn’s brännt? – Zum Um­gang mit se­xu­el­ler Ge­walt“ in: „AS.​ISMV2 – Re­a­der des An­tis­e­xis­mus-​Bünd­nis­ses Ber­lin“, S. 26 ff.
[126] An­woh­ner*innen v. 1.​8.​2013:​ „Hel­lers­dorf – Ras­sis­ten und Nazis ge­ou­tet“
[127] „Es dau­ert, bis er er­zählt, dass er sei­nen Job als In­for­ma­ti­ker im Ar­beits­amt ver­lo­ren hat.“ In Ta­ges­spie­gel v. 1.​3.​2014:​ „Die Heim­su­chung“, S. 20.
[128] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 3.​9.​2013:​ „Micha­el Engel – der Quo­ten­na­zi im BMH-​Vor­stand“
[129] Die Be­fürch­tung ent­stand, dass ein Tarn­ver­ein ähn­lich dem „So­zi­al En­ga­giert e.V.“ ge­grün­det wurde. Die­ser Ver­ein hatte der Lich­ten­ber­ger Na­zi­sze­ne jah­re­lang einen Treff­punkt ge­bo­ten, von dem immer wie­der Straf­ta­ten aus­gin­gen. Erst nach hohem öf­fent­li­chen Druck, auch durch lo­ka­le An­ti­fa­schis­t_in­nen, muss­ten die Nazis von NW Ber­lin die Räum­lich­kei­ten im Mai 2014 schluss­end­lich auf­ge­ben, vgl. Neues Deutsch­land v. 31.​5.​2014:​ „Ab­schied macht Freu­de“
[130] vgl. eine Viel­zahl der Bür­ger­an­fra­gen in der BVV Mar­zahn-​Hel­lers­dorf, in der der Fra­ge­stel­ler je­weils ver­merkt ist.
[131] Ta­ges­spie­gel v. 1.​3.​2014:​ „Die Heim­su­chung“, S. 20.
[132] Netz­werk Mar­zahn-​Hel­lers­dorf
[133] LG Ber­lin v. 5.​12.​2013 – Az. 27 O 668/13.
[134] vgl. Klose v. 2002: „Na­tur­schutz und Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“
[135] Le­sens­wert in die­sem Zu­sam­men­hang auch spek­tral­li­nie v. 3.​12.​2012:​ „Na­tur­schutz? Nein, Danke!“
[136] Süd­deut­sche Zei­tung v. 5.​4.​2011:​ „Der My­thos der Wer­wöl­fe“
[137] IGA Pro­jekt­blog v. 22.​11.​2013:​ „Paul Bie­ber – Stadt­im­ker in Hel­lers­dorf“
[138] Hinzu kommt die „Con­sti­tu­tio­na­liza­t­i­on“ des Zi­vil­rechts, vgl. ins­be­son­de­re Lem­ley, „The Con­sti­tu­tio­na­liza­t­i­on of Tech­no­lo­gy Law“ in: Ber­ke­ley Tech­no­lo­gy Law Jour­nal – Vol 15:529 (2000), p. 5.
[139] Deut­scher Bun­des­tag v. 30.​5.​2014:​ „Klei­ne An­fra­ge: Pro­tes­te gegen und Über­grif­fe auf Flücht­lings­un­ter­künf­te“
[140] Die Welt v. 21.​8.​2013:​ „Bann­mei­le soll Asyl­be­wer­ber in Ber­lin schüt­zen“
[141] Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin v. 2013: „Haus­halts­plan von Ber­lin für die Haus­halts­jah­re 2014/2015 – Band 6 Ein­zel­plan 09 – Ar­beit, In­te­gra­ti­on und Frau­en“
[142] Re­so­lu­ti­on der BVV v. 30.​8.​2013:​ „Mar­zahn-​Hel­lers­dorf hilft Men­schen in Not“
[143] SPD Mar­zahn-​Hel­lers­dorf v. 23.​8.​2014:​ „Flücht­lings­un­ter­kunft Hel­lers­dorf Dia­log und So­li­da­ri­tät durch Be­geg­nungs­stät­te an­stel­le von zwei­tem Un­ter­kunfts­ge­bäu­de“
[144] Ber­li­ner Zei­tung v. 7.​11.​2013:​ „Ste­fan Komoß ist wie­der im Amt“
[145] Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma via An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 15.​9.​2013:​ „Dos­sier: Bür­ger­initia­ti­ve für ein le­bens­wer­tes Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[146] In­ter­view mit Dag­mar Pohle, in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 49 ff.
[147] Be­zirks­amt Mar­zahn-​Hel­lers­dorf v. 7.​8.​2013:​ „Auf­takt und Vor­stel­lung der neuen Ima­ge­kam­pa­gne“
[148] Lich­ten­berg­M­ar­zahn­Plus v. 10.​5.​2014:​ „Mehr als ein Ge­heim­tipp“
[149] Ta­ges­spie­gel v. 13.​11.​2013:​ „De­bat­te um Akt-​Bil­der geht wei­ter“
[150] vgl. Stif­tung SPI – Teil­pro­jekt POLIS*
[151] vgl. De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „Wohl­ra­be oder doch eher Übel­krä­he? Die Un­ter­kunfts­lei­tung und die Ras­sis­t_in­nen!“
[152] POLIS* v. 3.​12.​2013:​ „Wohn­heim für Asyl­su­chen­de in der Ca­ro­la-​Ne­her-​Stra­ße – Häu­fig ge­stell­te Fra­gen“, 4. Fas­sung
[153] VO­SI­FA v. 2013: „Asyl­su­chen­de? Aber doch nicht bei uns! – Fak­ten gegen Vor­ur­tei­le“
[154] Hinzu kommt, dass man auch in der Nach­be­trach­tung nicht auf an­ti­fa­schis­ti­sche Re­cher­chen ver­wei­sen möch­te, son­dern auf eine In­for­ma­ti­on des Ver­fas­sungs­schut­zes ver­weist. Diese In­for­ma­ti­on be­inhal­tet aber keine qua­li­ta­ti­ve Ana­ly­se, son­dern be­stä­tigt nur die „Be­ein­flus­sung der Bür­ger­initia­ti­ve von Rechts­ex­tre­men“. Ein Ver­fas­sungs­schutz­be­richt, der even­tu­el­le In­for­ma­tio­nen über die Ent­wick­lung in Hel­lers­dorf be­inhal­tet, wird erst am 01. Juli 2014 durch den Senat be­schlos­sen und dann der Öf­fent­lich­keit zur Ver­fü­gung ge­stellt. (Be­zug­nah­me auf: Chung / Bryant, „Vom ‚Nein zum Heim!‘ zu ‚Hel­lers­dorf hilft!‘“, S. 42 in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 36 ff.)
[155] vgl. die Be­ur­tei­lung der an­ti­ras­sis­ti­schen Mahn­wa­che auf S. 40, Chung / Bryant, „Vom ‚Nein zum Heim!‘ zu ‚Hel­lers­dorf hilft!‘“ in: MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 36 ff.
[156] POLIS v. 9.​4.​2014:​ „Be­zirk­li­ches Ak­ti­ons­pro­gramm zur De­mo­kra­tie­ent­wick­lung am Ort der Viel­falt Mar­zahn-​Hel­lers­dorf“
[157] vgl. Ham­mer­ba­cher, „Hand­lungs­stra­te­gi­en gegen Rechts­ex­tre­mis­mus und Frem­den­feind­lich­keit bei Ju­gend­li­chen in Ber­lin und Bran­den­burg“, Ma­gis­ter­ar­beit HU Ber­lin 2001, S. 50 ff.
[158] Ber­li­ner Woche v. 4.​6.​2014:​ „Tur­nier mit Flücht­lin­gen“
[159] Chung, „Von Hel­lers­dorf nach Hei­ners­dorf“, in: : MBT Ost­kreuz, „Com­mu­ni­ty Com­mu­ni­ca­ti­on“, April 2014, S. 26 ff.
[160] vgl. MBT Ost­kreuz / Polis: „Hand­lungs­fel­der“ und „An­ge­bo­te“
[161] Lan­des­amt für Ge­sund­heit und So­zia­les.
[162] Bünd­nis gegen Lager Ber­lin/Bran­den­burg v. 17.​11.​2013:​ „Hin­ter­grün­de zu den pri­va­ten Be­trei­bern Gier­so und Pe­Wo­Be“
[163] Flücht­lings­rat Ber­lin v. 5.​11.​13:​ „Heim­be­trei­ber Pe­Wo­Be ver­bie­tet Deutsch­kurs in Not­un­ter­kunft für Asyl­su­chen­de“
[164] MBR-​Ber­lin v. 2014: „Ber­li­ner Zu­stän­de“, S. 12.
[165] Ein zwei­schnei­di­ges Schwert, wird ei­ner­seits zwar der Kon­takt zu wei­test­ge­hend so­li­da­ri­schen Stu­die­ren­den er­mög­licht und in­sti­tu­tio­na­li­siert, an­de­rer­seits je­doch eine öf­fent­li­che Funk­ti­on in eine pri­va­te und im kleins­ten Rah­men auch in­ti­me Wohn­um­ge­bung hin­ein­ge­legt.
[166] De­kon­struk­ti­on Ost v. 15.​8.​2013:​ „Wohl­ra­be oder doch eher Übel­krä­he? Die Un­ter­kunfts­lei­tung und die Ras­sis­t_in­nen!“
[167] vgl. zum Be­griff auch die Richt­li­nie 2008/115/ EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­men­tes v. 24.​12.​2008. Pas­sen­der­wei­se wird diese Be­zeich­nung durch Nazis auf­ge­nom­men, so trägt Uwe Dreisch in Hel­lers­dorf des Öf­te­ren ein Shirt, dass ihn als „Rück­füh­rungs­be­auf­trag­ten“ aus­weist.

[169] BILD v. 23.​8.​2013:​ „An Auge ver­letz­ter Po­li­zist: Links­ex­tre­mist ge­schnappt“
[170] heute: An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Ber­lin-​Bran­den­burg.
[171] Chro­nik WuT v. 22.​8.​2013:​ „Ro­cker be­dro­hen Mahn­wa­che und grei­fen Flücht­lings­un­ter­kunft an“
[172] Hier zeig­te sich auch ein gro­ßes Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal zwi­schen an­ti­ras­sis­ti­scher und an­ti­fa­schis­ti­scher Ar­beit. Wäh­rend an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit im ur­ba­nen Raum meist weit­ge­hend abs­trakt statt­fin­det und es nur sel­ten zu Be­rüh­rungs­punk­ten mit Nazis kommt, ge­schwei­ge denn Ge­sprä­chen, fin­det an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit wei­test­ge­hend ei­ner­seits im Kampf gegen die struk­tu­rel­len Ras­sis­men der Mehr­heits­ge­sell­schaft statt, die in der di­rek­ten Kon­fron­ta­ti­on ge­leis­tet wer­den muss, wenn man nicht als rein aka­de­misch agie­rend au­ßer­halb eines ge­sell­schaft­li­chen Wir­kungs­gra­des blei­ben möch­te. Dazu kommt die kon­kre­te Ar­beit mit den Ge­flüch­te­ten, die Ak­ti­vis­t_in­nen mit­füh­len las­sen, wenn sie von Über­grif­fen oder Be­hör­den­re­pres­sio­nen be­trof­fen sind. Nicht zu­letzt, wenn man über Mo­na­te ver­sucht hat, ein­zel­ne Ge­flüch­te­te zu un­ter­stüt­zen und diese dann ab­ge­scho­ben wer­den, ist man auch als Ak­ti­vis­t_in mit star­ker emo­tio­na­ler Be­las­tung kon­fron­tiert.
[173] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. Au­gust 2013: „So­li­da­ri­tät“
[174] Hel­lers­dorf Hilft
[175] taz v. 10.​6.​2014:​ „Hel­lers­dorf wie­der Het­zers­dorf“
[176] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 25.​9.​2013:​ “Ge­mein­sam für eine so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft – Gegen Ras­sis­mus”
[177] An­ti­ras­sis­ti­sches In­fo­por­tal Hel­lers­dorf v. 3.​10.​2013:​ “Pres­se­mit­tei­lung zur De­mons­tra­ti­on”
[178] ARAB v. 20.​1.​2014:​ „Free Adel!“
[179] „Die Pa­ro­le ‚Nein zum Heim‘, die in Hel­lers­dorf von den Rech­ten ge­ru­fen wor­den, war lange eine an­ti­ras­sis­ti­sche Pa­ro­le. Das soll­te auch nach Hel­lers­dorf nicht ver­ges­sen wer­den.“ In: te­le­po­lis v. 14.​7.​2013:​ „Hetz­tour gegen Flücht­lin­ge in Ber­lin“
[180] Die Regel ist sogar die Kom­bi­na­ti­on, vgl. z.B. die Causa Tino Brandt.
[181] vgl. Re­cher­che­kom­bi­nat Opre­ma v. 16.​3.​2014:​ „Die Bür­ger­be­we­gung Hel­lers­dorf“
[182] Süd­deut­sche Zei­tung v. 15.​6.​2012:​ „Fuß­ball­tau­mel und Frem­den­feind­lich­keit“
[183] „Tat­säch­lich gibt es kei­ner­lei An­zei­chen für ver­brei­te­ten Ras­sis­mus in Hel­lers­dorf. Als die Par­tei für So­zia­le Gleich­heit dort Un­ter­schrif­ten für ihre Zu­las­sung zur Bun­des­tags­wahl sam­mel­te, er­hielt sie mehr Un­ter­stüt­zung als ir­gend­wo sonst.“, WSWS v. 22.​8.​2013:​ „Wie Die Linke der NPD eine Platt­form gibt“
[184] „Dies teil­te die Lo­kal­po­li­tik in ge­wohnt ar­ro­gan­ter Art und Weise den An­woh­nern erst kurz vor knapp mit und stell­te die Men­schen, die di­rekt von den Aus­wir­kun­gen der Ent­wick­lung im Vier­tel be­trof­fen sind, somit vor voll­ende­te Tat­sa­chen. […] Diese Kon­flik­te wer­den von der BRD, dem deut­schen Im­pe­ria­lis­mus und sei­nen Exe­ku­tiv­or­ga­nen, Hand­lan­gern, Fa­schis­ten und Mario­net­ten ge­schürt – um uns zu spal­ten und die be­rech­tig­te Wut und den Hass in eine Rich­tung zu len­ken, die Ihnen nichts an­ha­ben kann!“ SoL v. 10.​8.​2013:​ „Flug­blatt­ak­ti­on zur Flücht­lings­un­ter­kunft in Hel­lers­dorf“

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